Zum Inhalt springen

Topographia Hassiae: Wißbaden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
  ← Windecken Wiesbaden Witzenhausen →  
aus Topographia Hassiae, Text von Martin Zeiller, Illustrationen von Matthäus Merian
        Wiesbaden in Wikisource              Wiesbaden in der Wikipedia      
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).


[T51]
[142]
Wißbaden.


Es halten theils diesen Orth der Alten Mattium zu seyn / darfür andere aber Marpurg ansehen / wie in selbiger Statt-Beschreibung vermeldet worden ist; vnnd wir deßwegen vns mit niemands in Streit einlassen wollen: noch auch mit denen zancken / so die Usipetes hieher setzen / denen andere ein weit von hinnen gelegenes Land einraumen. Ist vns an diesem Ort gnugsamb zu wissen / daß Wißbaden ein alte / zwar nicht grosse / aber ihrer herrlichen / vnd heylsamen Bäder halber ein berühmbte Statt ist. Ihr älte erscheinet auß dem alten / starcken / grossen Gemäuer / welches von dem gemeinen Mann die Heyden-Mawer / wie auch Pfort die Heyden-Pfort genennet wird. Es soll aber diese Statt (vnnd Schloß) sampt der gantzen schönen Wein- vnnd Fruchtreichen Herrschafft von vndencklichen Jahren / oder wie etliche vermeynen / von dem Röm. Käyser Adolpho / gebornen Grafen von Nassaw / durch die Herren Grafen zu Nassau / vom Heil. Röm. Reich / neben dem Müntz-Regal / vnd vielen andern Freyheiten / zu Lehen getragen worden seyn; An jetzo aber ist solche Herrschafft auff der Röm. Käyserl. Mayest. Special-Commission, nach gewehrter anderhalb Jähriger Sequestration, Herren Anßhelm Casimiren / Ertzbischoffen zu Mäyntz / etc. vbertragen worden: Dessen Churfürstl. Gnaden gleichwohl den Innwohnern ihre Religion frey gelassen.

Es hat der Churfürst zu Mäyntz / Herr Johann Schweickhard / nach tödlichem Abgang deß jungen letztlebenden Herrn Graf Johann Ludwigen von Nassau-Wißbaden / vnd Idtstein / wider Graff Ludwigen von Nassaw-Weilburg vnd Sarbrücken / allbereit praetendirt / als ob durch absterben dieses jungen Herren / die Lehen apert, [143] vnnd Mäyntz anheim gefallen / sich auch derselben Grafschafft anzumassen / vnderstanden; so aber selbiges mahl noch vermittelt blieben.

Gleich wie auch auff Absterben Graf Heinrichs von Sayn / die Churfürsten von Trier / vnd Cöln / sich vmb des Haus Hachenburg / vnd Freußberg / sampt der Statt / vnd Pertinentien / annehmen wollen; darwider sich aber Chur-Pfaltz gesetzt / vnd An. 1605. Graf Johann von Nassaw den Mittlern / hernach ältern genannt / hierzu bestellet hat: Der auch von den samptlichen Wetterauischen Grafen gegen Mäyntz / wegen Wißbaden verordnet worden ist.

Es ligt Wißbaden eine kleine Meyl von Mäyntz / oder nicht so weit / vnd vier von Franckfurt / zwo grosse Meylen von Langen-Schwalbach / vnnd 7. von Coblentz. Ob nun sie / die Statt / von den obgemelten Usipetibus, oder Vispis; oder aber den Wiesen / in welchen sie / zwischen den Bergen ligt / den Namen bekommen / lassen wir andere erörtern. Sie ist mit einem recht guten fruchtbaren Boden gesegnet; dann sie einen edlen Wein- vnnd Kornwachs / darzu stattliche Waldungen / vnd zwey vornehme angrentzende Wasser hat / als nemblich den Rhein / vnd Mäyn / deren jedes vber eine halbe Meyl nicht von dannen, aderer kleinen Bäch ganz zu geschweigen.

Die Gegend herumb wird von den Einwohnern der Einrich / Einrichiae pagus, oder Gäw / genannt. Vnd fänget allhie dz Rhingaw an / hat gegen Morgen die Grafschaft Epstein; gegen Mitternacht die Graffschafft Idstein / darzwischen nur ein Wald ist; vnd gegen Abend gräntzet sie mit dem besagten Rhingaw. Vnd ist die Statt dreyeckicht erbauet. Der grosse Wald bey derselben / wird von den Leuthen hierumb die Höhe genannt. Es hat allda / vor dem jetzigen Krieg / schöne Gärten gehabt.

