Sommernacht (Otto Sievers)
Still und stumm ist die Nacht,
Es schlummern die Bäume,
Die Winde schlafen;
Nur hin und wieder,
Von ängstenden Träumen
Geschrecket, ein Zephyr
Rühret die Flügel:
Dann rauscht’s durch die Wipfel
Der Birken und Buchen
Wie hauchender Harfe
Saitengesäusel. –
Drauf wie zuvor
Still und stumm ist die Nacht.
Horch, jetzt schwingt sich
Ein süßes Flöten
Zum schimmernden Aether:
Wenn Alles schlummert,
Wachet und weinet
Die Nachtigall,
Verlorener Liebe
Unselig Sehnen
Vertrauend dem Monde,
Dem kranken, bleichen
Bruder der Leiden.
Und es denket der Mond
Der eigenen Liebe,
Der schönheitstrahlenden,
Goldenen Sonne,
Der ewig fliehenden,
Stolzen Göttin:
Und bitterer Thränen
Silberne Quellen
Entströmen des Gottes
Unsterblichen Augen.
* * *
Es weicht die Nacht
Dem leuchtenden Morgen;
Auf Feld und Wiese
Welch Flimmern und Glimmern!
Es schimmern im Scheine
Der lachenden Sonne
An Gräsern und Blüthen
Die Thränen des Mondes.
Otto Sievers.