Spargelbau in Braunschweig

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Textdaten
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Autor: Ferdinand Sonnenburg
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Titel: Spargelbau in Braunschweig
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 350–351
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Spargelbau in Braunschweig.

Vielerlei reiche Gaben sind es, welche der Frühling uns spendet; Schneeglöckchen und Primeln, Anemonen und Veilchen erscheinen als Sinnbilder poetischer Schönheit. Aber auch für unsern Tisch sorgt er; mancherlei Salate kündigen seinen Willen, zu geben, zuerst an; das früheste Gemüse, das er uns schenkt, ist der Spargel. Vielleicht hat dieser Umstand dazu beigetragen, dem Spargel seine Beliebtheit zu sichern, aber er besitzt auch an und für sich Eigenschaften, die es erklären, daß seine Cultur sich immer weiter ausbreitet. Unter den feinsten und geschätztesten Gemüsepflanzen steht der Spargel mit in erster Reihe; er ist von hohem Wohlgeschmack, leicht verdaulich und von nicht geringem Nährwerth; in der Zubereitung bietet er Gelegenheit zu der mannigfachsten Abwechselung, und seine edle Natur zeigt er auch darin, daß er im höchsten Grade empfindlich gegen die Verhältnisse ist, unter welchen er aufwächst. Nur wo Boden, Klima und Pflege ihm vollkommen zusagen, entwickeln sich alle seine Vorzüge, wo aber diese drei Erfordernisse nicht vereinigt wirken, da wird der Spargel stets ein so mangelhaftes Product bleiben, daß er sich selbst kaum mehr ähnlich ist.

Die ursprüngliche Heimath der Spargelpflanze ist Asien, aber auch in Europa findet sich jetzt wilder Spargel; in Italien und an der englischen Küste, namentlich in Cornwall und Lincolnshire, gedeiht er in großer Menge und findet auch als Nahrungsmittel Verwendung. Den veredelten Spargel baut man in Frankreich, England, Holland, ganz besonders aber in Deutschland, und in größerer Ausdehnung beschäftigen sich mit Spargelcultur die Städte Ulm, Kolmar, Darmstadt, Erfurt, Braunschweig und neuerdings auch Berlin und Stettin. Jede einzelne dieser Städte liefert ein verschiedenartiges Product, und nach dem individuellen Geschmack geben die Consumenten bald dieser, bald jener Stadt den Vorzug. Wenn aber die Lebhaftigkeit der Nachfrage in allen fünf Erdtheilen, sowie der fortwährend sich steigernde Anbau einen Beweis für die Güte des Productes liefern, so dürfte der Braunschweiger Spargel von keinem andern Producte der Welt übertroffen werden.

Die Anfänge des Spargelbaues in der Umgegend von Braunschweig reichen bis zum Beginn dieses Jahrhunderts zurück. Der vortrefflich geeignete Boden im Norden und Osten der Stadt begünstigt den Anbau in hohem Grade. Hier zeigt der einstige Meeresboden weitgedehnte Flächen jenes milden, lehmigen, tiefgründigen Sandes auf durchlassendem Untergrunde, der allein von allen Bodenarten geeignet erscheint, alle Vorzüge des Spargels zur höchsten Vollkommenheit zu entwickeln.

Nur auf diesen Flächen wird hier Spargel gebaut. Man zieht ihn aus Samen, den man von den stärksten und schönsten Pflanzen eingesammelt. Der Boden, auf dem eine Spargelplantage angelegt werden soll, wird durch tiefes Rajolen sorgfältig zubereitet; die eigentliche Anlage macht man im Frühlinge. Dazu zieht man neben einander lange Gräben, etwa sechszig bis achtzig Centimeter breit und ebenso tief, und schichtet die ausgehobene Erde an den Seiten sorgsam auf. In einer Entfernung von achtzig bis hundertzwanzig Centimeter setzt man in den stark gedüngten Boden die jungen Pflanzen ein und breitet die Wurzeln regelrecht aus. Wenn nun die Gräben aufgefüllt werden, so dient der nicht rajolte Erdboden als Weg zwischen den Beeten. Natürlich sind diese Wege so schmal wie möglich. Man verwendet bei neuen Anlagen nur einjährige Pflanzen, niemals mehrjährige, und zur Düngung bedient man sich vor Allem des Pferdedüngers, auch des Kuhdüngers. Fäcalstoffe verwendet man nicht gerne; ja, in den größeren Plantagen wird von ihrem Gebrauche ganz abgesehen. In Zeiträumen von zwanzig Jahren müssen die Anlagen erneuert werden. Im Winter erhalten die Beete keinerlei Bedeckung, denn der Frost schadet den Pflanzen nicht. Die Plantagen liegen ohne Umzäunung im freien Felde, und ein in der Nähe gelegenes Bretterhäuschen dient dem Wächter, der zur Spargelzeit Tag und Nacht auf seinem Posten ist, zum Aufenthalte; auch verwahrt man die nöthigen Geräthschaften darin. Freie, sonnige Lage der Plantagen ist besonders erwünscht. Die größte derselben ist dreihundert Morgen groß, und die Gesammtfläche, welche in der näheren und weiteren Umgebung der Stadt mit Spargel bestellt ist, umfaßt etwa 2200 Morgen. Die erste Anlage einer Plantage ist mit viel Arbeit und bedeutenden Kosten verknüpft, sie rentirt aber bei guter Pflege sehr reichlich, auch gewährt sie den Vortheil, daß die eigentliche Arbeitszeit nur zwei Monate, etwa vom 20. April bis 20. Juni umfaßt.

