Sklavenzug in der Wüste

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Titel: Sklavenzug in der Wüste
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 756
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Sklavenkarawane durch die Sahara
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[753]

Sklavenzug in der Wüste.
Zeichnung von Alb. Richter.

[756] Sklavenzug in der Wüste. (Zu dem Bilde S. 753.) Es ist dieselbe Geschichte in ganz Innerafrika; überall giebt es dort Sklaven, und fast überall treibt dort die Jagd auf den schwarzen Menschen ihre scheußlichen Blüthen. Die allgemeine Aufmerksamkeit ist jetzt auf Ostafrika gerichtet, und wir kennen zur Genüge die Greuel, die in jenen Gebieten des Dunklen Welttheils von den Arabern und ihren Helfershelfern verübt werden. Unser heutiges Bild versetzt uns in ein anderes Land. Solchen Reitern, wie sie der Stift Albert Richters trefflich wiedergiebt, begegnen wir im westlichen Sudan an der Grenze der Sahara; es sind typische Gestalten von Händlern aus den Haussaländern, mit denen unsere Leser seinerzeit durch die Schilderungen Flegels im Jahrgange 1884 der „Gartenlaube“ bekannt geworden sind. Diese weiten Gebiete nebst den Negerreichen Bornu, Baghirmi und Wadai versorgen sowohl die Oasen der Sahara wie die nordafrikanischen Küstenstaaten mit Sklaven, und fast jede der Karawanen, welche die Wüste durchziehen, führt neben anderer Fracht auch menschliche Ware mit sich.

Paul Staudinger, welcher zuletzt die Länder am Benue bereist hat, indem er die Geschenke Kaiser Wilhelms I. an die Sultane von Sokoto und Gandu überbrachte, spricht sich über diese Sklaventransporte folgendermaßen aus: „Die Schwierigkeit des Transportes durch die Wüste macht die Leute zuerst aus Noth, später aus Gewohnheit grausam und gefühllos. Tausende von den heiteren Kindern des Sudans hat alljährlich die Sahara zum Opfer gefordert; das ungewohnte Klima und noch mehr der Durst und die Strapazen einer Wüstenreise raffen viele Hunderte dahin, von denen die meisten elend in der Einöde verschmachten, allerdings nicht durch absichtliche Grausamkeit ihrer Herren, denn jeder Händler wird sich wohl so lange als möglich seine Ware zu erhalten suchen, sondern durch die Furchtbarkeit der Sahara. Schon dieses Transportes wegen ist der Menschenhandel zu verwerfen.“[1]

So lange noch die leiseste Möglichkeit der Flucht vorhanden ist, ziehen die Sklaven gefesselt dahin, entweder in langen Reihen mit dem Gabeljoch um den Hals, oder, namentlich Weiber, mit an den Hals gebundenem Handgelenke.

Was wir auf unserem Bilde schauen, ist der Anfang des Wüstenmarsches und zugleich der Eintritt der ersten Noth. Der Wasservorrath ist erschöpft; nicht allein der Durst der Karawane, sondern auch die heißen Wüstenwinde haben die Wasserschläuche geleert. Die Leute mit den Reitkamelen sind vorausgeschickt worden, um am nächsten Brunnen Wasser zu schöpfen. Ihnen folgt die Sklavenkarawane. Ein ausgetrocknetes Flußthal, ein Wadi, wird durchschritten – wohl findet man darin etwas Wüstengras und Wüstengestrüpp, aber der Boden ist ausgedörrt, heiß; man würde hier vergeblich nach Wasser graben. Die Sonne, die größte Feindin der Verdurstenden, ist aufgegangen und sendet vom wolkenlosen Himmel ihre glühenden Strahlen auf die schattenlose Ebene hinab. Vergeblich strecken die Unglücklichen ihre Arme aus und rufen, flehen nach einem Tropfen Wasser: es giebt kein Wasser. Ein schwacher Jüngling bricht zusammen; er wird mit der Peitsche vorwärtsgetrieben – er muß sich aufraffen, muß weiter ziehen, denn wer hier liegen bleibt, der verfällt dem sicheren Tode.

Der wüstenkundige Mann an der Spitze des Zuges schaut düster vor sich hin. Die Sonne steigt höher; dort an einer Biegung des Wadi ist etwas Schatten vorhanden, an jener Stelle will er rasten; dann werden alle das Gesicht verschleiern, um die Ausdünstung des Körpers durch den Athem zu verringern, und schweigend liegen bleiben, bis die Kamele wiederkommen oder die Nacht den noch am Leben Gebliebenen den Weitermarsch gestattet.

Und welches Schicksal erwartet die Elenden, wenn sie der Tod von ihren Qualen nicht erlöst hat und ihre Gerippe nicht im Wüstensande bleichen? Glücklich, wer die Nordküste erreicht! Aber der Sklave wird auch unterwegs verkauft, und wehe ihm, wenn er für ein Kamel in die Hände wilder Nomaden wie der Tubu gelangt. Gustav Nachtigal hat uns das Los solcher Sklaven in der Wüste geschildert. In Tibesti wurden ihm kranke Sklaven vorgeführt, und ihr Leiden bestand – in einem langsamen Verhungern! Die Kinder des Sudans wissen wohl, was ihnen in einer solchen Sklaverei, bei Herren, die sich selbst kaum satt essen können, bevorsteht. Und während sonst der Sklave in Afrika mit bewunderungswürdigem Gleichmuth sein Los erträgt, wird er hier von wilder Verzweiflung gepackt. Er kann nicht fliehen, denn allein in der Wüste findet er den Tod, er kann nicht hoffen, daß er in die Hände eines besseren Herrn gelangt, und so beschließt er selbst seine Qual – hier ist der Selbstmord der Sklaven nichts Seltenes. –

Diese wenigen Worte werden genügen, um dem Leser das verständlich zu machen, was in den Herzen der schwarzen Sklavenschar vorgeht. – Es ist gleich, woher die Händler kommen, ob von den Haussaländern oder von Bornu, das Los ihrer Opfer in der Wüste ist stets das gleiche. Fühlen kann man es, aber schwerlich mit Worten wiedergeben.


  1. Vergl. „Im Herzen der Haussaländer“. Von Paul Staudinger. Berlin, Adolf Landsberger, 1889.