Topographia Braunschweig Lüneburg: Braunschweig
Die Statt Braunschweig hat ihren Vrsprung von deß Hertzogen zu Sachsen Ludolphi Söhnen / Brunone vnd Tanquardo: denn es hat der älteste Hertzog Bruno / an dem Orte / woselbst jetzo die Statt Braunschweig stehet / vnd woselbst damals ein altes Dorff / Wieck genant / so von Keyser Carolo Magno, im Kriege wider den König der Sachsen / Wedekind / gantz verheeret vnd verzehret gewesen / wegen Wolgelegenheit deß Orts / sich niedergelassen / vnd eine Statt daselbst zu bawen angefangen / vnd Sie nach seinem Nahmen Brunswick genennet / Seine Residentz vnd Wohnung hat er anfangs gehabt hinter S. Magnus, welches man in Herrndorff geheissen; die vom Adel vnd Ritterschafft / so Ihme zu Hofe auffwarteten / haben ihre Wohnung gehabt auff der Ritterstrassen / welche noch auff heutigen Tag den Nahmen davon behalten hat.
Als nun sein Bruder Tanquardus sahe / daß allerhand Handwercksleute sich an dem Ort anfunden / fleissig baweten / vnd also seines Brudern Brunonis Fürnehmen glücklich von statten gieng / hat er auff der andern seits der Ocker / eine Burg zu bawen angefangen / vnd Sie nach seinem Nahmen Danquerode genennet. Weil nun [58] von Tage zu Tage mehr Leute sich anfunden / vnd die Statt erweiterten / haben diese beyde Brüder ihr bawen zusammen gezogen / beyde auff dem Schloß Tanquerode gewohnet / auch die S. Jacobs Kirche fundiret / vnd also die Alte Statt zu bawen continuiret / biß daß Bruno im Kriege wider die Dänen vnd Nortmänner vmbkommen vnd sein Bruder Danckwert / das ander Jahr darnach / eines natürlichen Todes gestorben. Nach solchem tödtlichen Hintritt dieser beyden Brüder / hat ihr Bruder Otto Magnus die Statt wieder occupiret / vnd das Schloß Tanqueroda bewohnet / wie Er aber Anno 916. Todes verfahren / hat sein Sohn Henricus Auceps, der hernachmals Keyser worden / Ihme succediret; Dieser hat die Newstatt zu der Alten Statt zu bawen angefangen / vnd auß den vmbligenden Dörffern den neundten Mann / hinein zu ziehen / auffgebotten / Sie auch mit einer Mauren vmbzogen. Damit auch tapffere Leute darin seyn möchten / welche man gegen den Feind gebrauchen könte / hat Er etliche von denen / so er auß den Dörffern genommen / zu Kriegsleuten verordnet / vnd ihnen jährlich gewissen Auffkunfften verordnet / daß sie anders nichts thun solten / als sich jederzeit zum Streit wider die Feinde gefast halten / davon sind herkommen die Patricii oder Statt-Junckern / welche noch heutiges Tages darin wohnen.
Wie Keyser Heinricus Auceps Anno 936. gestorben / vnd zu Quedlenburg begraben / haben die folgenden Hertzogen vnd Erbherren die Statt Braunschweig nicht weniger / als ihre Vorfahren / zu bawen vnd zu erweitern sich lassen angelegen seyn. Dann Ludolph dieses Nahmens der Dritte / hat Sie an vielen Orten verbessert / vnter andern S. Magni Kirche / Anno 1030. auff einen von Hade Hareln / einen vom Adel / dazu verehrten Hoff gebawet / vnd das Dorff Rotem dazu gewidmet. Er hat den Grund der Kirchen in der Burg / zu Ehren S. Petri vnd Pauli geleget / dieselbe auch mit vielen Gütern angesehen / ist auch zu seiner Zeit S. Vlrichs Kirche / die auff dem Kohlmarckt gestanden / zu bawen angefangen.
