Steirische Eisenhämmer

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Autor: P. K. Rosegger
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Titel: Steirische Eisenhämmer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 132–135
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Steirische Eisenhämmer.

Eine Erinnerung von P. K. Rosegger.


Die Vierziger Jahre hatten strenge Winter. Im März aber kam stets plötzlich der Föhn und schmolz den Schnee in wenig Tagen. Wir freuten uns des wieder enthüllten Rasens, der alsbald zu grünen begann; aber damit war die leichtlebige, heitere Wintersrast dahin, und die wachsenden Tage brachten arbeitsschwere Zeit des Pfluges und der Egge, der Sichel und der Sense. Diese Zeit der blinkenden Werkzeuge hatte einst ein kleines Vorspiel.

Noch tief in der Nacht weckte mich an einem Frühlingsmorgen mein Vater und sagte, er gehe heute in das Mürzthal. Wenn ich mitgehen wolle, so möge ich mich eilig zusammenthun, aber die scharfbenagelten Winterschuhe anziehen, es sei der Weg noch eisig.

Sonst, wenn ich in früherer Stunde zur Alltäglichkeit geweckt wurde, bedurfte es allerlei Anstrengungen außer und in mir, bis ich die Augen zur Noth aufbrachte, um sie doch wieder auf etliche Minuten zufallen zu lassen, denn meine alte Ahne war der Meinung, ein allzurasches Aus-dem-Schlaf-springen mache Kopfweh. Heute war ich mit einem Ruck munter, denn ins Mürzthal mitgehen, das war in meiner Kindheit das Herrlichste, was mir passiren konnte. Wir waren bald reisefertig, der Vater nahm seinen großen Stock, ich meinen kleinen; die Laterne nahmen wir nicht, weil es sternhell war – und so gingen wir davon. Die erste halbe Stunde war es wie allemal, wenn ich früh Morgens mit dem Vater ging, wir schwiegen still und beteten während des Gehens jeder für sich das Morgengebet. Wir hatten wohl so ziemlich das gleiche, aber ich wurde immer ein gut Theil früher fertig als er und mußte mich dann still gedulden, bis er den Hut aufsetzte und sich räusperte. Das war das Zeichen, daß ich ein Gespräch beginnen durfte, denn ich war fortwährend voll von Fragen und Phantastereien, auf die der Vater bisweilen derart einging, daß Alles noch räthelhafter und noch phantastischer wurde. Gewöhnlich aber unterrichtete er mich in seiner gütigen und klaren Weise, daß ich Alles wohl verstand.

Nachdem wir an diesem Frühmorgen etwa zwei Stunden gegangen und hinausgekommen waren über die entwaldete Berghöhe, lag vor uns das weite Thal der Mürz. Von Mürzzuschlag bis Kapfenberg dehnte es sich stundenlang, und wenn ich es sonst im Morgengrauen sah, lag im Thale der Nebel wie ein grauer See, aus welchem einzelne Höhen und die jenseitigen Berge blauduftig emporragten. Heute war es anders und heiß erschrak ich vor dem, was ich sah. War denn der Franzose wieder im Land? Oder gar der Türk’? In Kindberg, das tief unter uns lag, lohte an vielen Stellen glührothes Feuer auf. Auch im oberen Thal, über Mitterdorf, bei Krieglach und Feistritz, und gen Mürzzuschlag hin waren rothe Feuersäulen; im nahen Kinthal sprühten mächtige Garben von Funken empor.

„Närrlein, Du kleines!“ sagte mein Vater, als ich mich mit beiden Fäusten krampfhaft an seinen Rock hielt, „das ist ja nichts. Das sind ja nur die Eisenhämmer. Lauter Schmiede-Rauchfänge, aus denen Funken springen. Hörst denn nicht das Pochen und das Klappern der Hämmer?“

„Ich höre es wohl, aber ich habe gedacht, das wären die Kanonen und Kugelstutzen,“ versetzte ich aufathmend.

„Kind, wo käme denn jetzt der Feind her? Der liebe Herrgott hüte unser Steirerland!“

„Aber wie ist es denn,“ fragte ich, „daß die Dächer nicht brennend werden, wenn so viel Feuer herumfliegt?“

„Die Dächer sind voller Staub und Asche, das brennt nicht. Und dieses Feuer, das so schreckbar wild aussieht, es ist nicht so arg, es ist auch nur glühende Asche, Ruß und Geschlack, wie es aus der Esse aussprüht, wenn der Blasebalg dreinbläst.“

„Und warnm sprüht es denn just in der Nacht so?“ fragte ich.

