Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das verwünschte Bergwerk

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Der verschmähte Kuchen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Otterkönig
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[193]
325.
Das verwünschte Bergwerk.

Zu Wilhelmsdorf wurde in alten Zeiten lebhafter Bergbau mit vielem Glücke betrieben. Ein junger Bergmann wollte eines Morgens auf die Grube gehn. Noch hast Du Zeit – jammerte seine an heftigen Gichtschmerzen darnieder liegende alte Mutter – trage mich erst noch in den Garten und lege mich dort in die Sonne, daß ich mich noch einmal letze an der schönen Gotteswelt. Der fromme Sohn nahm die Mutter auf seine Arme, machte ihr ein Lager in dem Garten zurecht, und kam darüber etwas zu spät bei der Grube an. Heftig setzte deshalb der Steiger den späten Ankömmling zur Rede. Der junge Bergmann vertheidigte sich in dem Gefühle, seine Kindespflicht erfüllt zu haben, die Gemüther erhitzten sich und im Wortwechsel stieß der Steiger den Bergmann hinunter in den tiefen Schacht. Zerschmettert und tod wurde er herausgetragen. Die Kunde von der Frevelthat kam zu des Jünglings Mutter. Sie sprang auf, fühlte keine Schmerzen mehr und trat in den Kreis der trauernd um die Leiche versammelten Bergleute. Dort ergriff sie eine Bürste, die zufällig da lag, und schleuderte sie hinunter [194] in die Tiefe des Bergwerkes unter der Verwünschung: So viele Jahre, als Borsten in dieser Bürste sind, soll das Bergwerk rings umher für Menschenhände sich verschließen! – und stürzte entseelt an ihres Sohnes Seite nieder. Der Fluch ging alsbald in Erfüllung. Wilde Wasser fielen ein und ersäuften die Schachte. Die Bergleute mußten sich in andere Gegenden wenden. Die Gruben sind noch vorhanden, das Erz findet sich noch, doch niemand wagt den Bergbau von Neuem zu beginnen, denn noch nicht die Hälfte der Jahre soll verflossen sein, welche die Bürste in der Tiefe fordert.

Unter andern Umständen soll das Goldbergwerk zu Reichmannsdorf mit einem Nösel Mohn verwünscht worden sein.