Sonntags (Meyer)
Ich liebe, Nymphe, deine keusche Flut,
Die kühl im allertiefsten Walde ruht.
Du spiegelst weder Stadt noch Firneschnee,
Den Himmel schimmerst du, mein kleiner See!
Was dir das kindliche Gemüth bewegt,
Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund,
Macht es mir alle deine Launen kund.
Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort,
Nie hat gelöst ihn eine trunkne Schaar,
Nie hat sich eine Dirn im Flatterhaar,
Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt,
Vor deinen Spiegel keuchend hingesetzt.
Dir über deine kühle Stirn geloht!
Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Lustgeschrei!
Gekreisch! Gewieher! Freches Volk, vorbei!
Den Gassenhauer, liederlich gejohlt –
Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein,
Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!
Und zürnend gegen den Tumult gewandt:
„Hinweg!“ gebot ich mit erhobner Hand.
Der Jubel zog sich einer Schenke zu.
Du bliebst in deinem blauen Kleide rein,
In deinem grünen Waldesdämmerschein –
Indessen hat die Sonne sich geneigt,
In Tannenduft und unter Himmelsruh,
Bewacht von meinem Blick, entschlummerst du!