Theodor Mügge (Die Gartenlaube 1861)

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Autor: Max Ring
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Titel: Theodor Mügge
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 293–295
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Theodor Mügge.

Am 18. Februar dieses Jahres starb in Berlin nach kaum achttägigem Krankenlager der Schriftsteller Dr. Theodor Mügge, ausgezeichnet durch sein Erzählertalent und durch den ehrenwerthesten Charakter, der sich in allen Verhältnissen des Lebens bekundete. Diese innige Vereinigung und Harmonie des Talents mit Charakter spiegelte sich in allen seinen Werken wie in seinem ganzen Leben wieder; sein Dichten wie sein Handeln waren eins und standen seit dem Beginn seiner literarischen Laufbahn stets im Dienste der Wahrheit, Freiheit, der Humanität und des Fortschrittes. – Theodor Mügge wurde am 8. November 1805 in Berlin geboren; frühzeitig hatte er das Unglück seinen Vater zu verlieren, welcher die Familie in mäßigem Wohlstande zurückließ. Die gutmüthige, aber nur zu schwache Mutter war nicht im Stande, den wilden, kräftigen Knaben zu erziehen, der es nicht an tollen Streichen fehlen ließ. Kaum zehn Jahre alt folgte er der ihm angeborenen Wanderlust, indem er sich mit einem gleichgesinnten Spielgefährten aus dem elterlichen Hause heimlich entfernte, um die während der Befreiungskriege auch in Deutschland populären „Kosaken“ aufzusuchen. Beide Knaben waren bereits fünfzehn Meilen weit gegangen, als sie in die Hände eines Geistlichen fielen, der den öffentlichen Aufruf der bekümmerten Eltern in den Berliner Zeitungen gelesen hatte und die kleinen, abgerissenen und von Geld entblößten Vagabunden wieder glücklich zurückbrachte. Auch in der Schule klagten die Lehrer über Mangel an Fleiß und Aufmerksamkeit, obwohl der mit der Familie befreundete Professor Seidel frühzeitig auf das poetische Talent des Knaben aufmerksam wurde und beim Lesen eines von diesem verfaßten Gelegenheitsgedichtes den prophetischen Ausspruch that: „Der Junge muß Schriftsteller werden.“

Einstweilen aber kam Mügge nach Potsdam und zwar in ein keineswegs poetisches Materialwaarengeschäft, wo er sich jedoch die Zufriedenheit seines Principals erwarb, wie der noch vorhandene Lehrbrief lobend bezeugt. Bald verließ er jedoch diese ihm durchaus nicht zusagende Laufbahn, welche er nur aus kindlichem Gehorsam und auf den Wunsch seiner Angehörigen gewählt hatte. Ein Nachhall der nationalen und kriegerischen Begeisterung aus der Zeit der Freiheitskriege führte ihn in die Reihen des preußischen Heeres und zwar zu dem Truppentheile, der sich auch stets durch wissenschaftliche Bildung auszeichnete. Nachdem Mügge in Erfurt die dortige Artillerieschule besucht, wo er sich durch Fleiß und Eifer hervorthat, trat er in die Brigade des Majors Steinfeld ein, mit dem er selbst verwandt war. Zum Oberfeuerwerker bereits befördert war er eben im Begriffe sein Officiersexamen abzulegen, als er theils auf Anrathen des ihm verwandten Vorgesetzten, theils nach eigener reiflicher Ueberlegung auf die militairische Laufbahn wieder verzichtete, weil sie mit seinen allmählich hervortretenden freisinnigen Ansichten und Ueberzeugungen sich nicht länger vereinen lassen wollte. Um sich diese Freiheit zu wahren, schwankte der energische Jüngling keinen Augenblick, das ihm nahe liegende Ziel aufzugeben und von Neuem einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen.