„Es sprüht auch beim Tag so,“ antwortete der Vater lächelnd, „aber gegen das Sonnenlicht kommt dieser Schein nicht auf, und was jetzt so blutroth leuchtet, das ist bei Tag nur der rußige Rauch, der aus dem Schornsteine aufsteigt.“

„Thun sie denn in den Schmieden nicht schlafen?“

„Das wohl, aber sie stehen sehr früh auf, oder lassen in den größeren Essen gar das Feuer nicht ausgehen, weil es sonst schwer ist und viel Kohlen braucht, bis die Hitze wieder erzeugt wird. Da wachen und arbeiten die einen Schmiede, während die anderen schlafen.“

„Giebt's denn so viel Ochsen zu behufen im Mürzthal?“ war meine Frage, denn ich hatte einmal dem Hufschmied zu Haustein zugeschaut, wie er einem Zugochsen Hufeisen an die Klauen nagelte.

„O Knäblein, Knäblein!“ rief mein Vater, „die Schmiede haben noch ein wenig mehr zu thun auf der Welt, als wie zu hufen. Du bist ein Steierer; wenn wir auf unserem Gebirge auch nichts haben, als Feld und Alm und Wald, solltest Du doch schon wissen, wozu die vielen hundert Krippen von Holzkohlen verwendet werden, die unsere Nachbarn Jahr für Jahr ins Thal hinaus führen. Solltest auch wissen, daß Dein Heimathland Steiermark das Land der Hammerschmiede ist. Wenn Du jetzt, bevor der Tag aufgeht, vom hohen Himmel mit sehr guten Augen herabschauen könntest auf unsere Steiermark, so würdest Du, besonders im Oberland, auch alle anderen Thäler so sprühen und leuchten sehen, wie hier das Mürzthal. Es sprüht in Neuberg und bei Mariazell und an der Veitsch, es sprüht im Ennsthal und im Murthal, an der Feistritz, an der Kainach, an der Sulm und an der Sann, wo die Leut’ gar nicht mehr deutsch sprechen, aber sprühen thut’s doch. In Vordernberg, in Eisenerz, in Hiflau sollst es erst sehen, und überall, wo Hochöfen sind. In den Hochöfen wird das Erz, das sie aus dem Gebirg graben, geschmolzen, daß das Eisen herausrinnt wie ein hellglühender Mühlbach. Da sprüht’s auch, mein Bübel! Da sind - wenn ihrer zwei, drei Hochöfen neben einander stehen – in der Nacht schier die Felsberge roth vor lauter Schein. Und schaust in den Ofen, so siehst ein schneeweißes Licht, blendend wie die Sonne. Das ist ein anderes Feuer, als daheim bei unserem Hofschmied. Das Erz graben sie aus dem Erzberg, der weit drinnen im Gebirg steht und mehr werth ist, als alles Gold und Silber in Oesterreich. Das Eisen, das im Hochofen aus dem Erz rinnt, erstarrt in der freien Luft sogleich, wird nachher mit Hämmern zerschlagen und in schweren Schollen durch das ganze Land verführt, zu jedem Eisenhammer hin, wo sie aus diesem Roheisen immer feineres Eisen, das Schmiede-Eisen, den Stahl und daraus allerhand Geräthe und Werkzeuge machen.“

[133]

Steirischer Eisenhammer.
Originalzeichnung von F. Schlegel.

[134] „Auch Schuhnägel vielleicht?“ fragte ich, weil mich einer davon durch die Schuhsohle in die Ferse stach.

