Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Hilten, der Mönch

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Mönch und Nonne Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Junker Jörg
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[210]
111.
Hilten, der Mönch.

Im Kloster der Barfüßer zu Eisenach lebte ein frommer Mönch, des Namens Johannes Hilten, dem war die Gabe der Weissagung eigen, es ging ihm aber damit, wie das Sprichwort sagt: Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande; und zumal mißfiel er sehr, als er eine Veränderung in der kirchlichen Lehre von der Kanzel vorhersagte, und den Klöstern eine wenig tröstliche Zukunft verhieß. Das Barfüßerkloster zu Eisenach werde einem Lustgarten weichen, das Kloster zu Weimar ein Zeughaus [211] werden, das zu Magdeburg ein Schulhaus, das zu Wittenberg ein Kornhaus. Solche Prognostica über die Zukunft dieser und anderer Klöster mißfielen dem Abt und Convent, und als Hilten nicht aufhörte zu prophezeihen, und unter andern vorbrachte, im Zeichen des Löwen werde ein Eremit erweckt werden, der werde mächtiglich rütteln am päpstlichen Stuhle, so warf man ihn in ein scheusliches Gefängniß voll Stank und Moder, und obschon er flehentlich bat um eine erträglichere Custodie, erhielt er sie doch mit nichten; darauf prophezeihete er noch härter, in fünfzehn Jahren werde sich ein Held erheben, der werde die Mönche scharf anfassen, und sie würden ihn nicht, gleich ihm, fesseln und einkerkern können, und dann ist er gestorben.

Und gerade als fünfzehn Jahre verflossen waren, kam, im Jahre 1498, auf die Schule zu Eisenach ein fünfzehn Jahre zählender Schüler, der ersang sein Brod vor den Thüren, und es nahm ihn eine andächtige Matrone an ihren Tisch, das war Frau Ursula Cotta, des Rathsherrn Conrad Cotta hinterlassene Wittwe. Und als aber fünfzehn Jahre verflossen waren, ging derselbe vormalige Schüler aus dem Augustinerkloster zu Wittenberg als ein Bruder Eremit, wie man die Augustinermönche zu nennen pflegte, und schlug an die Schloßthür daselbst seine Sätze an. Damals herrschte zu Rom Papst Leo X., das war Hiltens Löwe, und der Eremit war Hiltens Held, Doctor Martin Luther. – Nach Hiltens Tode hat man ihn hoch geehrt, und ihm zu Eisenach ein Denkmal aufgerichtet.