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nach hergebrachter Sitte erschienen waren, um den chinesischen Oberbeamten den Neujahrswunsch darzubringen, nebst vielen anderen vornehmen Bewohnern von Tschugutschak zur festgesetzten Stunde in die Moschee. Plötzlich wurde diese von bewaffneten Dungenen umzingelt, gleichzeitig warf sich ein anderer Haufen derselben auf die Citadelle, bemächtigte sich der Geschütze und des Pulvers und hieb alle Mandschuren nieder, die sich ihm in den Weg stellten. Dasselbe Loos traf in der Moschee den greisen Commandanten, als er sich seiner Verhaftung widersetzen wollte, mit ihm fiel unter den Streichen der Dungenen der größte Theil der dort versammelten Beamten; die acht Kalmüken fanden nur darum Gnade, weil sie sich dem Islam zu unterwerfen versprachen. Zwei Tage lang wurde in den Straßen der Stadt gestritten, aber der Energie des jungen Amban, der aus der Moschee entkommen war, gelang es, die Citadelle ihren Angreifern wieder zu entreißen und sie zu halten. Die Dungenen mußten nun zu einer regelmäßigen Belagerung derselben schreiten, wobei die Moschee ihr Hauptquartier und Waffendepot wurde.

Für die Entscheidung des Kampfes in dieser Gegend hing alles davon ab, wie sich die um Tschugutschak wohnenden Nomadenstämme der Kirgisen und Kalmüken zu demselben verhalten würden. Die Dungenen gewannen den Beistand der Kirgisen, ihrer Glaubensbrüder, dadurch, daß sie ihnen die Stadt zur Plünderung überließen. Sofort aber nahmen die Erbfeinde der Letzteren, die Kalmüken, auf der entgegengesetzten Seite Standpunkt. Der chinesische Insurrectionskampf wälzte sich in die Auls der Nomaden hinüber. Das ganze Jahr 1865 verging unter unaufhörlichen Razzias zwischen Kirgisen und Kalmüken, bis endlich sich ein entschiedenes Uebergewicht der Letzteren herausstellte. Nun änderte sich die Lage der Eingeschlossenen von Tschugutschak. Die Citadelle, die schon der Hungersnoth nahe war, füllte sich mit Heerden von Schafen, welche von starken Abtheilungen Kalmüken, Torgouten und Durboten herangetrieben wurden. Die Besatzung erhielt täglich Verstärkungsmannschaften, machte häufige Ausfälle und trieb ihrerseits die Dungenen in eine Defensivstellung. Diese verschanzten sich in der Moschee, welche sie mit Vorräthen vollauf versehen hatten.

Um diese Zeit ereignete sich ein Vorfall, der möglicherweise die chinesische Regierung in unangenehme Verwickelungen mit Rußland bringen konnte. Der Commandant von Tschugutschak ertheilte, wie Oberst Heinz erzählt, einem Kalmükenführer den Befehl, einen Kirgisenstamm, der sich durch seine feindselige Haltung besonders hervorgethan und an der Plünderung von Tschugutschak theilgenommen hatte, in seinem Herbstlager aufzusuchen, das sich auf russischem Boden

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Verschiedene: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Zweiter Band. Dietrich Reimer, Berlin 1867, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_II.djvu/168&oldid=- (Version vom 1.8.2018)