Topographia Saxoniae Inferioris:Wismar

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Topographia Germaniae
Wismar
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1653, S. 237–240.
Siehe auch:  Walfisch (Insel),  Poel und  Neukloster
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Wismar.

Es schreibet Johannes Micraelius, im 2. Buch vom Pommerlande / p. 140. seqq. also: Ich muß bekennen / daß gemeinlich die Scribenten / vnd insonderheit Crantzius, Wendisch / vnd Wandalisch / nicht vnterscheiden. Das Land zwischen der Weyssel / vnd Trave / vnd also zwischen Dantzig / vnd Lübeck / ist das rechte alte Wandalia; vnd die Stätte / so darinn gelegen / sind auch schon die Wandalische Stätte geheissen / ehe die Wenden hinein kamen. Die aber zwischen den Wenden / vnd Wandaliern / nicht einen Vnterscheid machen können / wenn Sie hören / daß Wandalier / schon vor Christi Geburt / in Pommern / Mechelnburg / vnd Holstein / gewohnet haben / maynen / daß anfänglich diese Länder Wendisch gewesen seyn. Ein anders aber ist schon erwiesen. Dann die Wandalische Nation war ein mächtig Teutsches Volck / welchs endlich / mit der meisten jungen Mannschafft / vom Balthischen Meere sich erhoben / vnd in die Römische Länder mit Macht Bahne gemacht hat. Drumb irren die Polnischen Scribenten / vnd / vnter Ihnen Vapovius, vnd Cromerus selbsten / daß / wenn Sie bey Saxone, vnd Cranzio, lesen / ein Wandalischer Fürste / Wissimirus / habe sich zu Schiffe gesetzt / Siwardum,den König der Dänen / überwunden / vnd erschlagen / vnd die Statt Wißmar erbawet; Sie als fort mainen / dieser Wandalische Fürst sey ein Pole / oder Wend /gewesen / vnd zwar auß Lechi Geschlechte. Diß ist so vngereimet / daß auch Neugebauerus, ein ander Polnischer Scribent / es nicht gut heissen kan. Dann dieser Wissimirus / oder Wißmar / hat vmbs Jahr Christi 340. König Sigwardum, in einer Schlacht zu Wasser erlegt; Lechus aber / der Wendische Fürst / ist erstlich in Polen zum Regiment vmbs Jahr Christi 550. gekommen. Etliche setzen seine Zeit wol gar ins 644. Jahr hinein. Wie kan denn Wissimirus / der zwey / oder drey hundert Jahr für Lecho gelebt / auß Lechi Familia Einer seyn? Ich halte fast darfür / daß eben dieser Wissimirus, deß Wandalischen / oder Astingischen Königes Wissimari, Sohn / oder Vetter / sey / der sich mit den Wandaliern / vom Balthischen Meer / erhoben hat / vnd an der Thonau / von der Ost Gothen Könige Geberich / zun Zeiten Constantini,ist erschlagen worden. Biß hieher Micraelius. Was den Nahmen Wißmar anbelangt / So wird von Etlichen dahin geschlossen / daß solcher der Statt / von dem obgedachten Wissimiro, oder Wissmaro, ihrem Erbawer / herkomme / den Sie zu deß Alberici Sohn machen; wiewol Andere wollen / daß von Wisbuy / der Haupt-Statt in Gothland / Gothische Völcker hieher gefühet / vnd / von solchen newen Einwohnern / dieser Ort / wegen Sicherheit deß Ports / oder Meerhafens / Wismar / [238] das ist / ein gewisses / oder sicheres Meer / seye genant worden: Andere aber / daß / von dem gemelten Erbawer / vnd auch zugleich dem Meer / oder der guten Gelegenheit daran / derselbe den Nahmen führe. Dann diese berühmte Statt/ an dem Balthischen Meer/oder der OstSee / eine Tagraise von Lübeck / gegen Morgen / vnd in dem Hertzogthumb Meklenburg / gelegen ist. Sie solle aber / noch vmbs Jahr 975. in welchem Keyser Otto der Ander / allda / einen Reichstag (von deme Sethus Calvisius in Chronol. fol.597. a. zu lesen) gehalten / nur noch ein grosser Flecken gewesen seyn; welchen folgends / vmbs Jahr 1238. Graff Güntzel