Hertzog Eckbrecht / deß Nahmens der Erste / hat Anno 1090. daß Stifft S. Cyriaci vor Braunschweig fundiret / vnd ist von dessen Sohn Eckbrecht / deß Nahmens der Ander / vollend außgebawet. Gerdrut / Marggräfin zu Sächsen / vnd Fräwlein zu Braunschweig / hat das Closter S. Egidien fundiret / etwan vmb das Jahr 1112. Ihre Tochter Rixa / so sie von Graff Heinrich zu Northeim / dem Feisten / gezeuget / ist Keyser Lothario vermählet / derselbe hat mit Ihr eine Tochter gezeuget / so nach ihrer Großmutter Gerdrut genennet worden. Nach dem nun Henricus Superbus; Hertzog in Beyern / das Fräwlein Gerdrut geheyrahtet / vnd dadurch zu dem Lande vnd Statt Braunschweig / so Ihme zur Morgengabe mitgeben / gelanget / hat Er mit seiner Gemahlin den Henricum Leonem erzeuget / welcher / seinen Vorfahren zur rühmlichen folge / die Statt weiter befestiget vnd erweitert / in dem Er die Burg mit einer Mauren vnd Graben vmbfangen / die Kirche / so zu Ehren S. S. Pauli vnd Petri erbawet / abgenommen / vnd das jetzige Stifft S. Blasii vnd Johannis dahin setzen lassen / die zwey Capellen am Moshause / derer eine über die ander / mit Marmelsteinern Pfeilern vnd Steinen gepflastert / gegen das Stifft über / zu Ehren S. S. Gregorii vnd Gerdrut / das Moshauß gebawet / den Löwen in der Burg / Anno 1172. setzen lassen / den Hagen / der zuvor nur lauter Garten / Wiesen / Hecken vnd Buschwerck gewesen / vnd davon den Nahmen behalten / Item etzliche Burggesesse / den Ritterborn / den Gravenhoff / den Tempelhoff mit zu der Statt genommen / bemauret. Da der Hagemarckt jetzt ist / das hat der Holtzmarckt geheissen / die Pfützen hat Er lassen außfüllen / den Bürgern zu bawen viel geschencket / vnd von dem Lande viel Leute hinein ziehen lassen / die Ocker hat Er vmb die Statt führen lassen / doch daß der Bach im Hagen / welches man den Graben nennet / geblieben. Er hat auch die S. Catharinen Kirche fundiret / erbawet / [59] vnd sonderliche Beliebung gehabt / diese seine Erbstatt zu vermehren / vnd zu zieren.
Wiewol nun Hertzog Heinrich der Löwe seinem ältesten Sohn Heinrich / Anno 1195. in seinem Letzten Braunschweig vermacht / So hat doch sein Bruder Hertzog Otto / dieselbe eingenommen vnd besessen. Zu dessen Zeiten ist die Alte Wick völlig bebawet / auch der Sack zur Statt genommen / Das Fundament deß S. Andreas Thurns (welcher nechst S. Steffans Thurn zu Wien / wie auch dem Thurn zu Landshut in Bairen / vnd dem hohen Stiffts Thurn zu Straßburg / der höheste Thurn in Teutschland ist) ist gleichfalls vmb die Zeit geleget / daran gearbeitet / biß daß Anno 1518. biß an den obersten Gang / da die Spitze angehet / gebawet / vnd eine grosse Glocke von 52. Centner hinein gehänget worden.
Anno 1318. als Hertzog Otto der Milde / Hertzog Albrechts ältester Sohn / die Statt überkommen / hat Er das jenige / was Hertzog Heinrich der Löwe an der Burg-Kirchen angefangen / ferner continuiret / vnd die helffte der Thumbkirchen in der Burg / nach dem Mittage gebawet / vnd mit Bley bedecken lassen. Er hat auch Anno 1330. das Pauliner-Closter fundiret vnd gebawet / darauß jetzo die S. Catharinen-Schule gemacht worden. Vmb das Jahr 1345. bey Zeiten Hertzog Magni, ist das Gebäw der Brüdern-Kirchen / so von zween Gebrüdern von Bordfeld / welche hinter der Brüdern Kirche gewohnet / zu bawen angefangen / vollendet / vnd von Hertzog Heinrichen / Bischoff zu Hildesheim / eingeweyhet worden.