„Schuhnägel, Messer, Stifte und Eisendrähte, das machen sie draußen bei Stadt Steier herum. Bei uns im Land machen sie in den Eisenhämmern Pflugscharen, Eggenzähne, Strohschneidemesser, Hacken, Aexte, Drähte, Nägel, Schlösser, Ketten, Pfannen und Allerlei, was Du aus Eisen an den Häusern und Werkstätten nur sehen und denken magst. Die kleineren Schmiede, die fahren damit auf die Jahrmärkte. Größere Hämmer giebt’s, die auch Zeug zum Leuteumbringen machen – mußt Du wissen. Das Wichtigste aber, was in den steirischen Hammerwerken gemacht und auch weit in fremde Länder verführt wird, sind Sensen und Sicheln. Millionen Stück werden Dir verschickt alle Jahr, und darum können die Hammerherren mit ihren Frauen so vornehm herumfahren mit flinken Rößlein. Und mit dem Geld prahlen sie, daß es nur so prasselt im Land, und wo ein übermüthig Stückel aufgeführt wird, da ist gewiß ein Hammerherr dabei. Ist ja alleweil so gewesen im Land: wo der Hammerschmied, dort gilt der Bauer nit. – Wird auch einmal besser werden, verhoff’ ich. Jetzt müssen wir noch froh sein, daß wir unsere Kohlen zu Geld machen können. Gar zu Gescheite sind gewesen, haben es mit Steinkohlen probirt, die thun’s aber nicht; das rechte Eisen muß mit Holzkohlenfeuer gearbeitet werden, sonst ist’s nichts nutz. Die Holzkohlen, die wir Bauern liefern, die machen es ja, daß steirisch Eisen in der Welt so gut estimirt wird. Kommen halt die polnischen und russischen Juden und türkischen Händler aus Ungarn und Böhmen, werden von den Hammerherren brav bewirthet und kaufen ihnen die Eisenwaaren ab, oft zu tausend Gulden auf einmal. Sollen da draußen in einer großen Stadt die Schmiede von der ganzen Welt einmal zusammengekommen sein um einen eisernen Tisch, und Jeder wollt’ die schärfsten Sensen haben, den feinsten Stahl drinn. Der steirische Schmied hat nicht mitgestritten, sondern soll zuletzt mit seiner Sense den eisernen Tisch mitten aus einander gehauen haben.“

„Wird sie wohl schartig worden sein, die Sense. Nicht?“

Ohne auf diese müßige Frage Antwort zu geben, fuhr der Vater – indem wir im Morgengrauen sachte thalab stiegen – fort zu sprechen:

„Wie die Anzeichen sind, wird’s nicht immer so dauern mit den Eisenhämmern. Man hört allerlei Sachen. Merkwürdige Sachen, mein Bübel, wie sie unsere Vorfahren nicht gehört haben. Da draußen auf dem flachen Land irgendwo – sie sagen im Mährischen oder wo – da bauen sie eine Eisenbahn.“

„Eine Eisenbahn? Was ist das?“

„Da legen sie auf der Straße hin und hin zwei eiserne Leisten, daß darauf die Wagenräder recht glatt und eben gehen können. Auf diese Weise sollen ein Paar Rösser schwere Wagen fünf und sechs auf einmal ziehen können. Es wird auch gelogen über die Sach’, daß sie eine Maschine erfunden hätten, die das Feuer treibt, anstatt der Fuhrmann, und die vor die Wägen gespannt wird und wie ein Roß ziehen kann. Sind dumme Sachen, ich sag’ Dir’s nur, daß Du’s nicht glauben sollst, wenn Du davon hörst.“

Siebenunddreißig Jahr ist es her, seit von einem zwar einfachen, aber vernünftigen Mann diese Worte gesprochen worden sind in Steiermark, wenige Stunden vom Semmering.

„Nein, Vater,“ antwortete ich, „das werde ich gewiß nicht glauben.“

„Aber das ist wahr,“ fuhr er fort, „daß sie jetzt viel mehr Eisen brauchen in der Welt, als vor Zeiten. Es werden da und dort auch schon große Eisenhämmer gebaut, wo mehr als hundert Schmiede beschäftigt sind, und wo sie extra noch mit Wasserdampf arbeiten sollen, was weiß ich, wie! In diesen großen Werken machen sie Alles, und weit wohlfeiler, als in den kleinen, und deßweg wird’s ein rechter Schade sein für unsere Eisenhämmer, und hört man, etliche sollen schon keine Arbeit mehr haben, zugesperrt oder an die großen Werke verkauft werden. Nachher ist’s traurig um uns. Weiß Gott, wie’s noch wird mit der Welt!“[1]

Mittlerweile war es licht geworden, und wo früher die feurigen Springbrunnen aus den Schornsteinen gestiegen waren, da flog jetzt dünner, brauner Rauch auf. Wir waren in das Thal gekommen, gingen an einem überquellenden Hammerbachfloß entlang und auf glattem kohlschwarzen Wege einer der Hämmerhütten zu, aus deren offenem Thor uns greller Gluthschein entgegenleuchtete.