der Ander von Swerin / so der Statt Lübeck ihr Glück / vnd Auffnehmen nicht gegont / auß der weyland mächtigen / vnd grossen / nicht fern von hinnen / vnd etwas weiters vom Meer gelegnen / aber damaln allberait zerstörten / vnd offenen Statt Meklenburg / besser erbawet / vnd erweitert / vnd die Burger von Meklenburg dahin gesetzt; welchem Ort hernach Hertzog Heinrich zu Meklenburg / zugenant Hierosolymitanus, Johannis deß Theologi Sohn / vmbs Jahr 1266. allererst das Lübische Recht / aigne Bottmässigkeit / vnd Stattgerechtigkeit / geben; wie dann dieser Statt privilegia alle / erst nach dem 1250. Jahr datirt seyn sollen. Sihe Chytraeum lib. Saxon. pag. 252. Es hat aber / mit der Zeit / dieselbe so gewaltig zugenommen / daß Sie / wegen deß angedeuten herrlichen Ports / oder Hafens / für eine der fürnehmsten Hansee-Stätt folgends ist gehalten worden; allda sich andere Hansee-Stätte / in gemeinen ihren Kriegen / versamlet / vnd von dannen ihre Kriegs Schiff haben außlauffen lassen. Wie Sie dann auch nach / vnd nach / sehr befestiget / vnd mit allerhand schönen Gebäwen gezieret worden. Einer schreibet also von Ihr : Wißmar ist eine Handels-Statt / fast so groß / als Rostock: hat lustige Häuser / vnd ein Fürstl. Schloß / oder der Hertzogen von Meklenburg Hoff: vnd seyn da zu sehen / S. Nicolai, S. Mariae, S. Georgii, vnd deß H. Geists / alles stattliche (sonderlich die 3. erste) Kirchen; Item / das graue Closter / schwartz Kloster / vnd das Rathhauß. Zur Gedächtnuß / daß auch / vor Zeiten / schon / ein Fleck dieses Nahmens allhie gestanden / ist noch eine Kirch allda / so man die Kirch zum alten Wismar nennet. In der obgedachten S. Marien / oder Vnser Frawen Kirchen / so mitten in der Statt ansehenlich gelegen / ist sonderlich zu sehen das Gitter vmb den Tauffstein / das vom Teuffel solle seyn gemacht worden: Dann es der Schmid / so solches angefangen / nicht außmachen können / derhalben Er diesen Gesellen zu Hülff genommen haben / auch kein Meister noch jemals gefunden worden seyn solle / der es hätte nachmachen können. Es ist so zugerichtet / als ob es mit Stricken in einander geflochten wäre / vnd hat doch ein schlechtes Ansehen. Die Statt hat einen ansehenlichen Marckt / oder Platz / vnd Weinkeller. Vnd nach dem Sie / bald nach ihrer Erbawung / im Jahr 1262. durch Fewr / schier wieder zu nicht worden / so hat man Sie viel prächtiger / als zuvor / erbawet / vnd mit steinern Häusern gezieret. Sie ligt nicht weit vom Meer / vnd ist der Meerhafen allda / der bequemste am gantzen Baltischen Gestade; da nicht allein die allergröste Last Schiffe einlauffen / sondern auch / ohne Ancker / in demselben sicher stehen können. Das Land herumb ist sehr fruchtbar / von welchem / fast bey 500. Burgern / so ihre aigne Häuser haben / durchs Looß / etliche Jauchart Ackers / gantzer sieben Jahr lang / frey zu geniessen gelassen werden. Es hat vmb die Statt her / viel kleine Stättlein / vnd Flecken / von dannen allerhand nottürfftige Sachen / in grosser menge / in die Statt geführet werden. Ligt von Lübeck / vnd Rostock / in gleicher weite / namblich von jedem Ort 7. vnd von Schwerin 4. Meilen. Biß hieher dieser. Ein Anderer aber sagt also: Wismar hat einen sehr bequemen tieffen Hafen/ vnd Außfuhr in die See / daß grosse Schiff mit ihrer Ladung allhie einländen können / vnd schlagen die Wellen deß Meers an die Stattmaur; dannenhero vormaln zimblicher Gebrech an frischem Wasser allhie gewesen / biß ein frische Quell erfunden worden; inmassen die Schrifft deß Brunnens / auff dem Marcktplatz stehend / bezeuget.

