Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das vertriebene Holzweibel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Die goldene Wiege Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Holzweibel beklagt sein Männchen
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[190]
322.
Das vertriebene Holzweibel.

Zu Wilhelmsdorf hielt sich im Hause einer Bauernfrau ein Holzweibel auf, das war gar hülfreich und thätig, in Haus und Hof, Küche und Keller, Stall und Stadel. Es scheuerte, fütterte, molk und mähte, und der Hausstand dieser Bäuerin war der blühendste im Orte. Abends hatte das hülfreiche Holzweibel sein Plätzchen hinter dem Ofen, sagte den Leuten gute Lehren und Sprüchlein, z.B. Schneid das Brod gleich, so wirst Du reich, oder: Piep kein Brod, so leid’st Du keine Noth! Back’ keinen Kümmel in’s Brod. Schäl’ keinen Baum, erzähl’ keinen Traum – und Andere. Das Waldweibel beschickte auch den Ofen, und half kochen und backen, dabei jedoch erwieß es sich nicht in alle Wege zur Zufriedenheit der Hausmutter, denn insgemein nahm es den ersten Klos für sich heraus, und verzehrte ihn hinterm Ofen, ehe noch angerichtet wurde, und so that es auch mit dem frischbackenen Brode. Da gedachte die Frau des Sprüchleins: back keinen Kümmel in’s Brod, – und da buk sie nun zum Trotz dem Weibel Kümmel in’s Brod, und piepte es, d. h. sie machte mit den Fingerspitzen Eindrücke in die Brode, bevor sie in [191] den Backofen geschoben wurden. Kaum aber schmeckte das Waldweibel den ihm verhaßten Kümmel, und sah, daß dasselbe gepiept war, so schrie es zornig die Hausfrau an:

Hast Du mir gebacken Kümmelbrod,
Buckst Du Dir selbst die schwere Noth!

Und ging auf und davon. Und wie die glückbringende hülfreiche Hand des Holzweibels nun fehlte, ging es im Hause jener Frau alsbald mit dem Wohlstand den Krebsgang, und sie kam so herunter, daß sie weder Brod mit noch ohne Kümmel hatte.