Ueber dem Thore war das Bergmannszeichen, die gekreuzten Hämmer und Schlägel, über dem schwarzen Dache ragten die weißgetünchten Schornsteine auf, die an ihrer Mündung mit lenkbaren Klappen versehen waren, womit man, wie der Vater belehrte, den Luftzug regeln könne.

So waren wir der Schmiede ganz nahe gekommen. Ich sagte nichts, denn ich wollte in die Schmiede gehen und hatte doch Angst vor dem Lärm, der drinnen war, und vor den Funken, die durch die finsteren Räume flogen. Mein Vater sagte auch nichts, sondern führte mich hinein. Vor dem Thore hatte eine Tafel gestanden: „Fremden ist der Eintritt nicht gestattet!“ aber ein Mann, den mein Vater fragend angeblickt, sagte: „Nur zu!“

Was ich zuerst sah, das war ein sprühendes Stück Sonne, das von der brüllenden Esse mit Schwung herbeigebracht wurde und auf den Amboß geworfen, tonlos, als wäre es von Teig. Jetzt hob sich auf massigem Hebelbaume der Hammer und fiel nieder in die weiche Masse, daß ein Meer von Funken durch die Hütte schoß. Ich barg mich vor Schreck und Angst hinter den Rücken meines Vaters, aber die Funken waren bereits angeflogen an mein Leiblein, und ich war nur höchlich überrascht, daß ich nicht lichterloh brannte, ja nicht einmal einen Schmerz wahrnahm an den Händen, an welche die feurigen Mücken gesaust waren. Auch der zweite und dritte Hammerschlag jagte ein Heer von Schlacken und Funken hinaus, aber je platter das Eisenstück geschlagen wurde, je rascher der Hammer darauf niederfiel, desto weniger sprühte es. Ein Schmied stand da, der wandte mit langer Zange das Eisenstück hin und her, bis das Geschlacke von allen Seiten herausgehämmert war. Das weiße Glühen war immer rother und matter geworden, und endlich hatte das Stück nur mehr die graue Farbe des Eisens. Es wurde hingeschleudert, der Hammer stand still.

Ich war ein wenig dreister geworden und besah mir jetzt die Dinge, obwohl es ganz dunkel war, wenn das Feuer nicht leuchtete. Vor Allem fiel mir ein großer Lederkasten auf, der Athem schöpfte. Der Blasebalg war’s, welcher, von Wasserkraft aufgezogen, durch Röhren in die Essen blies. Auf der Erde lag allerlei altes Eisen umher. An den Wänden lehnten und hingen in ganzen Reihen Zangen, Hämmer, Schlägel, Feilen, Hacken, Beile und anderlei, was ich gar nicht kannte. Jetzt erst fielen mir auch die Schmiede auf, über deren rußige Gesichter und entblößte Brust die Schweißtropfen rannen. Wir gingen weiter und kamen zu anderen Essen, wo die Schmiede mit Eisenschaufeln Kohleu in die Gluth warfen, die sofort mit glanzloser, blauer Flamme grollend zu brennen begannen. In einer Esse glühte man Eisenstücke, die hernach unter kleinere, rascher pochende Hämmer kamen. Hier wurden sie – wie sie der Schmied wendete und drehte – in längliche Formen gehämmert, an denen ich nach und nach die Gestalt der Sense erkannte. Weil das Eisen bald kühlte und noch unrein war, so mußte es immer wieder in die Esse, aus der es glühend und sprühend hervorkam. So wiederholte sich’s, bis der Hammer und das kleine Handgehämmer der Schmiede endlich eine vollkommene Sense zuwege gebracht hatte, die dann schrillend auf einen Haufen von Sensen hinfiel.

War der Lärm in der Schmiede auf einen Augenblick verstummt, so hörte man von draußen das Rauschen des Wassers, das von hohem Floß auf die Räder niederstürzte. Aber der Lärm ging immer von Neuem los, und es geschah an den Essen und Hämmern immer dasselbe. Auch meine Sense, die ich werden sah, war lange noch nicht fertig. Sie wurde neuerdings geglüht [135] und kam unter die Handhämmer der Schmiede, die sie feiner formend in gleichem Takte bearbeiteten, bis der Henkel und der Rückenrand und die Schneide und die Spitze fertig waren. Sie hatte nun eine Reihe von kleinen Narben bis zur Spitze hinaus und war überlaufen mit einem schönen violetten Blau.

