Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Hofhalt im Kiphäuser

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Der Kaiser Friedrich Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Bergentrückungen in den Kiphäuser
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387.
Der Hofhalt im Kiphäuser.

Des Volkes Glaube übertrug das, was es von der Verzauberung Kaiser Friedrich I., des Barbarossa, in seiner Seele festhielt, auch auf Kaiser Friedrich II., bildete mehr und mehr die Märe über beide aus, und hier war es nun, wo es uralt überkommenes Mythenthum mit seiner eigenen Anschauung und neuer Sage verschmolz. Die deutsch-nordische Sage vom Wode und seinem wüthigen Heere hatte sich im Braunschweiger Lande verjüngt und in der Person eines Oberjägermeisters Hans von Hackelnberg einen wilden Jäger gefunden; in der dem Kiphäuser ganz nahe gelegenen Grasschaft Stolberg ist außerordentlich viel vom wilden Jäger die Rede, bald ist’s der Hackelnberg, bald nennt man ihn ohne einen besonderen Namen. Er jagt, von vielen Dachshunden begleitet – an verschiedenen Orten hat er verfaulte Pferdelenden aus der Luft herabgeworfen, auf dem „Rübelande“ jagt er „Frauen“ aus dem Holze“,[1] wie er im Voigtlande die Moosweibel, auf dem Riesengebirge die Rüttelweiber, im bayerischen und österreichischen Hochgebirge die seligen Fräulein jagt. Des Hackelnbergs Begleiterin läßt die Harzsage die blärrende Nonne Tutosel sein, auch sie ist nur Verjüngung der Frau Holle. In der Grafschaft Stolberg aber ist letztere, wenn auch unter verwandeltem Namen, [253] in ihr Recht theils als wilde Heerzugführerin oder Begleiterin, theils als dämonische Spinnefrau eingesetzt, sie heißt dort „die Wulle“, „die Fru Rolle“, „Fru Holle“; um Ilsenburg aber „Fru Frièn“ (Nachhall von Freia), und geht auf die Freite. „Fru Frèe mit dem groten Dume“ heißt sie in einem Kindermärchen jener Gegend, und es kann gar nicht fehlen, daß sie sammt dem Heereszuge auch über das Kiphäuser-Gebirge schwebte. Aber da hat die stets verjüngende Sage sie neu verwandelt, da ist sie des Barbarossa schöne Tochter oder Nichte, die mitverzauberte Prinzessin, welche gefolgt von ihren Hoffräulein auf weißen Pferden Nachts über das Gebirge schwebt. Aber auch bei diesen hat es die Sage nicht bewenden lassen, sondern stets bemüht, alte Ueberlieferungen umzugestalten, läßt sie Raubritter auf Burg Kiphausen wohnen, welche sich Fräulein rauben, und mit diesen auf die Jagd reiten. Diese sieht man noch in hellen Nächten auf schneeweißen Pferden über den Berg reiten, aber es ist nicht gut, ihnen zu begegnen.

  1. Vergl. Dr. H. Pröhles sehr verdienstliche Sammlung: Unterharzische Sagen.