Still lag das Meer
[121]
Tiberius.
1.
Still lag das Meer; die Höh’, die wir erklommen
Erstrahlte in des Abends satter Gluth
Und durch die Lüfte kam ein Hauch geschwommen,
Geheimnisvoll erregend Hirn und Blut –
Tiber’s, d’rin Haß und Wollust einst gehaust,
Vom letzten Glanz des Tages mild beschienen,
Vom Donnergruß des Meer’s wie einst umbraust.
Noch leuchtet bunt der Mosaik der Fliesen,
Zerschmettert, einem hingestürzten Riesen
Vergleichbar; doch die Luft geht schwül und dumpf,
Beklemmend – und ein räthselhaftes Grauen
Beschlich mit einem Mal mir Herz und Sinn,
Als trät’ der Schrecken plötzlich vor mich hin,
Und lachte gell, und schüttelte die Locken,
Und säh’ mich an, medusenhaft und stier,
Daß in den Adern mir die Pulse stocken - -
Doch still blieb es um mich; und träumend lenkte
Die Schritte ich der Felsenbrüstung zu:
Schon war die Sonn’ erloschen, Dämm’rung senkte
Sich flaumig auf der Wogen glatte Ruh’;
[122]
Und kühl umwehte mich des Abends Hauch,
Aus einer Barke klangen Fischerlieder,
Fern kräuselte sich eines Dampfers Rauch....
Da hört’ ich hinter mir ein seltsam Rufen -
Dann wandt’ ich mich – und vor mir, aus den Stufen
Der Eremitenklause stand – Tiber!