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Sidney in Australien

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCV. Schmalkalden Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band (1840) von Joseph Meyer
CCCVI. Sidney in Australien
CCCVII. Peking
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SYDNEY
in New-South-Wales

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CCCVI. Sidney in Australien.




Jede neue Welt, jede neue Zeit, jedes neue Geschlecht, jedes neue Volk, jeder neue Mensch geht von der Wiege aus, und dieß Gesetz erhält die Menschheit in ewiger Jugend. In Asien sind die Völker überreif oder gestorben; die Zeit der Ernte ist da, oder die Früchte sind schon abgenommen, und der europäische Pflug bricht zögernd den Boden um zur neuen Aussaat. Europa’s ältere Nationen im äußersten Süd und West ergrauen und sinken unter der Jahre Last; im Norden aber erfüllt rüstige Manneskraft noch die Völker, und im Herzen des Welttheils steht der germanische Stamm, an dessen weithin schattenden Aesten der Menschheit schönste Blumen erblühen und die besten Früchte zeitigen. Jugend lärmt und schwärmt in Columbus Welttheil; für die Völkersäuglinge ist Australien Wiege, und Embryonen künftiger Zustände, Staaten und Zeiten birgt Afrika in seinem glühenden Gürtel.

Unter allen Erscheinungen der Gegenwart verdient kaum eine so große Aufmerksamkeit und nicht eine wird so große Folgen haben, als die Colonisation Australiens durch germanische Elemente. Sie wird mit jedem Jahre wichtiger, führt mit jedem Jahre neue, unerwartete Erscheinungen herbei, gewinnt mit jedem Jahre größere Fortschritte und äußert jetzt schon Rückwirkungen auf die alte Welt, welche diese nicht geahnet hat. Was sich in Nordamerika in 2 Jahrhunderten langsam gestaltete, ist in Australien in einem einzigen Menschenalter geworden. Die Zeit der Colonisation durch Verbrecher neigt sich für Australien schon zu Ende, und der Strom der freien Auswanderung aus den germanischen Ländern richtet den Lauf nach seinen Gestaden. In England zumal regt sich allenthalben dieser Geist der Vorliebe für australische Ansiedelung, lacht aller Befürchtung und Besorgniß über die Gefahr der langen Reise, und der erwachte Eifer, durch das Gedeihen der bisherigen Versuche ermuthigt, durch die Gesetzgebung begünstigt, durch die Colonisationsgesellschaften gespornt, durch die Fortschritte der Dampfschifffahrt von einem Haupthinderniß befreit, ergreift dort allmählig alles und reißt alles mit sich fort. Schon jetzt reist man von London über Alexandrien und Suez in 45 Tagen nach Calcutta. Die Dampfschiffe, die von Calcutta nach Sidney jeden Monat abgehen, brauchen 14 Tage; in 2 Monaten also kann man auf die bequemste Weise die Ueberfahrt aus Europa nach Australien bewirken, und es bedarf nur einer die Bedürfnisse der Auswanderung berücksichtigenden, erweiterten und geregelten Einrichtung, um die Vortheile der Zeit- und Raumverkürzung auch den Massen der Auswanderer zugänglich zu machen. Zwei Aktienkompagnien in England beschäftigen sich in diesem Augenblick mit dem Bau von [76] 20 großen Dampfschiffen für diesen Zweck, und ihre Konkurrenz wird durch Billigkeit der Preise dem neuen Bedürfniß dienen. Von der entgegengesetzten Seite bietet man ihm gleichfalls die Hand. Die Sidney-Gazette hat den Plan veröffentlicht, Dampfboote regelmäßig durch die Südsee nach der Westküste von Mittelamerika zu schicken, von wo eine kurze Landreise, wie bei Suez, über den schmalen Bergrücken nach Panama bringen soll, der Station einer zweiten Dampfschifflinie, welche die westliche Kommunikation mit Europa in grader Linie vollendet. In weniger als 100 Tagen geschieht dann die Reise um die Welt. So werden die jungen, kaum geborenen Colonieen Australiens Mittel und Impuls, unglaublich Scheinendes zu verwirklichen, sie rücken die Welttheile zusammen, nähern die Völker und kleinern die Erde. Man erwäge, welch ein unermeßliches Feld für die menschliche Thätigkeit diese einzige Thatsache öffnet. Selbst in der Politik wird das Faktum dastehen als Riesenzahl, welche die alten Rechnungen verwirrt, alle frühern Verhältnisse verschiebt und zum Aufsuchen anderer Rechnungsbasen anweist. Im Rathe der Nationen und Staaten wird es sich nicht mehr um Krieg und Frieden eines Erdtheils handeln; man wird fortan immer die ganze Welt umfassen müssen.

