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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

vom Ausgang des Mittelalters bis zur Einführung der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. tritt bei uns ein direkter oder indirekter Einfluss der Inquisition oder anderer geistlicher Behörden auf die gerichtlichen Verhandlungen zu Tage. Allüberall sind es die Vögte oder die Schöffengerichte, welche die Entscheidung in die Hand nehmen. Selbstredend wären die Hexenverfolgungen, bei denen wesentlich Fragen theologischer Art in Betracht kamen, bei einem entschiedenen Widerspruch der geistlichen Behörden überhaupt ganz unmöglich gewesen. Einen direkten[1] Widerspruch hatten indes die Bulle Summis desiderantes und der Hexenhammer lahmzulegen versucht, ohne freilich vielerorts einen gewissen bedingten Widerstand beseitigen zu können. Das Vorhandensein eines solchen bedingten Widerstandes folgt für die letzten Jahrzehnte vor 1539 sogar für die höchste kirchliche Stelle schon aus der Thatsache, dass der Kölner Erzbischof Hermann von Wied einem hervorragenden Gegner des Hexenwahns, dem gelehrten Agrippa von Nettesheim[2], freundlich gegenüberstand, ja sogar später durch die Aufnahme des Canon episcopi in das wiederholt erwähnte Enchiridion (1538) den Verfolgungen eine Hauptstütze entzog.

Vielleicht war die Verbrennung einer Frau zu Hochkirch im Dekanat Bergheim-Erft im Jahre 1491 die erste Hexenverbrennung, welche nach dem Erscheinen des Hexenhammers am Niederrhein vor sich ging. Eine zu Hochkirch (Hoenkirch) verbrannte Frau, so berichtet der Vogt zu Bergheim im Oktober 1491,[3] hatte eine andere Frau „besagt“ (berüchtigt). Die Beschuldigte wurde zu Bergheim ins Gefängnis gesetzt und dort durch den Scharfrichter an sieben Tagen auf das schärfste gefoltert. „Die Kunst des Scharfrichters“, so heisst es weiter, „ist erschöpft, die Gesundheit der Angeklagten vollständig gebrochen, ein Bekenntnis war nicht zu erzwingen, was ist weiter zu thun?“ Wird auch in diesem Berichte des


  1. Der direkte Widerspruch behauptete „maleficas non esse, aut quod nichil in nocumentum creaturarum quacunque operatione efficere possent“. (Malleus l. c. p. 686). Der bedingte Widerstand dagegen leugnete nicht die Möglichkeit von Beschädigungen durch Teufelsbund und Teufelskunst, hielt aber dafür, dass man das überaus dunkle Gebiet dämonischer Einflüsse nur mit grösster Vorsicht berühren dürfe, indem die ungeheure Mehrheit der umlaufenden Erzählungen oder der durch die Folter erpressten Geständnisse auf Zuverlässigkeit keinen Anspruch erheben dürfte.
  2. Vgl. K. Binz a. a. O. S. 18.
  3. Vgl. die Beilage No. V.
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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)