Maler und Zeichner für den Formschnitt, wenn nicht
selbsteigenhändig Formschneider – worüber ein noch
immer unentschiedener Streit herrscht – von der höchsten
Bedeutsamkeit. Aus dem Dunkel der Zeit aufglühend,
in ihr Dunkel verschwindend, leuchtete Hans
Holbein der jüngere am Himmel der deutschen Malerkunst
in meteorischer Schöne. Weder Geburts- noch
Todestag von ihm sind ermittelt, und wie um den
Sänger der Ilias und Odyssee, streiten sich mehrere
Städte um die Ehre, des großen Meisters Geburtsstätte
gewesen zu sein. Selbst das Jahr seiner Geburt
schwankt von 1495 bis 1498. Aber in Basel,
wohin er mit seinem Vater, der zugleich sein Lehrmeister
war, von Augsburg gezogen sein soll, begann
er seine Künstlerbahn, und befreundete sich frühzeitig
mit den hervorragenden Männern, welche die Bewegungen
auf dem humanistischen und kirchlichen Gebiete
dort vereinten; einen großen Theil dieser seiner berühmten
Zeitgenossen zeichnete Holbein nach dem Leben,
und leistete schon dadurch der Nachwelt einen höchst
dankenswerthen Dienst. Zum berühmten Buche des
Erasmus von Rotterdam, der sich in Basel niedergelassen
hatte: »Das Lob der Narrheit«, zeichnete Holbein
die trefflichen Holzschnitte. Einige alte Gemälde,
Todtentänze, schon im fünfzehnten Jahrhundert, wo
nicht früher, hervorgegangen aus Zeiterscheinungen und
deren asketischer Auffassung, die in Basel sich als
Wandbilderreihen vorfanden, weckten in Holbein die
Idee zu seinem unübertrefflichen Holzschnitttodtentanz,
einer Bilderreihe voll des tiefsten Ernstes im Bunde
mit Laune und klassischem Humor, welcher in zahlreichen
Ausgaben, in deutscher, niederdeutscher, französischer,
englischer und italienischer Sprache meist poetisch
erläutert erschien, häufigst nachgestochen, nachgedruckt
und noch häufiger nachgeahmt wurde, und schon allein
hinreicht, Holbeins Namen die Unsterblichkeit zu sichern.
Die Forschung hat erwiesen, daß die Anzahl der von
Holbeins Todtentanz gedruckten Exemplaren eine Million
erreicht, und dennoch sind Originale desselben jetzt
selten und theuer. Noch seltener sind die Ausgaben
von Holbeins Bibelbildern, Icones historiarum veteris
et novi testamenti, und das ihm ebenfalls zugeschriebene
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/185&oldid=- (Version vom 14.9.2022)