Für jetzt steht England noch allein als Leiter da in dieser großen Bewegung. Es hat in der australischen Welt Posto gefaßt auf eine Weise, die deutlich zu erkennen gibt, daß es keinen Nebenbuhler gegen sich aufkommen zu lassen beschlossen hat. England bekennt ohne Hehl, daß, was es in Nordamerika und in dem atlantischen Meere gezwungen aufgegeben hat, es in Australien und der Südsee hundertfältig wiedergewinnen will. Seit den letzten 10 Jahren, in welchen die australische Colonisation so außerordentlich zunahm, sind dem Mutterlande bereits so bedeutende Vortheile daraus erwachsen, daß man sich nicht wundern darf, wenn man sieht, wie es die weitere Ansiedelung auf eine Weise fördert, von der die neuere Geschichte kein Beispiel aufstellt. Eine einzige Thatsache reicht hin, dieß zu erläutern. 1816 wurde versuchsweise eine Heerde sächsischer Schafe nach Sidney geführt, und 1818 kam das erste Produkt dieser Heerde an den Londoner Markt. 1820 bestand das eingeführte Quantum australischer Wolle in 120,000 Pfund; 1830 stieg es auf 2 Millionen und im vorigen Jahre auf 8 Millionen Pfund, zum Werthe von mehr als 10 Millionen Gulden. In weniger als 2 Jahrzehnten muß England in Bezug auf seinen Wollbedarf unabhängig vom Auslande seyn, und australische Wolle mag vielleicht die deutsche noch von unsern eigenen Märkten verdrängen. Auch der so wichtige Wallfischfang in der Südsee, der gegenwärtig 500 brittische Fahrzeuge und 10,000 Seeleute beschäftigt, ist durch den Besitz der australischen Colonieen fast schon ein Monopol Englands geworden. Rechnet man zu den unmittelbaren Handelsvortheilen die noch größern, welche England für seine unsichere Herrschaft in Indien erwachsen, für welche es in seinem australischen Reiche die sicherste Stütze findet: so wird es nicht mehr auffallen, daß es so gierig seine Polypenarme über den ganzen australischen Ocean ausstreckt und alles, was es zu erklammern weiß, mit so viel Ostentation als sein ausschließliches, unantastbares Eigenthum proklamirt. Hat es ja sogar Neuseeland gleichzeitig [77] von Sidney und vom Mutterlande aus schon colonisirt und offen gestanden, solches sey nur der Anfang einer Colonisation, die alle Inselgruppen der Südsee umfassen werde; wahrlich ein ungeheuerer Plan und würdig der Weltenseele Britanniens.


Australien (Neuholland) erstreckt sich, von der Südspitze von Vandiemensland angerechnet, vom 46. bis zum 10. Grad südlicher Breite, liegt also mit der größern Hälfte in der wärmern gemäßigten Zone, unter dem glücklichen Himmelsstrich Deutschlands, Italiens und Griechenlands. Nur die kleinere fällt innerhalb der Wendekreise. Sein Flächeninhalt kömmt dem von Europa nahe. Ueber dieses Continent, welches 300 Millionen Menschen nähren könnte, ist die einheimische Bevölkerung äußerst dünn zerstreut, und diese ist eine schwache Raçe, im Reiche vernünftiger Wesen eines der letzten Glieder. Zur Zeit beschränkt sich die Colonisation auf einen Punkt der Westküste (die Niederlassungen am Schwanenflusse), und auf die südöstliche Ecke, welche die Landschaften Neu-Süd-Wales, Port Philipp, Australia Felix und Südaustralien begreift. Erforscht ist das Continent nur zum zwanzigsten Theil erst; sein Inneres ist noch terra incognita.

