Topographia Circuli Burgundici: Atrecht

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Topographia Germaniae
Atrecht (heute: Arras)
<<<Vorheriger
Aeth
Nächster>>>
Aubigny
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 195–197.
[[| in Wikisource]]
Arras in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[195] Atrecht / Arras, Atrebatum, Diß ist die Hauptstatt in Artois / oder Artesia, sehr groß / und über die massen vest; daher sie auch von Jacobo Meyero, in Annal. rer. Flandr. libr. 15. fol. 279. ein Schild / Wall / und Mauer deß gantzen Flandern / so gegen Niedergang der Sonnen gelegen / genennet wird. Ligt bey der Scarpe / Ist ein doppelte Statt / deren die Grössere / la Ville genannt / dem König von Spanien / die Kleinere aber / la Citè, dem Bischoff gehörig ist. Solle vor Zeiten Nemetacum geheissen haben / wie Cluverius will. Sie ligt 6. Meilen von Dovay, 8. von Dorlens / 9. von Camerich / und 14. von Amiens. Man machet allda ein schöne und zarte Leinwat. Hat einen schönen und grossen Platz / stattliche Gebäu / und stehen die Häuser alle / sonderlich in der grössern Statt / auff weiten Gewölbern / damit die Inwohner sich zur

[T119]

Atrecht

[196] Zeit einer Belagerung darinn auffhalten können. Und seyn die Keller auch sehr tieff / und gepflastert. In der gedachten kleinern / lustigen / und sehr bevestigten Statt / oder la Citè, stehet das Münster / oder die Bischoffliche Hauptkirch zu unser Frawen / ein vortreffliches Gebäu / in welcher ein Wachskertze bey dem Grab deß Bischoffs Lamberti, wider die Pest / zusehen / welche niemals abnimmet / wann man sie schon bißweilen 2. und mehrere Stunden brennen lässt; wie von solchem Wunderwerck Aubertus Miraeus, in Fastis Belgicis, p. 354. seqq. gar weitläufftig schreibet. In dem Atlante minor. Mercatoris wird auch einer sonderlichen Manna gedacht / so mit köstlichen Steinen eingefasst seye / und zu Atrecht auffbehalten werde / so es / zun Zeiten deß H. Hieronymi, in diesem Lande geregnet habe. Sonsten hat es ein herrliche Bibliothec bey dieser Kirch / darin allerhand geschriebene Bücher / sonderlich Theologici, seyn. Es zehlet aber Baldericus, gewester Bischoff zu Tornick / (der mehr als vor 600. Jahren ein Chronic von den Cameracensisch- und Atrechtischen Bisthümern / so vor Zeiten beysammen / und unter einem Bischoff gewesen / geschrieben /) die Bischöffe beeder Stätte Camerach / und Atrecht / in dieser Ordnung / 1. S. Vedastus, der vom (Remigio, Ertz-Bischoffen zu Reims / umbs Jahr 531. hieher gesetzt worden / und umbs Jahr 540. gestorben /) 2. Dominicus, 3. B. Vedulfus, so den Bischofflichen Sitz von Atrecht / nach Camerich transferirt hat. 4. S. Gaugericus, so dem gedachten Vedulfo umbs Jahr 555. succedirt / und umbs Jahr 594. gestorben ist. 5. Bertoaldus. 6. S. Ablebertus, oder Emebertus, ein Bruder der H. Jungfrawen Gudilae, so umbs Jahr 640. verschieden. 7. S. Aubertus, oder Autbertus, Anno 675. gestorben. 8. S. Vindicianus, der Brüßler Apostel / so umbs Jahr 712. mit Tod abgangen / und auff S. Eligii Berg / (so jetzt ein Regulirte Canonich-Abbtey / anderthalb Meilen von Atrecht gelegen / (begraben worden ist. 9. Hildebertus. 10. Hunoldus. 11. S. Hadulfus, so umbs Jahr 729. sein Leben beschlossen; Und also fortan Andere / biß auff Gerardum dieses Nahmens den Andern / der Anno 1092. gestorben. Nach ihm ist das Bisthumb getheilet worden / und hat die Kirch zu Atrecht ihren eignen Bischoff Anno 1094. bekommen / den sie auch noch heutigs hat. In dem grössern Theil der Statt / oder la Ville, ist die ansehenliche Abbtey zu S. Vaast / oder Vedasto, die 20. tausent Gulden Jährliches Einkommen / und von dem obgedachten ersten Bischoff allhie den Nahmen hat / dessen Anfang / und Grund / er selber an dem Gestade deß Bächleins Crientio geleget / und da auch begraben worden. S. Aubertus der siebende Bischoff / hat solches Closter hernach vermehret / und sonderlich König Theodoricus auß Franckreich / gantz reichlich begabet / der auch allda / mit seiner Gemahlin Doda, begraben liget. Der erste Abbt allda ist Hatta gewesen / deme S. Hadulfus succedirt. Sihe von der Gesellschafft / und Ursprung der 4. Abbteyen bey den Niederländern / so von vielen hundert Jahren hero exempt, und befreyet seyn / namblich dieser zu S. Vaast; der zu S. Pierre lez Gant, so jetzt in der Statt Gent auff dem Blandinberg; der zu S. Bertin / oder Abbatiae Bertinianae, und der zu Lob / oder Laubiensis, den obgedachten Miraeum, in Originibus Monasticis lib. 2. cap. 27. Anno 1620. zu Cölln getruckt. Es gibt allhie / wie auch zu Arrien / oder Aire, S. Omar / Bonne / Burburg / Ryssel / Mecheln / Namur / und S. Winoxbergen / Capucinerin beeder Regel S. Francisici. Nahend der Statt ligt die alte Abbtey Mareolum, darinn Canonici Regulares, und in welcher die H. Jungfraw Bertilia ruhet. Von Atrecht seyn gewesen 2. vortreffliche Männer / nemlich Carolus Clusius, so zu Leyden in Holland; und Franciscus Balduinus, so zu Paris / begraben ligen. Von diesem schreibet vorgemeldter Miraeus, in Elogiis Belgicis, pag. 82. also: Franciscus Balduinus JC. duarum maximarum scientiarum summos apices complexus est, Juris civilis, et Historiae. Dicere enim solebat, et scripto edito, [197] ut Posteritas exaudire posset, professus est, Historiam cum Jurisprudentia conjungi oportere; hanc sine illa coecam videri. Damit wir auch etlicher der letzten Belagerungen dieser Statt gedencken / so ist dieselbe Anno 1477. durch König Ludwigen den Eilfften in Franckreich eingenommen worden; aber Anno 1492. bekam solche Käyser Maximilianus I. wieder / für seinen Sohn / Ertzhertzog Philipsen / durch Hülff 4. Jünglingen / welche der Frantzosen Herrschung überdrüssig / die Statt verrahten haben; wie davon mit mehrerm beym Gerardo de Roo, in seinen Oesterreichischen Geschichten lib. 10. fol. 388. zu lesen. Anno 1597. hätten sie die Frantzosen wieder bekommen können / wann es ihnen nicht an einem Petarden ermangelt hätte / als ihnen der dritte in den Graben gefallen war. der Mareschall von Biron (der sich lang in einem Hauß gewärmet) nahm daher ursach / sich zuruck zu begeben / nach dem er / nicht ohne Fluchen / gesagt hatte / daß Arras / in mangel eines Petards / und wegen Kargheit / so man in allen Dingen / ausser in der Bulschafft / in acht nehmen thäte / ihnen entgangen wäre; wie der Herr von Aubigné tom. 3. histor. lib. 6. cap. 16. fol. 389. schreibet. Aber Anno 1540. den 13. Junij / haben diese Statt die Frantzosen mit ernst belagert / und den 10. Augusti hernach mit Accord erobert; welche Belager- und Eroberung in dem 4. Tomo deß Theatri Europaei, fol. 198. seqq. weitläuffig beschrieben / und dabey gesagt wird / es hätte die Statt damaln sehr hohe Wälle / und tieffe / weite / doch nur trockene Gräben gehabt / seye auch mit unterschiedlichen Hornwercken etc. von aussen verwahret gewesen. Unter den Thoren allda seyn die Porte von Amiens / von Baudimont / von Mioten / S. Nicolas / von Rouville, und die Porte der kleinen Statt / über deren einer damaln geschrieben gestanden:

Si les François prendront Arras,
Les Chats seront mangez des Rats.

Das ist:

Wann die Frantzosen Arras durchmessen /
So werden Ratten die Katzen fressen.

Theils / als Joh. Heinrich Hagelgans / in Beschreibung Artois / pag. 48. setzet die Frantzösische Wort ein wenig anders; und gibts also auff Teutsch: Wann die Mäuß werden die Katzen fangen / alsdann werden die Frantzosen der Statt Arras Meister werden. Aber solcher Hochmuth / wie zu geschehen pfleget / that kein gut / und haben / nach der Eroberung / die Frantzosen hergegen / unter andern / diese Reimen gemacht:

Pour prendre Arras ce grand et effroyable Rat
Il suffit un Chastillon, sans employer un Chat:

Das ist: Diese grosse und schröckliche Mauß Arras zu fangen / ist ein Kätzlein gnugsam / und bedarff man keiner Katzen darzu. Dardurch sie dann den Marschall von Chastillon verstanden haben. Und ist von solcher Zeit an / biß daher / Atrecht / oder Arras / in der Frantzosen Gewalt. Sihe / was von dieser Statt auch Georgius Braun / part. 1. et 3. Theatri Urbium, und C. Ens, in delic. apodem. pag. 83. schreiben; allda gesagt wird / daß eine Mauer die grössere Statt / von der kleinern (darüber der Bischoff auch im Weltlichen zu gebieten habe / und doch den Graffen von Artois / jetzt den König in Spanien / für seinen Patron erkennen thue) unterscheide.