Fast ohne Mittel bereitete er sich für die Universität vor, an der er vorzugsweise naturwissenschaftliche und geschichtliche Collegien fleißig hörte, indem er zugleich seinen Lebensunterhalt sich durch Stundengeben zu verschaffen suchte. Auch bei ihm war, wie bei so vielen Schriftstellern, die Noth die Mutter des Talents. In jene Zeit fielen seine ersten literarischen Versuche, zwei Bände Novellen, die er aus Dankbarkeit seinem Lehrer, dem schon genannten Professor Seidel, widmete, von dem er die erste Anregung und Hülfe erhalten hatte. Das Manuscript seines Erstlingswerkes wanderte von Buchhändler zu Buchhändler, da sich keiner finden wollte, um den Druck zu übernehmen. Endlich gelang es einem [294] Freunde Mügge’s, einen Verleger aufzutreiben, der sogar fünfzig Thaler Honorar bewilligte. Leider aber sah der arme Verfasser keine Spur von diesem Gelde, da der geschäftige Freund es vorzog, die Summe für sich selbst zu behalten, so daß Mügge sich allein mit dem Ruhm begnügen mußte. Mit dem leichten Sinne der Jugend überwand jedoch der angehende Dichter „die kleinen Leiden des Lebens“, ohne sich den ihm innewohnenden Humor trüben zu lassen, indem er mit den gleichgesinnten Freunden, zu denen auch der bekannte Schriftsteller Kattenkamp gehörte, ein frisches, fröhliches Studentenleben führte, obgleich den lustigen Burschen öfters das Geld zu einem Mittagsbrode fehlte. Die übersprudelnde Kraft Mügge’s und sein rasch aufloderndes Wesen bereitete ihm manche Verlegenheit und unangenehme Berührungen, die zu einem ernsten Duelle Veranlassung gaben.

Eine tiefe Wunde im Gesicht, deren Narbe er für das ganze Leben behielt, nöthigte ihn, längere Zeit zu Hause zu bleiben. Er benutzte diese unfreiwillige Muße zu ernsten Studien und neuen Arbeiten, die eine entschieden politische Färbung trugen. Schon damals bekannte er sich offen zur Fahne des Liberalismus, dem er seitdem mit aufopfernder Treue und Hingebung bis zu seinem Tode angehörte. So sehr er aber auch den modernen Fortschrittsideen in Wort und That huldigte, so schützte ihn doch seine innere kerngesunde Natur vor den Verirrungen jener Zeit, die mit der Emancipation des Fleisches und der Frauen, mit einer geistreichen Liederlichkeit kokettirte und nothwendiger Weise mit der gesinnungslosen Lüge enden mußte. Stets begegnen wir in Mügge’s Erzählungen und selbst in den Werken der ersten Periode einem wohlthuenden Ernst, einem ehrlichen Streben nach Wahrheit, einem gesunden Realismus, der allerdings zuweilen den idealen Aufschwung beeinträchtigt. Natur und Geschichte, die er auf der Universität mit Eifer studirte, blieben auch die Leitsterne des Dichters und verliehen seinen Arbeiten den tiefen inneren Gehalt und ihren dauernden Werth. Da ist nichts Gemachtes, kein Haschen nach Geistreichthum, kein Schönthun mit der geschminkten und parfümirten Verworfenheit, sondern gesunde Einfachheit, strenge Sittlichkeit, ohne Frömmelei, und Liebe zur Freiheit, die sich wie ein rother Faden durch alle seine Dichtungen wie durch sein ganzes Leben schlingt. –