In besonders günstigen Jahren wird der erste Spargel auch wohl schon in den ersten Apriltagen gestochen; das eigentliche Versandgeschäft beginnt gegen Ende des genannten Monats, und wie in Amsterdam die Ankunft der ersten frischen Häringe, so wird in Braunschweig der erste frisch gestochene Spargel alljährlich durch die Zeitungen angemeldet. Dann beginnen in den Spargelplantagen die Tage der regsten Arbeit. In den kleineren Anlagen sticht man den Spargel gern in den frühesten Morgenstunden und gegen Abend, auch wohl dreimal täglich; in den größeren Plantagen sehen Arbeiter den ganzen Tag über nach und sammeln die Ernte ein. Man verwendet in den Anlagen vielfach weibliche Arbeitskraft. Auch gilt es, gerade während dieser Zeit die Beete von Unkraut rein zu halten und ungebetene Gäste zu vertilgen, die sich in Gestalt von Feldmäusen und Hamäusen einfinden und sich als nie zu sättigende Verehrer der zarten, jungen Sprossen documentiren.

Die Fülle der Ernte und der Wohlgeschmack des Productes sind ganz vom Wetter abhängig. Kalte Regentage drücken den Ertrag der Beete auf die Hälfte oder noch weniger herab, und starker Wind macht die aufsprießenden Spargelköpfe leicht blau; in beiden Fällen wird auch der Wohlgeschmack beeinträchtigt. Wenn aber die schweren grauen Wolken von dannen ziehen, die Sonne hoch und glühend am Himmel steht und kein Lüftchen sich regt, wenn alle Welt sich windet unter den Qualen einer „Bärenhitze“ (wie der Braunschweiger sagt), dann liegt der hellste Sonnenschein auch auf dem gebräunten Gesichte des Spargelbauers; denn an solchen Tagen füllen die Stunden ihm Korb auf Korb mit schneeweißer, duftiger, zarter Waare von feinstem Wohlgeschmack; dann nimmt in den Exportgeschäften die Arbeit auch Nachts kein Ende, und in alle Weltgegenden tragen die Eisenbahnzüge das vielbegehrte Gemüse. Doch [351] ein gar zu reiches Glück ist bekanntlich ein verhängnißvolles Geschenk der Götter; auch der Spargelbauer zieht die guten Mittelernten den überreichen Jahren vor; denn der Segen der letzteren wird auf Kosten der folgenden Jahre gewonnen; die Beete sind durch die außerordentliche Leistung erschöpft und zeigen sich zwei, drei nachfolgende Sommer hindurch weniger ergiebig. Der Gesammtertrag der Braunschweiger Anlagen beläuft sich in Durchschnittsjahren auf etwa zwei Millionen Pfund.

Das Verfahren bei der Ernte ist in den Spargel-Ländern verschieden. Der Franzose läßt seinen Spargel etwa drei Centimeter hoch über die Erde aufschießen; der Engländer läßt ihn sogar zehn Centimeter lang oder noch länger emporwachsen und erzielt auf diese Weise ein scharf schmeckendes, ordinäres Product; in Deutschland, und besonders in Braunschweig, sticht man den Spargel, sobald sein Köpfchen aus der Erde hervorschaut. Steht er auch nur einige Stunden länger, so gewinnt er bei heißem Wetter sogleich eine bläuliche, noch später eine grüne Farbe, und sein Werth ist sofort beeinträchtigt. Es leuchtet ein, wie sorgsam der Spargelbauer seiner Beete warten muß, wie viel Arbeitskraft in heißer Zeit eine große Plantage erfordert.

Die Länge, bis zu welcher man den Spargel sticht, geht nicht über zwanzig Centimeter hinaus. Möglichst dicke Stangen, sogenannten Riesenspargel zu erzielen, ist man in Braunschweig keineswegs bemüht, da diese übermäßig dicken Stangen erfahrungsmäßig an Geschmack viel zu wünschen übrig lassen. Doch kommen auch hier Stangen vor, welche bei vierundzwanzig Centimeter Länge einen Umfang von sechszehn Centimeter und ein Gewicht von vierhundert Gramm haben.