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[239] An diesem Marcktplatz ist auch das Rathhauß / ein altes Gebäu / vnd der Statt Apotheck / vnd Weinkeller / gelegen. S. Mariae Kirch / so die vornehmste Pfarr / hat ein höltzern Gewölb: hinterm Chor ist ein alte Vhr / so nebenst andern Kunst-stücken / die Tag- vnd Monatzeiten zeiget: in der Kirchen ist ein schöne Capell zum Begräbnuß der Edlen von Peccatell. Vffm Kirchthurn dabey / so von Quadersteinen gebauet / ist ein bequemer Prospect über die Statt / umligende Gegend / vnd die OstSee / darinn man von weitem die Schiffe fahren sihet. Bey S. Georgii Pfarrkirch / so schön gewölbet / ist nahend gelegen der alte Fürstlich-Meklenburgisch Palast / daselbst seyn schöne steinerne Wohnhäuser / auch breite Gassen / aber zimlich ohnbewohnt / vnd geringe Handthierung alda / ausser der Bierbrauerey: ist auch / ausser der Befestigung Gebäuden / von Natur die Statt zimlich fest / als die / wie vorgedacht / mit der Ost-See beflossen / vnd viel Sümpff vnd morastigte Gründe vmbher hat / vnd so viel berichtet dieser. Sihe auch C. Ens, in deliciis apodemicis per Germaniam, p. 259. vnd P. Bertium lib. 3. Commentar. Rer. German. p. 715. von den Geschichten aber die sich alhie zugetragen / deren oben allbereit etliche einkommen / den Hansen Reckman in der Lübeckischen Chronick / der hievon nach der länge / im Anhang / vnder dem Titul / Wißmarische Sachen / durch vier Bögen hindurch / handelt; Item / loh. Angel. à Werdenhagen, part. 3. de Rebuspubl. Hanseat. cap. 22. da Er von dieser Statt vom 317. biß auff das 327. Blat / deß letzten Trucks / in fol. vmbständlich schreiben thut. Wir wollen allein noch etlicher Sachen zum Beschluß alhie gedencken; als daß Anno 1301. Hertzog Heinrich von Mecklenburg vor Wißmar gezogen / vnd Sie bezwungen. Anno 1407. hat ein Zimmermann alhie / mit einer Axt / sein schwangeres Weib mitten durchgehauen / auch seine andere Kinder vmbgebracht / vnd endlich sich selbst mit einem Messer erstochen. Anno 1409. satzten die Wißmarischen ihren Rath ab / vnd wöhleten einen Neuen: der Fürst von Mecklenburg kam / durch Erforderung der Abgesetzten / in die Statt / vnd ließ den Neuen Rath vorgebieten. Aber da er vernahm / daß die Gemeinde zu hauffe lieff / satzt Er sich auff sein Pferd / vnd ritte davon. Anno 1417. haben sich die Wißmarischen mit ihrem Rath vertragen / den die Fürsten widerumb bestättiget: vnd muste die Statt ihrem Fürsten geben zehend tausent Marck. Ann. 1427. nahmen die Burger Herren Johann Bantschowen / den Burgermeister / vnd Herren Johann / oder Heinrichen (dann Er vnderschiedlich genant wird) von Haren / Rathman / gefangen / vnd hieben Ihnen / vnverschuldter Weise / auff dem Marckt / die Köpff ab / vnd verschaffeten / daß der Landsfürst Henricus / welcher ein Kind von acht Jahren war / den Neuen Rath bey der Hand nahme / Sie in ihre Stüle setzte / vnd Ihnen der Statt Regiment vnd Herrschafft befahle: Aber / vmb Mitfasten