Schon diese ersten Arbeiten fanden von Seiten des Publikums die wohlverdiente Aufnahme und Anerkennung, aber die in ihnen niedergelegte und deutlich ausgesprochene Gesinnung brachte ihn zugleich in mehrfache Conflicte mit der damaligen, dem Liberalismus feindlichen Regierung. Diese ließ es nicht an Verfolgungen, üblichen Haussuchungen und Quälereien fehlen, so daß Mügge sich gezwungen sah, die von ihm beabsichtigte akademische Laufbahn aufzugeben, da er unter solchen Verhältnissen keine Hoffnung hatte, in Preußen als Universitätslehrer angestellt zu werden. Sein Ruf als Schriftsteller, den er hauptsächlich durch den trefflichen Roman „Toussaint“ begründet hatte, sicherte ihm jedoch eine bescheidene Existenz, so daß er daran denken durfte, ein eigenes Hauswesen zu begründen. Leider wurde seine erste Ehe durch mannigfache Verhältnisse und hauptsächlich durch die fortwährende Kränklichkeit seiner Frau mehrfach getrübt. Erst mehrere Jahre nach dem Tode derselben schloß er seine zweite Verbindung mir seiner noch lebenden Gattin, die ihm das Glück der Häuslichkeit im vollsten Maße gewährte. Jetzt erst hatte sein Leben jene innere Befriedigung gefunden, nach der sich Mügge stets gesehnt; im Kreise der Familie entwickelte er eine Fülle von Liebe und Hingebung, die sein weiches Herz umschloß. Mit unablässigem Fleiße sorgte und arbeitete er bei Tag und bei Nacht für die Seinigen, um ihnen eine angemessene Existenz und später eine gesicherte Zukunft zu verschaffen. Seine schriftstellerische Thätigkeit verdoppelte sich, ohne daß darum der innere Werth seiner Werke eine Abnahme zeigte, indem er im Gegentheil von Jahr zu Jahr sich steigerte. So bot ihm die Familie zugleich Anregung und Erholung; er war der liebevollste Gatte, der zärtlichste Vater seiner Kinder, bemüht jeden ihrer Wünsche zu erfüllen. Der starke, wo es sich um seine Grundsätze handelte, unerschütterlich feste Mann besaß eine Zartheit und Weichheit des Gefühls, die nur seine vertrauteren Freunde kannten und bewunderten. Er konnte im eigentlichen Sinne keine Fliege tödten, kein Geschöpf leiden sehen. Aus vollster Ueberzeugung war er Mitglied des Antithierquälervereins, und es charakterisirt ihn hinlänglich der eine Zug, daß er auf einem Spaziergange nach Charlottenburg an einem heißen Sommertage seiner Frau und sich selbst den Gebrauch einer vorüberfahrenden Droschke versagte, weil er das arme, abgemattete Pferd schonen und nicht noch eine neue Last ihm aufbürden wollte.

Weder die glücklichste Häuslichkeit noch die anstrengendste Thätigkeit als Schriftsteller hinderte jedoch Mügge, an der politischen Entwickelung des Vaterlandes den lebendigsten Antheil zu nehmen. Die ihm innewohnende Liebe zur Freiheit bekundete er ungescheut bei jeder Gelegenheit und selbst in einer Zeit, wo ihn sein Liberalismus den schwersten Verfolgungen von Seiten der Behörden aussetzen konnte. Frühzeitig erkannte er das Heil Preußens nur in einem engeren Anschlusse an das gesammte Deutschland und in der Gewährung der verheißenen Verfassung. In diesem Sinne wirkte er durch Wort und That im engeren und weiteren Kreise, schloß er sich den Männern an, welche ein gleiches Streben verfolgten. Mit mehreren Freunden und Gesinnungsgenossen, zu denen damals die bekannten Liberalen Diesterweg, Kalisch, Zabel, Duncker und Rutenberg gehörten, vereinigte er sich zu wöchentlichen Zusammenkünften, worin die politischen Verhältnisse ebenso gründlich als freisinnig besprochen wurden.

So fand ihn das Jahr 1848 hinlänglich vorbereitet, nicht als einen Neubekehrten, der von der allgemeinen Bewegung mit fortgerissen der Strömung des Tages folgte, sondern als einen längst bewährten Freund des Fortschrittes, welcher nicht erst nöthig hatte, die Farben zu wechseln und die schwarz-roth goldene Kokarde aufzustecken. Mit scharfem Blicke erkannte er sogleich die Nothwendigkeit, seiner Partei ein angemessenes Organ zu schaffen; so wurde er einer der Mitbegründer der „Nationalzeitung“, welche von jener bereits geschilderten Gesellschaft liberaler Männer mit großen Opfern in’s Leben gerufen wurde. Mügge selbst übernahm im Anfange die Redaction des Feuilletons und schrieb dafür einige größere Novellen, „König Jacob den Zweiten von England“ und den „Vogt von Sylt“, die wegen ihrer inneren Beziehung zu den Ereignissen des Tages und durch den wahrhaft historischen Geist, verbunden mit einer hinreißenden Kraft der Darstellung, zahlreiche Leser und Freunde dem neuen Unternehmen verschafften. Das überwiegende politische Interesse der nächsten Zeit beschränkte indeß Mügge’s Thätigkeit an dem Feuilleton der Nationalzeitung, so daß er sich veranlaßt sah, seine bisherige Stellung an dem Blatte aufzugeben, obwohl er mit der Redaction desselben nach wie vor in innigster Freundschaft verblieb.

