Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Schätze und Zauber in Heinrichs

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Das Pfäffchen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Heidengrab und Ottilienstein
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165.
Schätze und Zauber in Heinrichs.

Zu Heinrichs war einmal eine alte Hexe, die häufig zu Rathe gezogen wurde, wenn das Vieh krank war, und in sonstigen Angelegenheiten der Landwirthschaft. Einst kamen drei Bauern zu ihr, deren Kühe keine Milch gaben; folglich bezaubert waren, und fragten die Hexe um ein Gegenmittel, damit sie Butter gewännen. Die Hexe rieth ihnen, in aller Teufel Namen zu einem Töpfer zu gehen, in deren Namen einen Topf zu bestellen, den der Töpfer unter solcher Anrufung auch fertigen müsse, und dann sollten sie den fertigen Topf auf einem vierspännigen Wagen holen, und das was dafür gefordert werde, auch ohne abzudingen, in aller Teufel Namen bezahlen. In diesen Topf müsse dann alle Milch der Kühe geschüttet und dann wieder ausgeschüttet werden, so mehre sich dieselbe wunderbar. Die Bauern befolgten den Rath, holten als der Topf fertig war, denselben mir einem vierspännigen Wagen ab, zahlten 15 nagelneue Groschen dafür, wurden aber, als sie zum Thore hinaus fahren wollten, von löblicher Polizei angehalten, denn es war aufgefallen, daß man um eines Buttertopfes willen vier Pferde angespannt, und scharf ins Verhör genommen, worauf die Bäuerlein alles gestanden. [24] Darauf erging es nach Urtel und Recht wie folgt: Bäuerlein zahlen so viel Strafgeld, als Schiff und Geschirr, Rosse und Wagen, die zu Herenwerk gemißbraucht worden, werth, und thun im Armsünderhemde Kirchenbuße. Topf wird auf dem Schindersrasen vom Scharfrichter in Stücke zerschlagen. Hexe wird an demselben Orte verbrannt. Wäre der Topf schon gebraucht gewesen, so hätten die drei Bäuerlein mitbrennen müssen, von Rechtswegen.

Einmal kamen drei Wildschützen nach Heinrichs, und kehrten im goldenen Hirsch ein, da der Name dieses Gasthauses für sie einen sympathetischen Klang hatte. Es war Sommer und hinten im Hofe vor dem Bierkeller standen Tische und Bänke für Zechgäste, deren mehrere dort versammelt waren. Die Rede derselben lenkte sich auf Jägerkünste, Freikugeln, und solcherlei Zauberstücke, und die drei Schützen gaben ihr Wort auch ins Gespräch, indeß sie wacker zechten.

Es dauerte nicht lange, so wurden sie aufgefordert, ihre Kunst doch auch sehen zu lassen, und der Wirth verhieß, wenn sie ein gelingendes Probestück machten, freie Zeche. Sie sollten trinken, so viel sie wollten. Da brach einer im Hofe ein Kleeblatt ab, der zweite holte eine Leiter, und befestigte an der hohen Giebelwand des Kellergebäudes über dem Kellerthor das Kleeblatt. Der dritte aber schritt durch den Hof, durch die Hausflur und über die breite Straße 90 Gänge ab, dort blieb er stehen, seine Kameraden nahmen ihre Büchsen und folgten ihm, dann legte der erste an, schoß und es fuhr ein Theil des vierblättrigen Kleeblattes ab. Der zweite schoß das zweite Blatt ab, der dritte das dritte – dann gingen alle drei schweigend aus dem Orte. Die kleeblattfönnige Kugelspur aber ist heute noch [25] überm Kellerthore des goldenen Hirsches zu Heinrichs zu erblicken.

Bei Heinrichs ist auch eine „Steinburg“ mit verzauberten Schätzen. Schatzgräber, die letztere heben wollten, und an eine eiserne Thüre kamen, wurden von der Nacht überrascht, stellten ihre Arbeit ein, und schliefen im Freien, um dieselbe mit Tagesanbruch fortzusetzen. Aber als der Morgen kam, war die eiserne Thüre verschwunden und ringsum starrer Fels. Ein Hirte fand auf dieser Steinburg eine weiße Lilie, sah eine weiße Jungfrau, und bestand das oft wiederholende Abenteuer in derselben Weise wie Andere. Er vergaß das beste, und die zuschlagende Thüre der Schatzhöhle schlug ihm die Ferse entzwei.