Die nächste Veranlassung zur Colonisirung Australien’s entsprang aus der Trennung Nordamerika’s vom Mutterlande, welche England nöthigte, für die große Masse von Verbrechern, welche sein eigenthümlicher Zustand jährlich schafft, ein neues Asyl zu finden, das hinlänglich entfernt sey, um den Gedanken an Rückkehr zu verhindern, und geeignet, aus dem Auswurfe des Mutterlandes nützliche Colonisten zu bilden. Man wählte dazu Australien, dessen Ostküste schon Cook für diesen Zweck empfohlen hatte. Im März 1787 segelte die erste Expedition, bestehend aus 11 Schiffen, welche, nebst dem Gouverneur Philipp und seinen Beamten, ein Bataillon Landtruppen und etwa 700 Verbrecher beider Geschlechter am Bord hatte, von Portsmouth ab, um die beabsichtigte Niederlassung in Botany-Bai zu gründen. Sie lief nach einer achtmonatlichen, sehr beschwerlichen Reise in Port-Jackson glücklich ein. Am 26. Januar 1788 wurde in Sidney-Cove die brittische Flagge feierlich aufgepflanzt und der erste Baum zur Erbauung der Hauptstadt eines neuen Welttheils gefällt. Die Gesammtzahl der Gelandeten war 1030. Ehe 6 Monate vergingen, waren die Wohnungen fertig. Es waren Blockhäuser; auch des Gouverneurs Haus war nichts Besseres. – Diese erste Ansiedelung mußte harte Prüfungen bestehen. Das Mutterland schickte nämlich schon im nächsten Jahre wieder 700 Verbrecher, mit einigen Ladungen Lebensmitteln. Als nun jene ankamen, die Proviantschiffe aber untergingen, so trat Hungersnoth ein. Viele der Verbrecher flohen in das Innere, wo sie umkamen, oder verschollen; Insubordination folgte und sie half das Elend vermehren. Dieser Zustand dauerte bis 1790, wo das Mutterland eine neue Flotte mit Truppen und fast 2000 Sträflingen, Mundvorrath [78] auf 18 Monate, Heerden von Hausthieren etc. etc. und allen Hülfsmitteln sandte, um den Zustand der jungen Niederlassung gründlich zu verbessern. Gouverneur Philipp, der krank nach England zurückkehrte, wurde vom Gouverneur Hunter abgelöst, einem wackern, energischen Seemann, welcher bald alles zu Gedeihen führte. Im folgenden Jahre begann die Einwanderung freier Colonisten, die seitdem stets zugenommen hat. Hunter verdingte diesen die Verbrecher als Arbeiter; die unverbesserlichen, einer solchen Freiheit Unwürdigen aber schickte er weiter nordwärts nach Norfolksbai, wo sie unter militärischer Aufsicht Feld roden und eine zweite Stadt bauen mußten. Nur ein einziges Mal noch kam die Colonie durch Empörung in Gefahr. Unter Hunter’s Nachfolger, dem Capitain King, rotteten sich 600 Sträflinge zusammen und riefen die australische Republik aus; doch wurden sie überwältigt, die Anführer gehangen, die Uebrigen zu harter Arbeit in Ketten nach Norfolk geschickt. Seitdem kamen aus dem Mutterlande jährlich 2000 bis 3500 Verbrecher; auch die freien Ansiedler kamen häufiger, doch bis auf die neueste Zeit, welche die australische Auswanderung so sehr erleichtert und fördert, überstieg ihre Zahl selten 300. Deportation also blieb das Hauptelement der Colonisation. Was daraus für eine Bevölkerung hervorging, läst sich freilich denken. Es ist begreiflich, daß alle Laster und Verbrechen auf diesem üppigen Boden wucherten, und Perioden gab es, wo der Zustand der Entsittlichung unter der Bevölkerung so bedenklich wurde, daß er die schärfsten Correktivmaßregeln hervorrief. Am schrecklichsten wüthete eine Zeitlang die Spiel- und Branntweinsucht. Der Mangel an Weibern, welche nicht den sechsten Theil der mannbaren Bevölkerung ausmachten, nährte noch Schlimmeres. Dem letzten Uebel abzuhelfen, schickte das Mutterland jährlich einige Ladungen Mädchen, – niedrige, aus den Gefängnissen und Lusthäusern zusammen geraffte Geschöpfe, die Hefe des Geschlechts, und es ist ein Wunder, daß die so zusammengesetzte Gesellschaft nicht in fauler Gährung gar verdarb, – ein doppeltes Wunder aber, daß sie allmählich sich geklärt und veredelt hat. Hiezu hat das schnelle materielle Gedeihen vorzüglich beigetragen. Die Strafzeit der meisten Verbrecher endigt in Australien bald, denn der Gouverneur übt im wohlverstandenen Interesse der Colonie das unbeschränkte Begnadigungsrecht auf die liberalste Weise aus. Schnell kommen diese Freigelassenen, durch die nützliche Anwendung ihrer Kräfte, zu Eigenthum und Wohlstand, und dieser führt gemeiniglich auch ihre sittliche Verbesserung mit sich. Den wohlthätigsten Einfluß aber übte ohne Zweifel das seit 10 Jahren so vermehrte Zuströmen freiwilliger, wohlhabender Colonisten. Dadurch hat sich allmählich eine zahlreiche Mittelclasse gebildet, welche zwischen der Verbrecher- und Beamtenbevölkerung steht und an Zahl bereits beide überwiegt. Demungeachtet mag der Zustand der Gesellschaft immer noch als ein abnormaler zu betrachten seyn; die Verbrechen sind hier noch häufiger als irgendwo, und nur wenn die Deportation gänzlich aufhört, kann der sittliche Zustand sich rasch vervollkommnen.