Die Lufft ist vmb die Statt herumb gesund / vnd gut / ob zwar die warme Dämpf / vnd Viehezucht / wann solche vorhanden / selbige etwas ändern. Also ist auch das Brodt eines guten Geruchs / vnnd Geschmacks / derentwegen es von manchen zur Abreise mit desto grösserer Begierde / mitgenommen wird. An Rind- Hammel- vnd Kalbfleich / jungen und alten Hanen / vnd Hünern / deßgleichen an Gevögel / Eyer / Butter / Fischwerk / etc. ist zur gnüge zubekommen. Ausser deß Weins / so selbsten an dem nechst gelegenen Berg allhie herrlich wächst / hat man vor diesem auch allerhand andere / vnd darunder Bacheracher Wein allda gehabt. Das Trinckwasser aber ist nicht zum besten: Hergegen man aber Sauerwasser von vnderschiedlichen Orten / vnd auch Bier haben kan. Die Einwohner seynd gute / redliche / vnd diensthafte Leuth / welche den einkommenden Badgästen freundlich vnter Augen gehen / gern zu willen seyn / die Bäder zu rechter Zeit stätig ablassen / vnd reinigen / mit frischem Wasser widerumb füllen / zum Gebrauch der frembden Badgäst zum fleissigsten verwahren / die Häuser / vnd Cammern reinigen / mit weissen Betthen zieren / vnd männiglichen / wie ihr Ampt erfordert / solche Handreichungen thun / daß selten Klag gehöret wird. Die Bäder / oder Brunnen allhie seynd natürlich heiß / vnd Artzneyisch. Dann nicht der Menschliche Fleiß / wie an einem Kräuterbad geschicht / sondern der Natur sie / vermittelst deß Fewers / welches in den Erdklüfften erhalten wird / oder der warmen Lufft in den Gängen der Erden / also heiß / oder warm machet. Es sind aber fürnemblich vier Brunnen / oder Quellen / welche gleichwol / weilen die Mineren nicht in gleicher Maß / vnd Quantität in allen sind / mit ihrer Wärme / oder Hitze / nicht vberein kommen / vnd deßwegen auch allen Krancken auff einerley Weise nicht zu gebrauchen. Die Badhäuser / so oben offen / seynd theils an Schilden zu erkennen / als das Hauß zum gülden Adler / zum Hirsch / zur Cronen / zum Beern / zum Helm / zum Bock / zum Rindsfuß / zum Spiegel / zur Blumen / zur Rosen / zum Schwanen / zur Glocken / zum Engel / zum Vogels-Gesang / zum rothen Löwen / zum Salmen / zur Stegen / zu den 2. weissen Böcken / zum Lilien / zum Stern / zum Wildenmann / vnd weissen Roß: Theils haben keine Schild / als das Dienheimer- oder Schützenbad / vnd das Bürger- oder gemeine Bad / sampt den 2. Bädern / so in den Hospital gehörig. Vnd hat besagtes Dienheimer / oder Schützen-Bad von den Adelichen Geschlechtern Dienheim / vnd Schützen von Holtzhausen / den Namen / weil solche ihren Adelichen Sitz / vnd Wohnung vor diesem allda gehabt haben.

