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Lebenslauf der Schwiegermutter Löhe’s.

 Frau Anna Elisabetha Andreä-Hebenstreit, eine gottselige Matrone, welche der HErr zu Seinen ewigen Freuden heimgerufen hat, ist es, deren Leichnam wir hier im Heiligtum niedergesetzt haben. Es ist ihr letzter Besuch, welchen sie in diesem Gotteshause macht, in welchem sie so gerne war, so lange ihre Seele durch die Bande des Leibes hienieden zurückgehalten war. Sie war im Geiste ein lebendiges Glied der hiesigen Gemeinde, welches auch viel geliebt und ihre Liebe aller Orten thätig bewiesen hat. Laßt uns in diesen Augenblicken auch Liebe üben und ihr Andenken feiern.

 Sie ist in Frankfurt a/M. geboren, eine Tochter angesehener und ehrbarer Eltern. Sie verlor ihre Mutter in frühen Jahren, und da sie die älteste unter drei Töchtern war, so wurde sie frühzeitig selbständig. Sie führte von ihrem 12. Jahr an ein Hauswesen, von dessen Größe und Beschwerlichkeit wir in unsrer Gemeinde keinen Begriff haben. Da sie frühe das Zeitliche besorgen mußte, so hätte man sorgen können, daß sie im Zeitlichen untergehen möchte. Aber sie war ein Weib von großen und weitausgreifenden Bedürfnissen des Geistes, und das Hauswesen füllte ihre Seele nicht aus. Der Herr hatte sie in früher Jugend mit aller Schönheit und allem Liebreiz der Seele ausgestattet, und da sie auch mit zeitlichen Gütern reichlich gesegnet war, so fehlte es nicht, daß die Welt und ihre Kinder sie zu gewinnen suchten. Man hätte fürchten können, daß die Eitelkeit und Lust der Welt sie verschlingen könnte, aber sie lebte nicht allein ein jungfräuliches und ehrbares Leben, sondern sie fühlte sich auch von allem Tand der Welt unbefriedigt und blieb immer im Suchen. Ihr hungriger Geist trachtete weiter. Eine Ahnung des Ewigen verließ sie nicht. Sie hatte Gelegenheit ihren Geist

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)