Inzwischen bessert er sich, wenn auch nicht so schnell, als der materielle. Das großartige und humane Prinzip der brittischen Regierung, jeden Verbrecher, sobald er die australische Küste betritt, als einen neuen Menschen [79] zu betrachten, und sein vergangenes Leben in der alten Welt als ein abgeschlossenes, für welches der Staat keine Erinnerung hat, trug durch seine praktische Anwendung, so häufig auch die Ausnahmen gewesen sind, doch im Ganzen ganz gute Frucht. Jeder Sträfling, der hieher kommt, weiß, daß die Schande seines vergangenen Lebens in Europa zurückbleibt, und eine gute Aufführung hier unfehlbar zu Vermögen, Ehre und Auszeichnung führen muß. Er spielt folglich den bessern Menschen zuerst aus Klugheit, bis ihn Gewohnheit und Einsicht wirklich zu einem solchen machen. Der größte Theil der jetzigen Magistratspersonen, und der reichsten und angesehensten Banquiers und Kaufleute in Sidney, Paramatta etc., waren Verbrecher und sind Leute, deren australisches Leben im vollen Gegensatz zu ihrem frühern steht, und die die allgemeine Hochachtung in vollem Maße verdienen, welche sie genießen. Viele, eingedenk ihrer eigenen Vergangenheit, verwenden einen großen Theil ihrer Einkünfte und ihres Erwerbs auf die Verbesserung der Lage der Sträflinge, und mehre Vereine machen es zum besondern Zweck ihres Strebens, die Neuangekommenen zur bessern Erkenntniß und auf den Pfad der Rechtschaffenheit, zu Glück und Wohlhabenheit zu führen. Nirgends in der Welt, das ist wahr, sind die Elemente des Lasters so zusammengehäuft, als hier; nirgends aber auch sind so thätig und reichlich vorhanden die Mittel, jene zu zerstören.