Mir fielen aber die Schmiede auf. Warum sie allemal noch einen leeren Schlag auf den Amboß machen, wenn die Sense schon weggezogen ist? so fragte ich. Mein Vater antwortete: „Das thun die Schmiede überall; mit dem Schlage auf den Amboß schmieden sie die Kette fester, mit welcher der höllische Drach’ gefesselt ist; sonst thät’ sie endlich brechen und der böse Feind wär’ los und ledig.“

Nun kam die Sense noch auf einen Schleifstein; der ging so scharf, daß die Stahlschneide, die fest auf ihn gedrückt lag, unter ohrenzerreißendem Geschrille beständig einen hellen Blitzschein von sich gab, was noch das Allerschönste war in der ganzen Schmiede.

Wollte ich’s genau nehmen, so müßte ich auch das Personal aufzählen, durch dessen Hände ein Stück Eisen geht, bis es Sense ist, ich müßte den Kohlenbuben, Strecker, Breitenheizer, Abschinner und Kramrichter nennen und vor Allem den Obersten, den Essemeister. Ich müßte auch den Streckhammer, den Breithammer und den Kleinhammer genauer beschreiben, endlich das Abschinnern (Abschaben) der fertigen Sense, und das Stempeln mit dem Firmazeichen und das Kramrichten (das in den Kram-, ins Magazin- Bringen der Waare).

Ich bin aber kein gelernter Schmiedegeselle und werde wohl manche Handgriffe und Vorgänge übersehen haben, bis das Werkzeug des Mähders fertig war. – Aehnlich, sagte mein Vater, würden auch die Sicheln gemacht, aber ganz anders die Messer und alle Schneidewerkzeuge, die einen federigen Stahl haben.

„Glückauf!“ rief mein Vater den Schmieden zu. Diese hörten nichts. Wir gingen – stets angefochten von sprühenden Funken – ins Freie. Dort war es freilich noch schöner; wir gingen unter Pappeln hin und hörten noch lange das dumpfe Hammerpochen und das Wasserrauschen hinter uns.

Ich hatte ein blauschimmerndes Stück Schlacke mit mir genommen und betrachtete es jetzt wie einen errungenen Schatz.

„Das ist nichts,“ sagte mein Vater und zog ein Schöllchen Roheisen aus dem Sacke. Das war rostfarbig und durchlöchert wie ein Schweizerkäse. „Wenn’s auch nicht so glänzt wie das Deinige, es ist doch mehr. Aus diesem Ding – heb’ einmal, wie schwer es ist! – kann man feine Werkzeuge machen, die wie Spiegel funkeln. Du sollst mir auch noch das Tüchtige vom Schimmernden unterscheiden lernen.“

Nun gingen wir in den Marktflecken Kindberg hinein. Auch hier hörten wir an allen Ecken die Hämmer pochen, und auf der Straße fuhren schwarze Kohlen- und Roheisenwagen, aber auch fertige Eisenwaaren in Kisten, Fässern und Strohgewinden sahen wir schleppen die weiße Reichsstraße entlang gegen Graz und gegen Wien.

Im Brauhause bekränzten sie das bogenförmige Einfahrtsthor mit Tannenreisig und schmückten es mit Fahnen, mit Hämmern, Hacken und Zangen. Mein Vater fragte, was das bedeute? Ja, morgen hätten die Schmiede hier einen Ball, sagte der Brauknecht.

„Den eigentlichen Ehrentag des Schmiedehandwerks, den feierten sie doch erst zu Jakobi!“ meinte mein Vater.

Das sei schon richtig – doch zur selben Zeit sei etwas Anderes, da hätten die Schmiede einen zwei Wochen langen Feiertag, da thäten sie nichts, als gut essen und trinken, tanzen und Scheibenschießen, und da kämen die Hammerherren von weit und breit, um Schmiede zu werben für das nächste Jahr. Die Geworbenen kriegen den Leihkauf auf die Hand und werden zum nächsten Sylvester durch aufgeputzte Wagen oder Boten an ihren neuen Werksort gebracht. Vom Werksherrn kriegen sie nebst dem vereinbarten Jahrlohne auch die Kost; der Essemeister speist gar mit der Herrschaft.

