Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/81

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auszubilden wie Wenige. Es sind berühmte Namen unter ihren Lehrern. Sie war angesehen und geliebt um ihres Geistes, ihrer Bildung willen. Aber auch menschliches Wissen und Weisheit dieser Erde befriedigte sie nicht. Ihre Seele suchte Offenbarung, und gerade diese fand sie nicht. Sie gab aus edlen, ungemeinen Gründen ihre Hand ihrem nunmehr in schweren Trauertagen lebenden Wittwer, Herrn Ferdinand Andreä, Kaufmann zu Frankfurt a/M. Sie wurde sehr geliebt. Liebliche Kinder wuchsen um sie auf. Allein auch das Glück der neuen Ehe befriedigte sie nicht. Sie war nicht von dieser Welt, darum genügte ihr diese Welt auch nicht. Auch die Wonne der Freundschaft erfuhr sie und suchte in ihr Seelenstillung. Aber diese Freundschaft ließ sie auch unbefriedigt. – Alles Glück der Erde half ihr zu keinem Frieden. Auch den Jammer der Welt erfuhr sie in einem Maße wie Wenige. Eine schwere Nervenkrankheit überfiel sie, nachdem sie 16 Jahre alt geworden war. Das Nervenfieber aber lehrte sie nicht Lebenslust, sondern Himmelslust. Schon damals hatte sie vor dem Tode keine Furcht, Gottes vorlaufende Gnade hatte ihren Sinn und ihre Erwartung auf die Ewigkeit gestellt. – Sie wurde durch frühen Tod der Mutter, des Vaters ergriffen und tief bewegt – ein Bruder – Kinder – eine theure Schwester – treue Freunde wurden ihr durch den Tod entrissen. Die Vergänglichkeit des Zeitlichen trat ihr in die Augen, der Schmerz des Lebens wurde ihr offenbart. Desto mehr suchte sie das Ewige. Doch war ihr größtes Leiden allewege das, daß ihre Umgebungen nicht im gleichen Maße von Tand und Eitelkeit unbefriedigt blieben, – nicht mit gleichem Hunger und Durst nach dem Ewigen strebten. Ach, wie konnte sie sich betrüben. Welch eine Sorge, welch einen Kummer um die Ihrigen sprach sie aus und besiegelte ihn mit schlaflosen Nächten und zahllosen Thränen, wenn sie der Meinung war, eines ihrer

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)