Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Heidengrab und Ottilienstein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Schätze und Zauber in Heinrichs Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der rothe Stein
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[25]
166.
Heidengrab und Ottilienstein.

Ueber der Bergstadt Suhl oder Suhla, in und um welche die Sage manchen ihrer immergrünen Kränze hing, erhebt sich der Dell- oder Döllberg, auf dessen Kuppe ein Hügel ruht, der das „Heidengrab“ heißt. Dunkle Kunden lassen ahnen, daß auf diesem Berggipfel ein Fanum der alten Germanen sich befand; unter den Kriegen Karl des Großen gegen die heidnischen Deutschen haben die Bewohner dieser Gegend sich auf dem Dellberge geschaart, um ihr Heiligthum zu vertheidigen. Lange hätten die Krieger Karls das Lager der Heiden gesucht, bis aufsteigender Rauch es ihnen verrathen, dann wären die Heiden alle erschlagen und ihr Heiligthum zerstört worden. Die Leichname ruhen in dem großen Hügel, den [26] man noch das Heidengrab nennt. Es war auch ein Bergwerk am Dellberge, in welchem täglich 300 Knappen aus- und einfuhren. Schroff erhebt sich unmittelbar über der Stadt Suhl zur Linken die waldige Wand des Domberges, an der ein riesiger Felsblock zu Tage tritt, der Ottilienstein geheißen. Auch von ihm die Sage von einer weißen gespenstigen Jungfrau, die ihre Erlösung hoffend, umwandelt. Vielleicht wohnte da droben zur Heidenzeit eine Alrune, und es ist nur die jüngere Sage Nachhall einer verloren gegangenen älteren von solcher Prophetin, daß einst eine Frau auf dem Ottilienstein gesessen habe, und bei ihr ein Hirte, und die Frau habe begonnen zu weissagen: bald werde Suhl im Feuer untergehen und es werde schrecklich allda hergehen. Ueber diese ihm mißfällige Prophezeihung habe sich der Hirte so erbost, daß er die Weissagerin vom Felsen hinunter gestoßen habe – sie sei aber ohne Schaden vom jähen Absturz und unverletzt hinweggegangen, bald darauf aber sei Suhl wirklich abgebrannt. Im Mittelalter stand auf dem Felsen, den heute ein Lusthäuschen in Form einer Kapelle ziert, eine wirkliche Kapelle, die der heiligen Ottilie gewidmet war. Ein armer Kupferschmiedslehrling sieht häufig am Ottilienstein zur Nachtzeit ein Lichtchen schimmern, und beschließt endlich, hinzugehen und zu sehen, was es damit für eine Bewandtniß habe[WS 1]. Er klettert zum Stein hinauf, kommt an den Ort, den er sich genau gemerkt, und findet kein Licht. Aber ein Kober stand dort, und dieser Kober war voll gelber Frösche. Flugs schüttete er den Kober aus – da wurden die Frösche zu eitel gelbgrünen leuchtenden Johanniskäfern, die in die Büsche flogen. Den Kober nahm der Lehrling mit – zu Hause [27] sah er nach, ob noch etwas darin sei, und da waren allerdings noch ein Paar Frösche darin. Wie er auch diese ausschüttete, wurden keine Johanniswürmchen daraus, sondern blanke Goldstücke. So fand auch einst die Enkelin einer armen Frau, welche in dem Lautergrunde nahe bei Suhl einen kleinen Garten hatte, mitten im Wege einen Topf, der voll lebendiger Roßkäfer war, die heraus und herein krochen. Das Kind sammelt einige dieser Käfer, und bringt sie zu ihrer Großmutter, die heißt es eilend gehen und den ganzen Topf holen. Aber als das Mägdlein wieder in den Garten zur Stelle kam, waren Topf und Käfer verschwunden, und nur die wenigen, die es eingefangen, hatten sich in Petersbatzen verwandelt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hahe