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System ist nicht deformirt, besitzt kein specifisches Zeitmaass und ist durch die Bewegung nicht anisotrop geworden.

§ 4. Die Lorentz’sche Deutung fordert von uns, zwischen den gemessenen Längen und Zeiten und den wahren zu unterscheiden. Aber sie versagt uns die Mittel, die Aufgabe – selbst unter Voraussetzung idealer Messinstrumente – experimentell zu lösen. Die Lorentz’sche Elektrodynamik und Mechanik ist nur entwickelt für . Wir haben daher gar keine Möglichkeit, Strecken anders als mit den „falschen“ mitbewegten Maassstäben, und Zeiten anders als mit den „falschgehenden“ mitbewegten Uhren zu messen. Damit wir „richtige“, also ruhende, Instrumente zu Messungen an unserm bewegten System benutzen könnten, müsste uns eine Mechanik oder Optik gegeben sein, die nicht nur innerhalb der beiden Gebiete und Geltung hätte, sondern aus dem einen in das andere durch das Gebiet der variabelen hinüberleitete. – Bis auf weiteres besteht daher die Bedeutung der „wahren“ Längen und Zeiten ausschliesslich darin, dass für sie die Elektrodynamik der Gleichungen (L1) (L2) gilt, zugleich mit der Mechanik, welche in den Hypothesen 1, 2, 3 ihren Ausdruck findet. Durch keine hiervon unabhängige Erfahrung können sie festgelegt werden.

Es handelt sich also bei Lorentz und bei mir lediglich um zwei verschiedene Arten, den gleichen Sachverhalt auszusprechen: entweder durch (L1) (L2) und die Mechanik der Sätze 1, 2, 3 – oder durch (C′) und die gewöhnliche Mechanik. Keine denkbare Beobachtung kann zwischen den beiden Erklärungssystemen entscheiden.

§ 5. Eine Verallgemeinerung der Gleichungen (C′) für den Fall beliebig im Raum vertheilter Geschwindigkeiten liegt in meinen „Gleichungen des elektromagnetischen Feldes …“ vor. Sie ersetzt, ohne im übrigen etwas zu ändern, die ersten beiden der Gleichungen (C′) durch die folgenden:[1]

(C)

wo eine in der Materie feste Fläche, ihre Randcurve bedeutet.

Diese Gleichungen ergeben, auf geschlossene Flächen angewandt, die bekannten „Continuitätsgleichungen“ der Elektricität und des Magnetismus, und führen, auf undeformirbare Flächen angewandt,


  1. Vergl. a. a. O. unter (B).
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Emil Cohn: Zur Elektrodynamik bewegter Systeme. Verlag der Akademie (Georg Reimer), Berlin 1904, Seite 1300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zur_Elektrodynamik_bewegter_Systeme_I.djvu/7&oldid=- (Version vom 18.10.2019)