Sidney, die Capitale eines neuen Welttheils, liegt anmuthig an einer kleinen Bucht des Port-Jackson, an Sidney Cove, theils auf dem hohen und felsigen Gestade, theils in einem Thale hin, welches sich landeinwärts gegen die Höhen verliert, die in weitem Halbkreise die Küste umgürten. Binnen 52 Jahren ist das elende erste Blockhaus der Verbrecher zur Stadt emporgewachsen, Frankfurt an Größe gleich, und an Schönheit keiner ähnlichen des Mutterlandes nachstehend. Mehre Straßen sind eine engl. Meile lang, alle weit und grade, mit breiten Trottoirs an beiden Seiten hin, und meistens großen, oft mit Luxus gebauten Häusern. Hin und wieder sieht man noch die hölzerne Hütte der ersten Ansiedler; manche steht wohl neben dem Palast, den der nämliche Mann bewohnt, welcher jenes Häuschen mit eigenen Handen erbaut hat. In diesem vorurtheilsfreien Lande, wo die praktische Philosophie auf dem Throne sitzt, wo es keine Erniedrigung gibt, als die, welche man sich selbst bereitet, hat sich der prangende Baum nicht des dunkeln Keims zu schämen, dem er entwuchs. – Folgende Momente geben einen Ueberblick von dem schnellen Fortschreiten Sidney’s. 1788 brach bie Pflugschaar die erste Furche, erstand das erste Blockhaus; 1789 wurde zum erstenmal geerntet; 1790 sah man den ersten Eigenthümer, einen begnadigten Verbrecher; 1791 das erste Gebäude von Stein; 1793 die erste Ausfuhr von Colonialprodukten (1200 Malter Weizen); 1794 die erste Kirche; 1795 die erste Schule; 1796 das erste Theater; 1797 die ersten Bälle; 1800 das erste Münzprägen; 1801 die erste Druckerei; 1803 die erste Zeitung; 1804 Bau der Citadelle (Fort William); 1805 lief das erste Schiff vom Stapel; 1806 die erste Sonntag- und Freischule gegründet; 1807 die ersten Eilposten; 1809 die erste Marktordnung; 1810 das erste Wettrennen; 1811 die erste Bank; 1813 die erste Messe; 1814 die erste Pennypost, die erste feinwollige Schafheerde eingeführt; 1815 die erste Dampfmaschine; 1817 das Appellationsgericht, [80] die erste Aktienbank, die erste Wollausfuhr; 1818 die erste philanthropische und die erste wissenschaftliche Gesellschaft; Gründung des Gymnasiums; 1819 Gründung des Waisenhauses; 1820 die erste landwirthschaftliche Ausstellung; 1821 die erste katholische Kirche; Gründung des Museums; 1822 Freiheit der Presse, die ersten öffentlichen Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände; 1824 die Constitution, Selbstregierung der Colonie, die erste gesetzgebende Versammlung; 1825 freie Gemeindeverfassung, Criminalgerichtshof; 1827 erstes wissenschaftliches Journal; 1828 erste Dampfschifffahrtsverbindung mit Calcutta; 1830 Bau des ersten Dampfschiffs; 1832 erste öffentliche Sparkasse; 1833 erste polytechnische Lehranstalt; 1834 Gründung der musikalischen Academie; 1836 erste Kanonengießerei; erste Dampfmaschinenfabrik; 1837 erste Eisenbahn; 1838 erste Kunstausstellung. – Wir, die wir kein Vorwärtsschreiten ohne jenen Hemmschuh zu denken fähig sind, welcher den Begriff von Schnelligkeit gar nicht aufkommen läßt; wir, die wir auf einem Boden wandeln, der eingenommen ist von den Institutionen der finstern Vergangenheit und dem Schutte der Feudalität; wo es, um einer neuen Ordnung den kleinsten Raum zu gewinnen, immer erst des langwierigen, gemeinlich hartnäckig bestrittenen und verwehrten Wegräumens bedarf: wir können eine so rasche Entwickelung freilich kaum fassen.