Also ist nun die Statt Braunschweig von den Hertzogen zu Braunschweig / vnd dero löblichen Vorfahren / zu bawen angefangen / erweitert / vermehret / vnd befestiget / welches auch von Jahren zu Jahren continuiret / biß daß es eine grosse / ansehnliche vnd Volckreiche Statt geworden.
Weilen Sie nun zimlich groß vnd weitläufftig / ist die Statt in fünff Weichbilder abgetheilet / in einem jedweden Weichbilde eigene Bürgermeister vnd Rahtmanne / auch ein eigen Rahthauß angeordnet / Als in der Alten Statt / ist das alte StattRahthauß / bey dem alten Stattmarckt / an welchem der Alten Fürsten vnd Hertzogen von Braunschweig / sampt deroselben Gemahlinne Bildnussen / noch heutiges Tages in Stein gehawen zu finden seyn. Das ander Rahthauß stehet in der Newstatt / an der Reichen Strassen / woselbst auch die Zollbode befindlich. Das dritte auff dem Hagemarckte / das vierte im Sacke / das fünffte in der Alten Wieck auff dem S. Tillien Marckte / An dem Kohmarckte stehet die Müntze.
Es ist auch die Statt mit vnterschiedlichen schönen Kirchen gezieret / vnd seyn darin / ausser der Thumbkirchen / noch acht Hauptkirchen / als (1.) die S. Brüdern-Kirche / (2.) die S. Martens-Kirche bey dem Alten Statt Rahthause / (3.) die S. MichaelisKirche / (4.) die S. PetersKirche am Beckerklind / (5.) die S. Andreas-Kirche in der Newstatt / (6.) die S. Catharinen-Kirche im Hagen / (7.) die S. Egidien-Kirche / so an S. Tillien Marckte / gleichsam auff einem erhobenen Hügel liget / (8.) S. Magnus-Kirche in der Alten Wieck. Daneben sind auch noch vnterschiedliche kleine Kirchen darin verhanden. Haupt-Schulen sind darin (1.) die Burgschule / (2.) die S. Martens-Schule in der Altenstatt / (3.) die S. Catharinen-Schule in dem Hagen / (4.) die S. EgidienSchule in der Alten Wieck.
Die Statt hat neun Thore / als (1.) das S. Magnus-Thor / nach Rittershausen hinauß / (2.) das S. Tillien-Thor / nach Wolffenbüttel / (3.) S. Michaelis-Thor nach Steterburg / (4.) das Hoge-Thor / (5.) das S. PetersThor / (6.) das Neustatt Thor / nach Hildesheim vnd Hannover hinauß / (7.) das Falderslebische Thor nach Faldersleben / (8.) das WendeThor / (9.) das SteinThor / nach Giffhorn / vnd nach der Alten Marck hinauß gelegen.
[60] Es ist sonst die Statt Braunschweig eine fast grosse / auch an Mannschafft vnd Bürgern Volckreiche Statt / ist mit Wällen / Mauren vnd Gräben wol versehen / auch wegen solcher ihrer Befestigung schon vor etzlichen hundert Jahren / vor andern Stätten sonderlich berühmet gewesen. In diesen letzten gefährlichen Kriegszeiten ist diese Statt vnattaquiret geblieben / vnd also / weil die vmbligenden Länder offters verheert / ist Sie eine sichere Zuflucht vieler tausent Menschen gewesen / ligt an einem ebenen / gesunden vnd lustigen Orte. Was aber diese Statt mit ihren Landesfürsten / den Hertzogen von Braunschweig vnd Lüneburg / für Kriege vor diesem geführet / daher auch vnterschiedliche Belagerungen / vnd allerhand Vngelegenheiten entstanden / davon melden die in offentlichen Truck deßhalber außgangene Tractaten ein mehrers / dahin man den Leser vor dißmahl will remittirt haben.