Sinfiötli’s Ende
(Sinfjötlalok.)
Sinfiötli sprach des Morgens zu Gunther, seinem Ohm:
„Laßt uns rheinabwärts rudern! So goldig fließt der Strom.
Schnallt an die beste Klinge und nestlet Euren Schild!
Ich weiß geheime Halden, da lagert edles Wild.“
Dann schaut’ er nach dem Schwerte, das ihm zur Seite lag:
„Herr Ohm, das Schiff ist träge, die Halde liegt noch weit:
Laßt uns die Stunde kürzen, mich lüstet sehr nach Streit.
Schaut, wie vom Waldgebirge die Sonne blutig scheint!
Ihr freit um Schön Sigune, Sigune lieb’ ich auch:
Mag denn das Schwert entscheiden! So ist es Heldenbrauch.“
Herr Gunther hört mit Staunen des Jungen kühnes Wort.
„Sollt’ ich den Knaben tödten, das wär’ ein leid’ger Mord!“
Für zwei Lebend’ge fürder ist hier im Schiff kein Raum.“
Es war in Rheinesmitte, weit ringsum Strom und Wald,
Da liefen auf einander die Helden mit Gewalt.
Der Neffe war so grimmig, dem Alten dünkt’ es Scherz,
Es taumelt blutberonnen Herr Gunther über Bord,
Wild rauschen auf die Wogen, das Schifflein gleitet fort;
Der Knabe blickt erathmend stolz hin auf Strom und Land,
Dann greift er rasch zum Steuer und rudert an den Strand.
Da seines Weibes Bruder erlegen seinem Sohn!
Wie klagte Frau Borghilde in Thränen unverwandt
Da man im Ufersande des Helden Leiche fand!
Sinfiötli kam zu Hofe. Der Vater stand am Thor.
„Es bluten todte Wunden; ein Mörder kommt zu Gast.
Hinweg von dieser Schwelle! Fort ohne Ruh’ und Rast!“
„Frau Mutter, sprach der Knabe, die Rede ist mir leid!
Den ich bestanden habe, der fiel in gutem Streit.
„So sei es, sprach der König, ich will dein Bürge sein.“
Die Wolken wurden grauer, es dunkelte der Saal,
Da hielten sie am Hofe ein reiches Todtenmahl;
Sinfiötli sitzt beim Vater und kündet ohne Trug,
Borghilde hört von ferne des Stiefsohns kühnes Wort;
Grimm nagt ihr in die Seele, sie sann dem Knaben Mord.
Da mischt sie Gift zum Weine und schenkt ihm freundlich ein;
Der Held blickt in den Becher: „Wie trüb ist doch der Wein!“
Nun wird uns seltne Märe von Sigmund’s Leib gesagt:
So fest und überkräftig war der gewalt’ge Held,
Daß ihn versehren mochte kein einz’ges Gift der Welt.
Er setzt den Becher nieder. Da füllt ihn noch einmal
Sinfiötli sah mit Zögern die blutigtrübe Fluth,
Da rief der alte König: „Trink zu, der Trank ist gut!“
Doch wie der Held nun arglos in großen Zügen trank,
Da schwanden ihm die Sinne, daß er vom Stuhle sank;
Und schleudert ihn ergrimmend hoch an des Saales Wand.
Dann aber ward er stille, und stille war’s im Saal,
Es schauen auf den König die Gäste allzumal;
Der hebt das Haupt des Sohnes, das Haupt ist feucht und schwer;
Und als er sah erstorben die herrliche Gestalt,
Das schöne Aug’ erloschen, die Lippe blau und kalt,
Die Wonne seines Alters verkehrt in ew’gen Schmerz,
Da brach im stummen Jammer des alten Königs Herz.
Er trägt ihn durch die Hallen, doch weiß er nicht wohin?
Er trägt ihn ferne Meilen nie rastend fort und fort
Und weinet keine Thräne und spricht kein einzig Wort.
So geht er bis zum Morgen und geht den ganzen Tag,
Er sucht nach einer Fähre hinaus in’s wilde Meer, –
Da ruderte zum Lande ein Ferge schwarz und hehr.
„Gieb mir den schönen Todten! Ich harrte sein schon lang;
Ihm harfen meine Töchter trübholden Grabgesang.“
Und warf die goldne Krone dazu als Fergenlohn.
Doch starken Schwunges lenkte der Fremdling in das Meer.
„Ein sterblich Haupt, Herr König, ist meinem Schiff zu schwer;
Laß ab von deinem Todten, er ist in sichrer Hut!“
Da schwimmen aus den Tiefen die Nixen um den Kahn
Und singen süße Weisen und schweben leis voran.
Der Alte steht am Ufer, hält über’s Aug’ die Hand,
Bis daß im Abendrothe der Trauerzug verschwand.