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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das Pfäffchen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der verschüttete Bergmann Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Schätze und Zauber in Heinrichs
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[22]
164.
Das Pfäffchen.

In der Kirche zu Heinrichs, die in der Zeit des dreißigjährigen Krieges durch ihre Bildwerke und einen kunstvollen Reliquienschrein mit einer Mumienhand der von Kroaten ihr drohenden Zerstörung durch Brandstiftung entging, geht der ruhelose Geist eines vormaligen Pfäffchens um, welcher in keinesweges liebholder Gestalt erscheinend, die Eigenschaft hat, alle Welt küssen zu wollen, vielleicht weil er im leiblichen Leben schon kußseliger Neigung war, wie es solche Leute mitunter zu geben pflegt. Dasselbe hütet einen Schatz, und kann nur dann erlöst werden, wenn es von jemand dreimal geküßt wird. Einen Cantor verfolgte dieses Gespenst unablässig, erschien ihm, wenn er in die Kirche ging, sehr häufig, suchte ihn zu umarmen, und versprach dem sich stets sträubenden reicher als alle reichen Leute in Heinrichs zu machen, doch stets vergebens. Wenn [23] der kußsüchtige Geist nun ernst abgewiesen wurde, ging er mit raschen Schritten hinter den Altar und versank dort mit einem tiefen Seufzer. Sagen von der Erlösung männlicher Geister durch den Kuß dürften selten begegnen, und nur bei verwünschten Jungfrauen kommen dieselben häufig vor.