In Ansehung der Composition bin ich also weit entfernt, die Denkbilder des vortreflichen Andreä zur Nachahmung zu empfehlen. Vielmehr können sie dem Lehrer des guten Geschmacks, wenn er nichts besseres an ihnen zu bemerken weiß, nützlich seyn, seinem Schüler an ihnen mancherlei Fehler bemerkbar zu machen, und ihn dadurch vor Abwegen zu warnen. Was mangelt z. B. diesem Apolog, daß er keine ächte Fabeln jenem Emblem, daß es kein vollkommenes Sinnbild ist? Wodurch ward diese Allegorie gestört? wodurch ward jene Personendichtung zwangvoll und überladen? Welcher fremde Gedanke unterbricht hier die sinnliche Vorstellung? welcher feine Witz, hier am Anfange, dort am Ende des Gedankenbildes gehört nicht unmittelbar zu ihm? Kann aus dieser Dichtung, aus jenem Emblem ein klares schönes Epigramm werden? Wie faßt man diesen Edelstein simpler? — Solche und mehrere dergleichen Fragen kann man sich selbst und andern vorlegen, gewiß zur Reinigung und Bildung des
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)