Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Merwigsburg

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Der milde Herr Augustin Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Kindertanz
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428.
Merwigsburg.

Zwischen den Städten Arnstadt und Erfurt, am rechten Ufer der Gera, liegt am Abhange des Steigerwaldes, wo man den Wald die Wagd oder Wagdweide nennt, ein Dorf, das zwar auf Karten und in Büchern Möbisburg geschrieben, vom Landvolke der ganzen Umgegend aber nie anders als Mersbergk oder Mörschbergk gesprochen wird, und von Alters her Merwigsburg heißt, später auch Möwigsburg geschrieben wurde. Auf einem das Dorf überragen den Hügel steht weitschauend die Kirche, und auf ihrer Stätte stand in der Zeiten Frühe die Merwigsburg, die Burg, welche der Franken- und Thüringerkönig Merwig erbaute und einen Palast in derselben aufführte Gräberfunde in der Flurmarkung, besonders in der Nähe des benachbarten Dorfes Bischleben, deuten hinlänglich auf sehr frühe Bevölkerung dieser Gegend. Die Merwigsburg war später der Herrschersitz des Thüringerkönigs Bisin, bei welchem der aus Franken vertriebene Sohn König [310] Merwigs, Childerich, eine Zuflucht fand, und dort mehrere Jahre lang verweilte, bis ihm Botschaft kam, daß er in sein Reich zurückkehren könne. Als dieß geschehen war, folgte ihm Basina, Bisins Gemahlin, nach, vermählte sich mit Childerich, und wurde Mutter des großen Frankenköniges Chlodio oder Chlodwig.

Auch die Merwigsburg war eine der Dispargen oder Disparchen, deren Namen die früheren Gelehrten für Eigennamen hielten und heftig darüber gestritten, wo das wahre Dispargum gelegen, während er nur ein Gattungsname ist für Hochsitze, die auf götterheiligen Bergen begründet wurden. Dis ist numeu, entweder weiblich, gab es doch einen Frauennamen: Idisburg, oder männlich, dann vielleicht Zio (Dis), Mars, daher die Mersburgen, am Bodensee, Merseburg bei Halle, und die Mersburg hier, nicht minder die vielen Eresberge und Eresburgen, „Parch“ ist Einfriedigung, und das Wurzelwort des noch heute sprachüblichen, ächtdeutschen Wortes Park. Später siedelten sich Raubritter in dem verlassenen Königsschlosse an, was dessen völlige Zerstörung zur Folge hatte.

Sagen gehen noch von einem reichen Königsschatze, der im Schoose des Hügels ruhen soll, welcher die Merwigsburg trug. Einst verbanden sich drei Männer, ein Schmied, ein Schneider und ein Schäfer, diesen Schatz zu heben, sie mochten aber mit solcher Kunst nicht recht umzugehen wissen, denn es erschienen Geister, welche allen dreien die Hälse umdrehten. Darauf wurden zum Wahrzeichen am Gesimse des alten, dem heiligen Dionysius, dem Schutzpatron der fränkischen Könige, geweihten Kirchleins aus dem Merwigsberge die Häupter sothaner Schatzgräber in Stein ausgeführt angebracht, und ein Hufeisen, [311] eine Scheere und ein Schäferstab in den Stein der Mauer gemeiselt.