Topographia Circuli Burgundici: Valensin

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Topographia Germaniae
Valensin (heute: Valenciennes)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 215–217.
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[215] Valensin / Valenchin / Valenchiennes, Valencena, Valentianae, Valentiniana, Vallis Cygnum. Dieser berühmten / und an der Schelde / 6. Meilen von Bavais, 9. von Avenes, 7. von Camerich und Tornick / gelegenen Stadt Namen / will man vom Käyser Valentiniano, herführen / der etwan hieher gelangt / und wegen Lust- und Fruchtbarkeit deß Orts / auch temperirten Luffts / sich eine Zeitlang allda auffgehalten / und bey einem Schloß diese Stadt gestifftet / und nach ihme genennet habe; wie / neben andern / auch Sigebertus Gemblacensis darfür hält / und saget / daß Käyser Carl der Grosse / Anno 771. an diesem Ort / deß gantzen Gallier Landes / Reichs-Tag gehalten habe. Ligt zum theil in einer sehr lustigen Ebne / zum theil etwas Bergicht. Die gedachte Schelde / oder Scaldis, laufft fast mitten durch die Stadt / mit der sich ein anderer / aber kleiner Fluß / Namens Ronelle, so bey der Pfort Cardone in die Stadt kommt / vermenget / und beede nicht allein in derselben viel Inseln machen / sondern auch ein Bächlein fast durch alle Gassen / unter den Häusern / stetigs rinnet / so beedes den Bürgern nützlich / und gemeiner Stadt zu ihrer Bevestigung / sehr bequem ist; dieweil man von aussen / den grösten Theil der Stadt ins Wasser setzen / inwendig aber fast auff jeden Schritt eine Schantz auffwerffen kan; wo sie aber in der Höhe ligt / tieffe breite Gräben / Wäll / und sehr starcke Mauren seyn / also / daß sie für der vestesten Städte eine zuhalten / und mit zweyen Kriegsheeren / und zwar gar hart zubelagern. Ist / im übrigen / ein grosse / lustige / schöne / reiche / und mit kostbaren prächtigen Gebäuen gezierte Kauffmanns-Stadt; unter welchen Gebäuen sonderlich zusehen 1. S. Marien-Tempel / oder Nostre Dame la grande, bey dem Fürstl. Pallast / so man deß Graffen Hoff nennet / gelegen. Ist zwar ein altes / aber künstliches / wiewol finsteres Gebäu / wie die alte Dom-Kirchen zu seyn pflegen. Hat 3. Reyen-Säule / von gantzen glatten und runden weissem und rothem Marmelstein / so wunderliche Schwibbögen haben / und unten / und oben / zum spatzieren / sehr weiten Raum machen / welches dann gar lustig anzusehen ist. 2. Die Aptey zu S. Johann dem Täuffer / darinn Canonici Regulares S. Augustini Ordens / so theils an statt der vorigen / für die vornehmste Kirch halten. 3. In dem Franciscaner-Closter / so schön und weit / seyn die Fürstliche Begräbnüssen zu sehen / und die Grabschrifften zu lesen / als des Joan. Avesnensis II. und seiner Gemahlin Philippae Luxemburgicae, Item ihres Sohns Guilelmi I. und dessen Sohns Guilelmi II. von den Friesen erschlagen / wie auch seiner Schwester Margarithae, Käysers Ludovici Bavari Gemahlin / und ihres Sohns Guilielmi III. Item Guilielmi IV. Hertzogs Alberti Bavari Sohns / und anderer vieler Fürstl. und Hohen Stands-Personen / so den Graffen diß Orts verwandt

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Valensin