Die immer stärker und willkürlicher auftauchende Reaction vermochte seine Ueberzeugungstreue und seinen Muth nicht zu erschüttern, der sich besonders bei der Auflösung der ersten preußischen Nationalversammlung von Neuem zu bethätigen suchte, aber an dem „passiven Widerstande“ scheiterte. Ohne seiner politischen Thätigkeit zu entsagen, wendete er sich jetzt von Neuem größeren, selbständigen Arbeiten zu, von denen er sich auf seinen vielfachen Reisen erholte. Schon in früheren Jahren hatte er die Schweiz und Norwegen besucht, angezogen von der großartigen Alpenwelt. Diese Ausflüge selbst wurden ein neuer Quell, aus dem er reiche Belehrung für sich und Andere schöpfte. Während er mit dem Auge des Dichters die Schönheit der Natur in sich aufnahm, faßte er zugleich mit seltenem Scharfblicke die Eigenthümlichkeiten der fremden Völker, ihr geistiges und besonders ihr politisches Leben auf. So schuf er eine Reihe ethnographischer Werke von dauerndem Werthe, durch welche er seinen Namen auch im Auslande bekannt machte und einen neuen Freundeskreis erwarb, zu dem vor Allen der frühere Herausgeber und Besitzer des schwedischen „Aftonbladet“, der freisinnige Baron Hjerta, gehörte. Als die reichste Ausbeute seiner wiederholten Reisen nach Norwegen dürfte der Roman „Afraja“ zu betrachten sein, dem Mügge seinen europäischen Ruf zu verdanken hatte, da das Werk bald nach seinem Erscheinen in das Englische, Französische, Schwedische etc. übersetzt wurde; eine wohlverdiente Ehre, die bekanntlich einem deutschen Schriftsteller nur selten zu Theil wird. Den Hauptreiz dieser neuen Arbeit bildeten zunächst die unübertroffenen Naturschilderungen der norwegischen Küsten und Alpenwelt von wunderbarer Treue und überraschender Schönheit. Sie gaben indeß nur den poetischen Hintergrund und Boden für ein nicht minder reiches und interessantes Volksleben ab, das Mügge hier zum ersten Male mit wahrhaft plastischer Schöpferkraft uns vorführte, indem er mit gleicher Liebe Fels und Meer, Stadt und Land, den norwegischen Handelsherrn in seinem egoistischen Stolze, den unterdrückten und verkommenen Lappländer mit seiner natürlichen Rache schilderte und [295] im Lichte der Poesie verklärte, ohne darum der realistischen Wahrheit den geringsten Eintrag zu thun. Der Dichter hatte dem Leser in diesem Romane eine neue, bisher kaum gekannte Welt erschlossen, eine Fülle von originellen Charakteren gebracht und zugleich das innerste Leben der verschiedensten verborgenen Völkerstämme vor ihm aufgedeckt; zugleich aber dem Ganzen den Stempel einer tiefen, sittlichen Grundidee aufgedrückt.

Ein einziges Werk von so großem Werthe hätte hingereicht, einem französischen oder englischen Schriftsteller für immer eine sorgenlose Existenz zu sichern. Der deutsche Dichter mußte sich mit einem mäßigen Honorare begnügen, trotzdem mehr als zehntausend Bände der englischen Uebersetzung allein in Amerika abgesetzt wurden. Unsere traurigen Verhältnisse und jämmerliche Zerrissenheit trugen die Schuld, daß Mügge auch nicht den geringsten pecuniairen Nutzen aus diesem Umstande ziehen konnte, weil zwar zwischen Preußen und England, aber nicht zwischen diesem und Frankfurt am Main, wo sein Roman im Verlage von Meidinger erschienen war, ein Verband zum Schutze des literarischen Eigenthums besteht. Statt daher die Früchte einer so ausgezeichneten Arbeit in Ruhe zu genießen, mußte der Dichter stets von Neuem zur Feder greifen und im Schweiße seines Angesichts für sich und seine Familie das tägliche Brod verdienen. Bis spät in die Nacht schrieb er unablässig politische Correspondenzen für verschiedene Zeitungen, größere und kleinere Novellen für das von ihm herausgegebene Taschenbuch Vielliebchen, für Wochenschriften wie die Gartenlaube, der er ein treuer Mitarbeiter war und die seine letzte literarische Arbeit, eine für dieselbe bestimmte und kurz vor seinem Tode beendete Novelle, vor kurzer Zeit veröffentlichte.