Die Ausbeute jedes ganzen oder halben Tages wird in möglichst kühlen, schattigen Localen sogleich sortirt, und zwar unterscheidet man nach der Stärke, der Gleichmäßigkeit und der Weiße der einzelnen Stangen drei Abstufungen, die man mit den Namen „Erste Sorte“, „Mittelspargel“ und „Suppenspargel“ bezeichnet. Die „erste Sorte“ ist ausgesuchte, schneeweiße, ganz glatte Waare, jede Stange mindestens zwei Centimeter stark; „Mittelspargel“ ist etwas schwächer und nicht ganz so sorgsam nach dem Aussehen sortirt, immer aber durchaus fehlerfrei; „Suppenspargel“ ist ein sehr weiter Begriff; er umfaßt Alles, was in den beiden ersten Sorten nicht unterkommen kann, alle krummen, blau und grün gewordenen und alle an Stärke nicht hinreichenden Exemplare; man verwendet ihn meistens zu Suppen, und daher sein Name.

Sicherlich - und mit Recht - würden unsere sorgsamen Hausfrauen mich nun tadeln, wenn ich sie nicht auch mit den Preisen des Spargels bekannt machte. Diese Preise sind nun allerdings sehr wechselnd. Je früher die Jahreszeit und je günstiger das Jahr, desto höher steigt der Werth der Waare; auch momentan ungewöhnlich starke Nachfrage steigert wohl die Preise ein wenig; am niedrigsten pflegen sie von Mitte Mai bis Mitte Juni zu stehen. Sie betragen nach ihren höchsten und niedrigsten Sätzen in Braunschweig für „erste Sorte“ 65 bis 110 Pfennig, „Mittelspargel“ 30 bis 70 Pfennig, „Suppenspargel“ 10 bis 35 Pfennig pro Pfund. Am feinsten von Geschmack ist guter „Mittelspargel“.

Dem Versand des frischen Spargels, wozu meist „erste Sorte“ verwendet wird, sind bestimmte örtliche Grenzen gezogen. Würde der Spargel länger als achtundvierzig Stunden unterwegs bleiben, so würde sein Werth beeinträchtigt werden, namentlich bei heißen Tagen. Man verpackt ihn in Körbchen aus Tannenholz ohne weitere Zuthat, sowie er frisch aus der Erde kommt. Die Hauptorte, wohin er versandt wird, sind Berlin, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Breslau, Köln, Hannover, Bremen, Hamburg, Lübeck, Kiel, Kopenhagen. Auch nach Stockholm findet der Versand statt, und sogar Erfurt und Mainz, die selber bedeutenden Spargelbau treiben, beziehen regelmäßig nicht unerhebliche Mengen von frischer Waare aus Braunschweig.

Mit den letzten Junitagen ist die Saison geschlossen. Wollte man den Spargel noch länger stechen, so würde man die Ernte des kommenden Jahres vernichten und die Beete arg schädigen, wo nicht ganz zerstören. Man läßt die Spargel dann zu grünen Büschen aufschießen; von den kräftigsten derselben nimmt man Samen, und im Herbst schneidet man alle Stauden kurz über der Erde ab und benutzt sie als Feuerungsmaterial oder zur Einstreu.

Mittlerweile haben aber die Conservenfabriken dafür gesorgt, daß auch in den übrigen Monaten des Jahres frischer Spargel stets für die Tafel bereit sei. Nicht allein in Braunschweig und dem naheliegenden Wolfenbüttel, sondern auch in anderen Städten, besonders in Lübeck, verarbeiten Conservenfabriken große Massen Braunschweiger Spargels. Sie verwenden fast nur erste Sorte. Die Stangen werden auf’s sauberste geschält, aufrecht neben einander in Blechbüchsen gestellt, und zwar ohne jede Beigabe von Salz oder Essig, sodann verlöthet und im Dampfbade gahr gekocht. Vor dem Gebrauche werden diese Blechbüchsen eine halbe Stunde in kochendes Wasser gestellt, dann geöffnet und der Spargel angerichtet; er ist von frisch gestochenem kaum zu unterscheiden. Die Büchsen haben ein halb bis vier Pfund Inhalt und kosten pro Kilo etwa drei Mark. Auch Brech- oder Gemüsespargel wird in derselben Weise zubereitet; er kostet pro Kilo etwa eine Mark achtzig Pfennig.

Der Versand des conservirten Spargels erstreckt sich über alle Erdtheile. Die Blechbüchsen werden mit Sägespähnen fest in Kisten gepackt und so verschickt. Besonders große Posten gehen, von den enropäischen Ländern abgesehen, nach China, Japan, Indien, ferner nach Melbourne und Sidney, nach Centralamerika und nach New-York.

Ferdinand Sonnenburg