[216] gewesen / und zum Theil auch 4. bey den Dominicanern / als Johannes Avennensis I. deß Käysers Balduini von Constantinopel Enickel / und deß Joannis Avesnensis II. Vatter / mit seiner Gemahlin Aleida, Käysers Wilhelmi Tochter begraben ligen. 5. Das Jesuiter Collegium. 6. Die Stadt-Schul. 7. Das Waisen-Hauß. 8. Spital und dergleichen Häuser. Von Weltlichen Gebäuen ist. 1. obgedachter deß Graffen-Hoff / oder la Sale du Comte, gegen der Schelde werts / zu besichtigen / darinn die alten Graffen mehrertheils gewohnt haben. 2. Das Zeughauß / so zwar ein ansehnlich Gebäu / aber nicht wol angefüllt. 3. Das Richt- und Rathhauß / oder la Halle, auff dem vornehmsten Marckt gelegen / ist sehr prächtig gebauet / dessen vorder Theil gantz von gehauenem Stein / mit schönen Fenstern und Thüren gezieret / daß es dem gantzen Marckt ein Ansehen machet. Und ist in solchem Gebäu S. Petri Kirch / und ein fürtreffliches Uhrwerck / so hoch gesetzt ist / daß man solches auch von ferne sehen kan; und welches nicht allein die Stunden / sondern auch deß Monds / und anderer Planeten Lauff / die Monaten / die 4. Jahrs-Zeiten / die Tagslänge / und anders mehr / weiset. Und hat es allhie hin und wieder auff den Kirchen-Thürnen ein schöne Glocken-Mussic / so man vor alle andere in Niederland loben will. Unter der besagten Uhr ist der Traid-Marck / oder Kornhauß / so weit und groß / und vor dem Ungewitter versichert; darüber ist der Wollen-Marckt / hernach der Fruchtboden[WS 1]; ferners der Tucher-Marckt / oder Hauß / item die Zimmer für die Stadt Obrigkeit / so weit und groß seyn; also daß in solchem einigen Gebäu fast alles / so der Stadt nöthig / wie auch die offentliche Gefängnussen / beysammen. Dann es gar füglich / ansehenlich / und prächtig erbaut / darzu den Anfang Guilielmus Bonus, Graff zu Hennegöw / Holl und Seeland gemacht hat. 4. Die zehen Brücken / so über die Schelde gehen / und oben auf ihre weite / und bequeme Gebäu haben; die meistentheils von denen Bedienten / oder Aempter habenden / so aller bürgerlichen Aufflagen befreyet / bewohnet werden. Dann obwoln heutigs tags von vielen diese Stadt / sampt ihrem Gebiet herumb / zum Hennegöu gerechnet wird / als welche umbs Jahr Christi 973. Garnerus, oder Garnerius, Graff von Valensin / dem Graffen Reinero zu Hennegöu / und seinem Brudern Lamberto, verkaufft; So hat doch diese Stadt sampt ihrem absonderlichen Lande / ihre besondere Recht / Gesätz / und Freyheiten; auch in den General Landtägen ihren besondern Sitz / vom Hennegöu unterschieden; wird auch von hier nicht nach Bergen / der Haupt Stadt im Hennegöu sondern stracks gen Mecheln appellirt; also daß sie ausser der Bündnüß / zum Hennegöu nicht zu rechnen ist. Und daher / so haben auch der Ertz-Hertzog Albertus von Oesterreich / und seine Gemahlin / die Infantin / ihnen allhie Anno 1600. absonderlich huldigen lassen; und seyn Ihren Hochfürstlichen Durchleuchtigkeiten bey die 2000. Bürger / ohne die Armen / so zu hauß geblieben / Item 120. Soldaten von der Guarnison / und fast 400. Junge Gesellen / damaln zu Ehren / entgegen / und auffgezogen / wie solcher Huldigungs Actus, baym Joanne Bochio, in historica narratione in augurationis Alberti et Isabellae fol 421. und Henrico d’ Oultremanno, von hier bürtig / in einem eigenen Tractätlein / zu lesen; welcher letzte auch auff den Einwurff / warumb diese Graffschafft Valensin / weil sie besonders seyn wolle / nie unter die 17. Niederländische Provintzen gezehlet werde / antwortet / und was von solcher Abtheilung zu halten / erinnert / auch was für Strittigkeit / wegen deß ob angedeuten Verkauffs / von deß Garneri / Grafens von Valensin / Nachkommen erreget / biß die Sach endlich verglichen worden / erzehlet. P. Bertius in explicat. Tabul. Geograph. meldet hievon pag. 182. bloß dieses: Anno 973. Lambertus improlis obiit. Reineri filia Richildis nupsit Comiti Flandr. Balduin. paruitque ex eo Valencena Flandriae, non tn. ut pars, sed ut disparata Respublica, probrias habens leges, et consuetudines, Postremum ad Duces Burgundiae, et domum