Spaziergang vor dem Thor

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: F. H.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Spaziergang vor dem Thor
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 229, 240
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[229]

Ostersonntag.
Spaziergang vor dem Thor.0 Aus Goethe’s Faust.
Nach dem Oelgemälde von J. Wichmann.

[240] Spaziergang vor dem Thor. (Mit Illustration S. 229.) Wer möchte es wagen, dieses lebensvolle Bild besser erklären zu wollen, als der Dichter es gethan, dessen Gestalten der Künstler uns vorführt? Uns erfreut der Anblick des Kunstwerkes um so mehr, je mehr der lieben alten Bekannten aus Goethe’s herrlicher Dichtung wir in der bunten Menge begegnen. Goethe’s Meisterschaft in der Behandlung des Volkslebens hat das Erquicklichste in jener Scene des Faust geschaffen, die er „Vor dem Thor“ überschreibt und deren Gesammtbild er den Faust in den Versen schildern läßt:

„Aus dem hohlen, finsteren Thor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern;
Sie feiern die Auferstehung des Herrn;
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern – –
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern – –
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht. – –
Ich höre schon des Dorfes Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet Groß und Klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Und sehen wir uns in der Menge der Spaziergänger um, so erkennen wir sofort die schmucken „Bürgermädchen“, denen der eine „Schüler“ zustrebt, auf die „Mägde“ zürnend, denen der andere der „schönen Knaben“ nachläuft. Die Kinder jubeln den stattlichen „Bürgern“ voraus, die über „Krieg“ und möglichst fernes „Kriegsgeschrei“ politisiren. Und dies Alles zeigt Faust seinem pedantischen Wagner, dem der Ausdruck der Volksfreude ein „verhaßter Klang“ ist.

Wie tief hat Goethe in die deutsche Volksseele geblickt und welche Schätze aus diesem ewig frischen Born gehoben! Wenn erst dieses Volk selbst ihn kennen und schätzen gelernt hat, wird die Volksbildung einen großen Schritt vorwärts gethan haben. F. H.