Sidney hat 30,000 Einwohner und wird ihrer mehr als Hunderttausend haben, ehe das erste Jahrhundert seiner Gründung verstreicht. Sein Hafen, Port-Jackson, ist einer der besten der Erde, und sichert Sidney den Rang eines großen Handelsplatzes für alle Zukunft. Das Clima ist gesund, gemäßigt; die Landschaft in den Thälern fruchtbar und die benachbarten Gebirge sind reich an den schönsten Weiden und zur Erzeugung des werthvollsten Handelsartikels – der feinsten Wolle – vorzüglich geschickt. Die Gegend um Sidney ist sorgfältig angebaut; die Cultur in den Grafschaften Camden, Argyle, Westermoreland etc. macht große Fortschritte, und mit den Nachbarstädten: Paramatta, Liverpool, Windsor, Richmond, Castlereagh, Penrith, deren Zahl sich mit jedem Jahre vermehrt, bestehen schon tägliche Postverbindungen, und vortrefflich erhaltene Kunststraßen erleichtern den lebendigen Verkehr. Auf die Größe des Handels, auf den Reichthum und Wohlstand, der hier herrscht, läßt sich aus der Menge der Handelsanstalten: – Börse, mehre Banken, Assekuranzgesellschaften, – und aus dem Reichthum der Waarenvorräthe schließen; auf den Luxus aber die unzählichen, mit den Erzeugnissen der alten und neuen Welt zu Genuß und Putz kostbar und geschmackvoll ausstaffirten Läden, welche sich in den Hauptstraßen einer an den andern reihen. Die öffentlichen Lustbarkeiten, von deren Ankündigungen alle Blätter gefüllt sind, die Pracht vieler Wohnungen und die Menge hübscher Gartenanlagen und Landhäuser auf den benachbarten Hügeln deuten auf den allgemeinen Sinn für Lebensgenuß hin. Trotz der jährlichen Einfuhr einer großen Masse gezwungener Arbeiter, welche, bis zu ihrer Emanzipation, den freien Colonisten in Miethe gegeben werden, steht doch der Preis aller Menschenarbeit äußerst hoch und das Leben ist in Sidney eben so theuer, als der Verdienst reichlich und leicht ist. Hausmiethe und Feuerung kosten hier so viel, wie in London; denn die benachbarten Höhen sind kahl, und [81] das Holz kommt von den entferntern Gebirgen; der Preis des Baugrunds aber ist unglaublich. Land an der Stadt, welches vor 40 Jahren zu 15 Dollars per Morgen gekauft wurde, bedang in öffentlicher Versteigerung 1838 20,000 Pfund Sterling der Morgen, und daß man den Quadratfuß mit 500 Gulden bezahlt, ist nichts Seltenes und vertheuert das Bauen außerordentlich. Läden mit Comptoirs in günstiger Lage werden daher häufig für 500 bis 1000 Pfund Sterling verpachtet. Gasthöfe, größtentheils Hotels großartiger Ausstattung, gibt es über 200 in Sidney, und 5 Theater, Concertsäle und Panoramen sorgen für die feinern Gattungen des Vergnügens.

Sidney’s terrassenartige Lage macht, daß man von vielen Wohnungen die herrlichste Aussicht genießt, und von den Gipfeln der Höhen, die die Stadt umgeben, ist die Vista wahrhaft unermeßlich. Ueber die große summende Stadt selbst und ihren blühenden Gartenkranz hinweg gleitet der Blick hinab in den Hafen, den schönsten der Welt, mit seinen zahlreichen grünen Inselchen, tiefen, dunkeln Buchten, und den auf der glänzenden Fluth hin und her gleitenden Schiffen; weiterhin öffnet sich das Meer, auf dem das dunkelblaue Himmelsgewölbe ruht, umhangen mit einem düstern Nebelschleier, auf dem dann und wann das weiße Pünktchen eines Segels schimmert, wie ein warnender Wegweiser in der Unendlichkeit für die irren Ahnungen der Menschenbrust. Auf der andern Seite, landeinwärts, dehnen sich liebliche Gründe aus, mit Meiereien besäet; hinter diesen ist schwarzer, unabsehlicher Urwald, nur an einzelnen Stellen vom blauen, fernen Hochgebirge überragt. Das Ganze ist ein Bild einer in tiefem Frieden lebenden Gemeinschaft unschuldiger Menschen, und doch ist diese Gemeinschaft, die wie eine Traumwelt an uns vorüberzieht, nur das Produkt der Schuld, und ihr Glück das Loos der Gefallenen.