Austriacam [217] devolutum est jus Dominii. In Geistlichen Sachen erkennet diese Statt den Ertzbischoff zu Camerich / in dessen Namen allda ein Archidiaconus ist. In Weltlichem ist jetzt wieder ihre hohe Obrigkeit der König in Spanien. Hat dreyerley Stände / Praelaten / Edelleute / und Burger: und gehören in dieses Ländlein auch Bouchain, Quenoy, und Condè, neben 132. Dörffern. Der Statt eigne Obrigkeit aber belangende / so ist solche dreyerley. Erstlich die obere / so von einem Obmann / und 12. Beysitzern bestehet / welche auß den vornehmsten Burgern der Statt erwehlet / und jährlich erneuert werden / und die unterschiedliche Bediente haben. Die Mittere / so sie den particulier Magisrat nennen / hat 25. ehrliche Burger / die auch bißweilen noch mehrere zu sich nehmen / und auff begehren der Obern / von den Statt-Sachen handeln. Die dritte Obrigkeit wird durch den Glocken-Schlag / in wichtigern Sachen / so das gemeine Wesen betreffen / nach alter Gewonheit / und der Statt Freyheit / zusammen beruffen. Und müssen auffs wenigste hundert Burger in solchem Magistrat seyn / so das gantze Volck vertretten. Und in solcher Zusammenkunfft stehet einem jeden Burger / wer er auch sey / von deme / so ihme im Nahmen der vorgehenden Obrigkeiten / von dem Statt Synodico, vorgetragen wird / frey / seine Meynung zu sagen. Und werden die Gesetz / Gebräuch / und Ordnungen dieser Statt / vor andern / sonderlich gerühmt. Und schreiben Guicciardinus, und vorgedachter Bertius, daß die Statt Nürenberg hieher auch die ihrige geschickt / und weil ihnen etliche Gewonheiten allda wolgefallen / solche selbsten angenommen / und biß daher bey einer solchen löbl. Statt noch in Ubung seyen. Es gibt allda einen grossen Adel / aber der gröste Theil von der Burgerschafft legt sich auff die Kauffmannschafft und Handwercke. Man macht da sehr schöne zarte Leinwat / wie das Cammertuch / Item Schamlot / und andere gute Zeug; ist auch der Stapel von Frantzösischem Wein allhie; daher es viel reiche Leut gibt / so die Arme zu ihren Diensten haben / und sonsten unterhalten. Es seynd an diesem Orth von Fürstl. Personen gebohren worden / der Constantinopolitanische Käyser Balduinus, und seine 2. Töchtern / und Erbin / Joanna, und Margarita, und dieser Margaritae, Gräffin in Flandern / Sohn Joannes Avesnensis I. It. Käyser Heinrich der VII. Graf von Lützelburg / dessen Pallast allhie / darin er auf diese Welt kommen / seine Mutter Beatrix, gedachten Käysers Balduini Ur-Enicklin / hernach zu einem Nonnen-Closter gemacht hat. Item so ist allhie gebohren worden Isabella, deß Philip. Namurcens. Tochter / besagten Käysers Balduini Enicklin / und Königs Phil. Aug. in Franckreich Gemahlin. Daß aber Käysers Maximil. I. Gemahlin Maria, Hertzogin von Burgund / wie Guicciardinus, Bertius, und andere mehr wollen / von hinnen gewest seyn solle / das gibt obgedachter Henricus d’Oultremannus nicht zu / sondern sagt / daß sie / wie auch ihre Tochter Margarita Austriaca, zu Brüssel gebohren worden. Also gibt gemelter Bertius dem Historico Frossardo diese Statt zum Vatterland / so aber andere verneinen.


Eine Meil / wie die meisten sagen / oder anderhalb Meil von der Statt / wie es gedachter d’Oultremannus rechnet / ligt auff der Strassen nach Tornick / mitten im Walde / das reiche Praemonstratenser Ordens MünchsCloster Vicoigne, oder Viconia, so ein herrliche Bibliothec von den besten / und ältisten Büchern in grosser Menge hat. Es sollen in solchem Closter S. Salvius, und S. Superius, so Anno 801. umbgebracht worden / begraben liegen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Frchtboden