Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Der Sprung vom Hellerstein

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Storchengericht Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Wichtlein im unteren Werrathale
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69.
Der Sprung vom Hellerstein.

Unterhalb Kreuzburg in der Gegend von Treffurt bricht sich die Werra nur mühsam Bahn durch hochgegipfelte Felsen mit steilen Abhängen. Der höchste derselben heißt der Normannstein, auch Hermannstein und Hellerstein. Nun lebte in Treffurt ein Ritter und Herr des Städtleins, Hermann von Treffurt geheißen, dem ließe sich allerlei nachsagen, nur nicht, daß er ein Heiliger sei. Er ritt [110] oft und viel in der schönen Gegend umher nach schönen und minniglichen Frauen, und fand deren auch, zumal gar nicht weit von Treffurt Eisenach, und nicht weit von Eisenach Frau Venusberg gelegen. Da er nun eines Abends wein- und minneselig heimwärts gen Treffurt ritt, nickte er ein, und sein Roß trug ihn nicht auf gerader Straße weiter, sondern trabte mit ihm zur Höhe des Hellersteins empor, bis an den jähen Abgrund des Felsenvorsprunges. Zu spät erwachte der Ritter, schon setzte das Roß hinab, da empfahl sich Ritter Hermann in den Schutz der göttlichen Jungfrau und rief: Hilf heilige Maria! Hilf Deinem Knechte! und da war ihm, als hielte ihn ein Arm, und hebe ihn sanft empor, im Augenblicke, als das Roß zerschmettert zu Boden stürzte. Darauf ist der Ritter ein Mönch geworden, hat seines vorher sündigen Lebens sich völlig abgethan, und hat nie wieder ein Roß bestiegen.