Das schädliche Kriegswesen hat zwar [144] auch allhie in den Badhäusern viel verändert; aber man hat / nach Müglichkeit / seydhero alles zu verbessern ihme angelegen seyn lassen. Es führet das Wißbad viererley Mineralien / nemblich / Schweffel / Saltz / Alaun / vnd Salpeter / vnnd zwar führet es deß Schweffels am meisten / vnd deß Salpeters am wenigsten. Wer ihre Vermischung recht consideriret / der wird für genehm halten / daß etliche dieses Bad für das hitzigste / oder doch eins von den 3. hitzigsten (als Carlsbad / Baden am Schwartzwald / vnd Wißbaden) gehalten. Vnd thun die Bäder allhie zu Wißbaden / nach anzeig ihrer Mineralien / wärmen / trucknen / zertheylen / erweichen / auß- vnd von oben herab ziehen / kochen / dünn machen / zurück treiben / zusammen ziehen / vnd setzen / reinigen / heylen / purgieren; vnnd seynd wider alle von kalter intemperie, oder Entrichtung / vnd vbriger Feuchtigkeit / entsprungene Schwachheiten / als Flüß / Schnupffen / Schwindel / schwere Noth / Schlag / Gicht / Lähmung / Krämpf / Contractur / Podagra / Chiragra / Hüfftwehe / Zittern der Glieder / klingen / sausen / vnd schmertzen der Ohren / schwer Gehör / vnd Taubheit / schweren Athem / Keichen / Husten / Schwind- vnnd Lungensucht / Blutspeyen / Hertzklopffen / Ohnmacht / Blehung / Widerwillen / Trucken / Schmertzen / vnd Mattigkeit des Magens / Eckel für der Speise / verlohrnen Appetit / Darmwehe / Grimmen / Durchlauff / Außgang des Affters / Wassersucht / Lebersucht / Geschwulst / vnnd Wehe deß Miltzes / Steinschwären der Nieren / Blutharnen / kalte Piß / vnnd beschwerliches Harnen / Samenfluß / verlohrne Mannheit / der Mutter-Schmerzen / Auffblähen / vnnd vorschiessen / den weissen / tröpfflenden / vnnatürlichen / hinderbliebenen / vnnd allzustarken Monatlichen Fluß / vnzeitige Geburt / vnfruchtbarkeit / Grind / Jucken / vnd Schwähren der Haut / etc. ein heylsames Mittel. Vnd empfinden dasselbe sonderlich die Phlegmatische / vnd Melancholische / vnd die von 15. biß 50. Jahr alt seyn / mit sonderlichem Nutzen. Vnd ist allda durch den gantzen Frühling / Sommer / vnd Herbst / gut baden; wann es nur nicht gar zu kalt / oder zu gar hitzig ist. Wer ein vollständigen Bericht von Wißbaden zu haben begehrt / der lese Herrn Ludwigs von Hörnigk / Käys. Mayest. vnd Fürstl. Veldentzischen Raths / Comitis Palatini Cael. vnd Med. D. Ordinarii zu Franckfurt am Mäyn / daselbsten des Jahrs 1638. in 8. außgangene Wißbades Beschreibung; Item Herrn D. Philips Weber seel. gewesenen Gräflichen Nassawischen Hof-Medici zu Saarbrücken / Thermarum Wisbadensium descriptionem, zu Oppenheim Anno 1617. in 4 Lateinisch getruckt / welcher letzte / vnter anderm sagt / daß auff diesem schönen / vnd lustigen Boden / auff welchem Wißbaden liget / Käyser Adolphus ein Gebäw auffgeführt / so Graf Ludwig von Nassaw zu einem Spital verwendet habe / darinn täglich vber die zweyhundert Arme / mit schönen Wohnungen / versehen / vnd zu seiner / deß Autoris, Zeiten / gespeist vnd geträncket worden seyen; so die Einwohner Clarenthal / oder S. Clarae vallem nennen. Es hat zu Wißbaden einen Amptmann / vnd Schultheissen. Anno 1635. vberfiel der Obrist Hohendorff / Schwedischer Commendant in Mäyntz / den 1. April / die Böninghausische allhie / hernach kam der Herr General von Piccolomini, vnnd nahm sein Hauptquartier allda. In dem 5. Theil deß Theatri Europaei wird fol. 604. b. deß ersten Drucks / folgendes berichtet: Anno 1644. haben sich (weiß nicht was vrsachen) des Obr. Wolffen / vnd Sporcken Regimenter / nach Wißbaden gewendet / selbiges Stättlein vnversehens vberstiegen / viel Burger nidergemacht / alles rein außgeplündert / mit Weibern / vnnd Minderjährigen Töchtern / vnerhörte Schand getrieben / vnd also gehauset / daß es nicht zu beschreiben. Als nun die Mühl / vnd andere Gebäu / angesteckt / vnd verbrant / seyn Sie mit dem Raub der Armee vber den Rhein gefolget. Biß hieher besagte Relation. Es gehörte jetzt dieser Ort wider den Herrn Graven von Nassaw / Weilburg / so der Augspurgischen Confession seyn / zu.

Es schreibet Romanus Hay, in Aula Eccles. et Horto Crusiano, p. 353. daß zu Clarenthal obgedacht ein Meyl wegs von Mäyntz / auff der seyten / vnd nicht gar ein Stund von gedachtem Wißbaden / auff deß Graven von Nassau / so zu Idtstein Hof halte / Grund / vnd Boden / ein Closter S. Clarae Ordens / vnnd daselbst [145] ein sehr schöner Tempel vom Gebäw / aber vnflätig / vnnd darinn der Fürsten / vnnd Graffen / auß Königlichem Römischen Geschlechte / Gräber seyen. Der Stiffter were A. 1292. Adolphus, Graff von Nassaw / Römischer König gewesen; dessen / vnd seiner Gemahlin / Fr. Ymaginae, Bildnussen / beyderseits Kniender / vnnd / mit erhobenen Händen / Gott die Kirchen vbergebender / an der Wande / mit dieser Schrifft / zu sehen: Domine, in simplicitate cunctis meis peccatis miserere. Die letzte Abbtissin allhie / sagte Er / seye Anna Brendelin von Homburg gewesen / so deß Jahrs 1553. allda begraben worden.


  ← Windecken Wiesbaden Witzenhausen →