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Leuchtthurm bei Port Sanilac am Huron-See im Staate Michigan.

Wer Gelegenheit gehabt hat, in den Vereinigten Staaten einen der grossen Binnenseen oder der schiffbaren Ströme zu befahren, wird aus der grossen Zahl von Leuchtthürmen und Leuchthäusern, welche sich an den Ufern oder mitten in den Gewässern erheben, sehr bald die weitgehende Fürsorge erkannt haben, welche die Bundesregierung den Interessen der Schiffahrt im Binnenlande widmet, zugleich aber auch dabei angenehm berührt worden sein durch die gefällige architektonische Erscheinung, welche diese Nutzbauten zu einem bemerkenswerthen Schmuck der Landschaft werden lässt. Es gilt dies namentlich von den neuerdings ausgeführten Anlagen, und unter ihnen sind es wieder besonders die kleineren, auf festem Ufer errichteten Bauwerke, die sich durch naive Gestaltung und malerische Gruppenanordnung auszeichnen.


Als ein Beispiel, wie aus den einfachen Elementen eines mässig hohen Thurmes, einer Wärterwohnung und des sonstigen dienstlichen Zubehörs mit geringem Aufwand an Mitteln eine höchst, ansprechende Baugruppe geworden, diene der in den Zeichnungen dargestellte Entwurf für einen Leuchtthurm bei Port Sanilac am Huron-See.

Das Programm verlangte die Errichtung eines 15 m hohen Thurmes zur Aufnahme einer Laterne mit einer Linse vierter Ordnung, eine Wohnung für einen Wärter mit Familie und einen unverheirateten Gehülfen desselben, sowie ein vorschriftsmässig von den übrigen Bautheilen abgesondertes Oelhaus.

Der Thurm steht für sich auf besonderer Grundmauer, ist aber mit dem Wohnhause durch eine bedeckte Halle, verbunden. Aus dem einfachen Grundriss, der im Erdgeschoss 3 Wohnräume nebst einer in einen niederen Seitenanbau verlegten Küche und im ausgebauten Dachgeschoss die Wohnung des Gehülfen enthält, entwickelt sich in ungezwungener Weise ein schlichter, vornehmlich durch seine Umrisslinie wirksamer Aufbau.

Der Architekt des Leuchtfeueramtes in Washington, P. Pelz hat, wie bei vielen ähnlichen von ihm für diese Behörde entworfenen Bauten, hier eine hervorragende Begabung bekundet, seinen Schöpfungen das Gepräge von natürlicher Wahrheit und gefälliger Erscheinung zu geben, ohne dabei zu den Künsteleien zu greifen, welche an den sonst so tüchtigen Werken ländlicher Baukunst in Nord-America als unerfreuliche Modezuthat auftreten: zu willkürlichen Verstümmlungen gesunder Umrisse durch gesuchte Ecklösungen, widersinnige Auskragungen und zu jenen Dachbildungen, wie sie unter dem recht bezeichnenden Namen „Crazy-“ oder „Sham-Roofs“ namentlich an den Häusern im Stil der Königin Anna, auf deren Namen hin jetzt diesseit und jenseit des Atlantischen Oceans so viel gesündigt wird, nur zu oft vorkommen.

Der Thurm, im Grundriss achteckig, ist in einfachster Art aus Ziegeln aufgeführt.

Der augemessen verjüngte Schaft trägt auf seiner Spitze die eiserne Laterne, umgeben von einem durch kräftige Schichtenauskragung unterstützten Umgang. Die Umfassungswände der übrigen Bautheile bestehen ebenfalls aus Ziegeln, nur zu den Sohlbänken der Fenster ist Sandstein verwendet. Die Dachflächen sind mit Schindeln eingedeckt.

Die Baukosten betragen 67 000 Mark, einschliesslich der Summe von 10 500 Mark für die Eisenarbeiten der Thurmtreppe, des Laufganges und der Laterne.

Washington, im Juli 1885.

Hinckeldeyn.     




Dampfschiff für Drahtseil-Tauerei.

Wenn es sich darum handelt, die Schiffahrt eines Flusses durch Einführung der Tauerei anderen Verkehrswegen gegenüber mitbewerbfähig zu erhalten oder neu zu beleben, so wird stets in erster Linie die Frage aufgeworfen: „Soll der Betrieb an einer Kette oder einem Drahtseil geschehen?“ Der allgemeine wirthschaftliche Einfluss auf Handel und Wandel ist beiden Arten der Tauerei in gleich hohem, schätzenswerthem Masse zu eigen, und es sind daher nur technische Fragen, welche vor der Entscheidung beantwortet werden müssen. Verschiedene Umstände haben sich nun vereinigt, um in den meisten Fällen der Ausführung die Waage zu Gunsten der an und für sich unvollkommeneren Kette sinken zu lassen. So finden wir z. Z. die ganze Elbe von Leitmeritz in Böhmen bis Hamburg (687 km), die Saale von Halle bis zur Mündung in die Elbe (105 km), den Neckar von Heilbronn bis Mannheim (123 km), die Brahe auf 13 km und die Havel und Spree auf 20 km Länge mit der Kette belegt und die gleiche Einrichtung für den Main in Vorbereitung. Ausser auf der bereits erwähnten Elbstrecke von Leitmeritz bis zur sächsischen Grenze bei Schandau (69 km) ist die Kettenschleppschiffahrt in Oesterreich noch auf dem mittleren Theil der Donau ober- und unterhalb Wiens im Betriebe, während die der I. k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft concessionirte Verlängerung der Kette bis Passau bezw. Ulm augenblicklich zu eingehenden Verhandlungen in den betheiligten Kreisen Veranlassung giebt. Auch in Frankreich (441 km), Belgien (28 km) und Russland ist Tauerei mit Kettenschiffen in Anwendung. Dem gegenüber hat die Seilschiffahrt einen Rückgang in der räumlichen Ausdehnung zu verzeichnen: in Belgien, America und Oesterreich sind sämtliche Drahtseilbetriebe wieder eingestellt und nur in Deutschland ist derselbe noch im mittleren Laufe des Rheins von Obercassel bei Bonn bis nach Bingen (120 km) in erfolgreicher Verwendung.

Zweifellos stellt die Seiltauerei einen höheren Grad der technischen Vollkommenheit dar als die Kettenschiffahrt, und wenn

Empfohlene Zitierweise:
Ministerium der öffentlichen Arbeiten (Hrsg.): Centralblatt der Bauverwaltung (1855). , Berlin 1885, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZBBauverw_1885_36.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)