deß 1430. Jahrs / ist die Sach / auff interposition Keysers Sigismundi / vertragen; der Neue Rath ab: der alte Rath wider eingesetzt / vnd anders mehr verrichtet worden / (dabey es dann nicht ohne Straff abgangen ist); wie beym gedachte Regkman / auch beym Lindebergio lib. 3. Chron. Rostoch. p. 78. seq. zu lesen. In einem der obgedachten Bericht / wird / vmbgekehrter weise / Johann Bantschow / oder Bantzkow / ein Rathmann / vnd Heinrich von Haren / Burgermeister genant / vnd gesagt / daß ohnfern von dem obgedachten Brunnen / ein Stein auffgerichtet stehe / mit der Jahrzahl 1430. eingehauen / zur Anzeig deren Vnschuldigen Todes. Vmbs Jahr 1520. haben die vornehmsten in- vnd ausser deß Raths alhie / ein vngewohnlichen Kornkauff gehabt / also / daß Sie zu Verfang / vnd Nachtheil der Gemeinde / das Korn auß dem Lands zu Mecklenburg / zu sich gekaufft / vnd naher Westen / zu Schiffe / andern Leuten zu gut / verführet. Darauß dann grosser Vnlust vnd Widerwillen der Gemein / gegen dem Rath / sich erhaben hat. Vnd will man / daß alle andere Vneinigkeit / so darnach gefolget ist / auß diesem eigennützigen Kornkauff / sich erstlich verursacht habe. Anno 1524. haben zween Prediger / in Sanct Görgen [240] Kirchen / vnd im Franciscaner Closter allhie / wider die Päpstische Mißbräuche zu predigen angefangen. Als Albertus von Waldstein / gemachter Hertzog zu Friedland / von Ihr Keyserl. Mayest. etc. mit dem Hertzogthumb Mecklenburg belehnet worden / hat Er auch diese Statt bekommen; vnd ist dieselbe / ob schon das gantze Land / wieder an seine natürliche Herren gelanget / noch lang in Friedländischen Händen geblieben; biß endlich solche / darinn der Keyserisch Obrister / Caspar Gramma / zu gebieten hatte / Hertzog Adolph Friderich von Meklenburg / vnd der Schwedische General Todt / mit Beding / Anno 1632. den 10. Jener / wie tom. 2. Theatri Europaei (vielleicht nach dem N. Calender gerechnet / dann Kemnitzius noch das 31. Jahr hat) stehet / wieder erobert haben. Vnd ist / von solcher Zeit an / stätigs eine Schwedische Besatzung allhie gelegen: auch / bey den General Friedens-Tractaten / im Jahr 1648. beschlossen / diese Statt / vnd Hafen Wißmar / sampt der Vestung Wallfisch / vnd den Aemptern Poel / (außgenommen die Dörffer Schedorff / Weitendorff / Brandenhusen / vnd Wangeren / so zum Hospital deß Heil. Geists in der Statt Lübeck gehörig) vnd NewenCloster / auch im Hertzogthmub Mechelburg gelegen / der Cron Schweden / außgesetzt / vnd erblich überlassen worden. Anno 1643. zu Eingang deß Jahrs / vnd in dessen erstem Viertel / haben die Kirschbäume allhie geblühet; wie in tom. 4. besagten Theatri Europ. fol. 968. b. stehet. Anno 1645. ist allda eine grosse Verrähterey entdeckt worden / in dem etliche Mordbrenner daselbst eingeschlichen / vnd / mit allerhand künstlichen Instrumenten / die Schwedische Flotta in Brand zu bringen sich vnterstanden; die Thäter aber deßwegen gefänglich eingezogen worden seyn.