„Ich weiß das Alles,“ versetzte mein Vater dem gesprächigen Brauknecht, „aber meines Buben wegen ist’s mir lieb, daß Du’s erzählst, der ist schon alt genug, und wenn er gleich Bauer bleiben wird, so schadet es ihm nicht, daß er auch anderer Stände Arbeit und Brauch kennen lernt. Ich hab’ ihn darum vom Berge herabgeführt.“

„Und bei solchem Schmiedefeste,“ erzählte der Mann weiter, „da kommen sie halt zusammen, Jeder, der’s hat, im Steirergewand, Jeder eine kecke Feder oder Gemsbart am Hute, Jeder eine schwersilberne Uhrkette mit Thalerbehängseln an der Brust, Jeder eine volle Geldtasche im Sacke, Jeder sein Mädel am Arme. Schmetternde und trommelnde Spielleute voran, so ziehen sie ins Wirthshaus zum Trunk, zum Tanz und zu anderer Lustbarkeit. Da darf sich kein Bürgerssohn, kein Bauernbursch, kein Holzknecht blicken lassen, er würde zur Thür hinausgeworfen; denn diese Eindringlinge werden bald frech, spotten die Schmiede ob ihrer Schwerhörigkeit, ob ihrer Kröpfe und dergleichen und ihr Trachten geht dahin, den Hammerschmieden die Dirndlein wegzunehmen. Da kann mit Messern gerauft werden! Den Schmieden gehört der Tag, und der Marktflecken und die Leute lassen sich’s gefallen – es springt Geld um.

„So kohlrabenschwarz sie am Werktag sind, die Schmiede,“ schloß der Brauknecht, „am Sonntag giebt’s keine hochmüthigeren Menschen als diese Rußteufel. Und sind doch so viel Gaggen (Halbkretins) dabei!“

Schon jetzt, als wir dastanden und das geschmückte Hausthor bewunderten, kamen sie herbei von den unteren und oberen Hämmern, um nachzusehen, wie weit die Vorbereitungen gediehen seien, und ein Glas Bier durch die Gurgel zu sprengen.

Da kam plötzlich ein Bote gelaufen, rußig im Gesicht, aber weiß vor Straßenstaub an den Beinen. Einen Sturmhut hatte er auf, wie Landwehrmänner zu Kriegszeiten. Ein langes Messer hatte er an der Seite baumeln, und schier athemlos war er, als er rief. „Kameraden! Kameraden!“

„Was giebt’s?“ fragten sie ihm entgegen.

„Keinen Schmiedball giebt’s! Kein Flaniren und Karessiren giebt’s! Jetzt heißt’s Messer, Spieß und Säbel schmieden, Kanonen, Kugeln gießen!“

„Ja,“ sagten sie, „wer giebt uns dazu das Privileg?“

„Ich!“ rief der Bote. „Denn der Kaiser Ferdinand ist fort. In Wien ist Revolution!“




  1. Die Aenderung ist vor sich gegangen, aber die steirische Eisenindustrie steht in größerer Blüthe als je. Die größten Eisenwerke des Landes sind heute Zeltweg, Donawitz, Neuberg, Graz, Köflach, Gußwerk. Mittlere Werke, wovon eines doch immerhin mehrere hundert Arbeiter beschäftigt oder beschäftigen kann, sind Krieglach, Wartberg, Kapfenberg, St. Michel, Rottenmann, Aumühl, Eibiswald, Storee, denen sich anschließen die Werke in Turrach, Judenburg, Murau, Zeiring, Knittelfeld, Thörl, Mürzzuschlag, Breitenau, Stanz, Eppenstein etc. Außerdem floriren auch noch unzählige kleine Eisenhämmer, wie sie hier beschrieben sind. Der Kammerbezirk in Obersteiermark vermag unter den heutigen Zuständen jährlich an 2 Millionen Meter-Centner Roheisen zu erzeugen, nahezu 50% des in den gesammten österreichischen Kronländern jährlich erzeugten Roheisens. Die Sichelfabrikation hat in Obersteiermark aufgehört, hingegen ist die Sensenerzeugung gestiegen. Gegenwärtig giebt es in Steiermark an 800 Sensenschmiede, welche jährlich gegen 2½ Millionen Sensen verfertigen. Die Produktion von anderen Stahlwaaren, Gußwaaren, Blechen, Drähten und Maschinen steht auf hoher Stufe. Der Verfasser.