Noch auf dem schmerzlichen Krankenlager besorgte er die ihm von zugeschickten Correcturen seines letzten größeren Romans, der unter dem Namen „der Prophet“ erschienen ist und eine der interessantesten Episoden aus der deutschen Geschichte behandelt, so daß Mügge, im eigentlichen Sinne bis zum letzten Augenblicke beschäftigt, in seinem Berufe gestorben ist.

Trotzdem behielt er noch immer die nöthige Zeit, seine Liebe für das allgemeine Wohl zu bethätigen und seiner Bürgerpflicht nach allen Seiten zu genügen. So entfaltete er einen wahrhaft jugendlichen Eifer in dem Schiller-Comité, dessen literarische und artistische Betheiligung er als Vorsitzender leitete; so stiftete er in seinem Bezirk eine Darlehnscasse zur Unterstützung bedürftiger Handwerker und Geschäftsleute, die einzig und allein seiner Energie und Opferfähigkeit ihr Fortbestehen verdankte, indem er seine Mühe und die Zeit, welche sein einziges Capital war, der Hülfe und der Unterstützung seiner ärmern Mitbürger widmete und als wahrer Freund des Volkes für dasselbe sorgte. Ebenso eifrig betheiligte er sich an dem Berliner Handwerkerverein, indem er dessen Bibliothek mit der größten Umsicht und Gewissenhaftigkeit verwaltete. Wo es galt, öffentlich zu nützen und dem Volke zu helfen, fehlte Mügge sicher nie.

Von seinen vielfachen Arbeiten und Geschäften ruhte er am liebsten im Kreise seiner Familie und einiger gleichgesinnten Freunde aus. Sein gastliches Haus war der Sammelplatz der verschiedensten Stände; hier sah man den gebildeten Fabrikanten, den Kaufmann mit dem Schriftsteller und Gelehrten vereinigt um den liebenswürdigen Wirth, der die durch Beruf und Lebensstellung getrennten Elemente durch sein Gespräch anzuregen und zu gemeinschaftlichem Wirken zu verbinden wußte. Ohne Uebertreibung darf man daher sagen, daß Mügge sehr viel dazu beigetragen hat, durch seine würdige Persönlichkeit dem Schriftstellerstande in Berlin allgemeine Achtung in den ihm zugänglichen Kreisen zu verschaffen. Fest und entschieden in seiner politischen Gesinnung war er voll Milde und Nachsicht im persönlichen Verkehr, fern von jedem kleinlichen Neid und voll Anerkennung für fremdes Streben, während er selbst ohne Eitelkeit eine seltene Bescheidenheit zeigte, die sich besonders dadurch verrieth, daß er nur ungern von sich, seinen Arbeiten und seinem Leben sprach.

Dieser innern Tüchtigkeit, Gesundheit und Biederkeit entsprach die kräftige äußere Erscheinung. Vor unsern Augen steht das Bild des tüchtigen Mannes, wie er noch vor kurzem in unserer Mitte wandelte, eine hohe Gestalt mit markigen Zügen, in straffer militairischer Haltung, die noch immer den ehemaligen preußischen Soldaten leicht erkennen ließ, schlicht und einfach, natürlich in seinem ganzen Wesen, fest und entschieden in seinem Auftreten, an Leib und Seele gesund und kraftvoll wie eine deutsche Eiche.

Ein schneller, unerwarteter Tod hat ihn hinweggerafft mitten in der Reife seines Wirkens und Schaffens zur tiefen Trauer für seine Familie, die er trotz aller Anstrengungen nicht hinlänglich versorgen konnte, zum unersetzlichen Verluste für seine Freunde, Mitbürger und für die deutsche Literatur, die Wenige Seinesgleichen aufzuweisen hat, da in Mügge das Talent des Dichters mit dem Charakter des Mannes zu einem harmonischen und vollendeten Ganzen verschmolzen war.
Max Ring.