Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Wechselbalg zu Goßwitz

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Nixenliebschaft Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Die sieben Alten
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328.
Der Wechselbalg zu Goßwitz.[1]

Hinter dem Wohnhause des Schulzen Herold zu Goßwitz befindet sich ein altes Gemäuer mit einer kellerartigen Vertiefung, worin man früher zur Zeit der Mitternacht ein Licht unheimlich flimmern sah. Niemand hatte noch den Muth gehabt zu sehen, was dahinter stecke. In einer Winternacht waren die Bursche und Mädchen aus dem Dorfe in der Rockenstube versammelt und im Scherz erboten sich die Bursche demjenigen Mädchen einen neuen Rock zu schaffen, das noch in derselben Nacht Beweis bringen könne, daß es bei dem verrufenen Kellergeist gewesen sei. Der ganze Mädchenhaufe schauderte zusammen. Hoch auf horchte aber die Magd des Hauses, die in einem Winkel der Stube das mißgestaltete Kind ihrer Hausfrau zu warten hatte. „Es gilt – rief das frische Mädchen aus – und bis ich wieder komme habt Acht auf das Kind.“ Eilend lief sie hinter den Gärten hin unter. Da war der Keller und das geisterhafte Licht darin. Vorsichtig schaute sie hinein. – Kuckst Du, so werf’ ich – rief es ihr daraus entgegen. Wirfst Du, so hasch’ ich – erwiederte die Magd ohne ihre Stellung zu [197] verändern. – Kuckst Du so werf ich – wirfst Du so hasch’ ich – wiederholte es von Seiten des Geistes und von Seiten des Mädchens. – Wirf doch zu, ich hasche schon, rief das Letztere als der Kellergeist zum dritten Male mit seinem Wurfe drohte. Hoch hub sie ihre Schürze auf, der Wurf geschah, und in der Schürze lag ein Kind. Glücklich kam sie damit heim. Neugierig beschaute man den unerwarteten Fund – ein schönes wohlgebildetes Kind. Da kam von dem Lärmen erweckt auch die Herrschaft herbei und erkannte in dem Zuwerflinge froh und erstaunt ihr eigenes Kind. Ausgetauscht war es gewesen gegen jenen Wechselbalg, den man seiner Ungestalt und seines häßlichen Geschreies halber der Magd zur Wartung übergeben hatte. Vergebens sah man sich nun nach dem Wechselbalge um; er war dem jungen Volke unter den Händen verschwunden.

  1. Vergl. D. S. B. 529, wo aus Versehen Großwiß gedruckt ist.