Der lichthellen Geister einer, die mit glänzendem Wirken
in ihre Zeit, in ihr Jahrhundert traten, schon im
Leben gefeiert und als einer der würdigsten und bedeutendsten
Zeitgenossen anerkannt, nach seinem Hinscheiden
aber doppelt verehrt und des Dankes der Nachwelt
im vollen Maaße werth befunden.
Schleiermacher wurde zu Breslau geboren; der Vater war reformirter Feldprediger. Der Sohn bestimmte sich frühzeitig für das theologische Studium; er besuchte als Knabe das Pädagogium der Brüdergemeinde zu Niesky, dann deren Seminarium zu Barby, was freilich nicht die Orte waren, wo ein Geist, wie der Schleiermachers, Ermunterung zu seinem Fluge hoffen durfte. Schleiermacher fühlte das, und ging, da die Gnade bei ihm nicht zum Durchbruch kam, im Jahre 1787 nach Halle, dort Theologie zu studiren, mit welcher er das Studium der Philosophie und Philologie in passende Verbindung brächte. Nach vollendeten Universitätsstudien wurde Schleiermacher Erzieher bei dem Grafen Dohna v. Schlobitten auf Finkenstein in Preußen, und nahm später eine Stellung am Schullehrerseminar zu Berlin unter Gedike an. Im Jahre 1794 wurde er zum Prediger ordinirt, empfing ein Pfarramt zu Landsberg an der Warthe, und kehrte 1796 nach Berlln zurück, wo er Prediger am Charité- und Invalidenhause wurde, und zugleich nun seine ausgezeichnete schriftstellerische Laufbahn begann. Bald gewahrte die Welt in den Schriften Schleiermacher’s einen hellstrahlenden Geist; er neigte sich Friedrich Schlegel zu und trug die Philosophie Platons im Herzen. Durch Schlegel angeregt und anfangs mit ihm gemeinsam, wurde Schleiermacher der gediegene und beste Uebersetzer der Werke des griechischen Weltweisen, den kein älterer wie kein neuerer zu übertreffen vermag. Schleiermacher folgte 1802 einem Ruf als Hofprediger nach Stolpe, und erhielt auch einen Ruf an die Hochschule Würzburg, den er ablehnte, schon weil seine Regierung dies wünschte, aber gewiß auch aus innern Gründen, denn wie hervorragend ehrenvoll auch Würzburg sich stets unter den deutschen Universitäten behauptet, für einen Lehrer der protestantischen Theologie und einen Philosophen von Schleiermachers Geist und Lehrweise
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/331&oldid=- (Version vom 15.9.2022)