Topographia Sueviae: Giengen

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Topographia Germaniae
Giengen (heute: Giengen an der Brenz)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643, S. 80–82.
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Giengen.

Dieses ist vor seinem Vnfall vnd Brandschaden / ein lustiges wolvermögliches Reichs-Stättlein / an dem Wasser Brentz gelegen / gewesen / dessen Monatlicher einfacher Anschlag war einen zu Roß / vnd zwölff zu Fuß / vnd zu Vnterhaltung deß Cammergerichts / nach dem erhöchten Anschlag / järlich 50. fl. den Thaler zu 69. Kr. gerechnet. Ligt zwischen Vlm vnd Nördlingen / fast auf halbem Weg / vnd ist der Augspurg. Confession zugethan. Das Land daherumb ist lustig vnd fruchtbar. In besagter Brentz / gibt es herrliche Fisch. Vnd hatte vor dem Krieg / vnd der Brunst / es allhie einen guten Spital. Das Kloster Herbrechtingen / hat das Jus Patronatus von alten Zeiten allda gehabt. Es haben aber die Gienger einsmahls / als Henricus Hitzlerus Mergelstettensis Abbt daselbsten war / solches Kloster geplündert / vnd angezündet / deßwegen sie vom Papst Nicolao nach Rom citirt worden seyn / biß die Sach Anno 1453. von Pfaltzgraff Ludwigen bey Rhein verglichen worden ist. Crusius in Annal. Suevic. & Relationes.

Anno 1354. hat Käyser Carolus Quartus mit Bewilligung der Churfürsten / Burg vnd Statt Giengen / den Grafen von Helffenstein / für ein recht Edel ErbLehen von dem Heiligen Reich / verliehen; wie beym Besoldo in Thesauro pract. voc. Reichs-Statt pagina 677. sequentib. zu lesen. Wie aber dieser Orth wider zum Reich kommen / wirdt daselbst nicht gemeldt. Anno 1384. an S. JacobsTag / hat es einen Wolckenbruch

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[81] bey dieser Statt gehabt / dardurch viel Getraids hinweg geschwemmet worden / auch Giengen selbsten in grosser Gefahr ersäuffens gewesen ist.

In gedachtem Herbrechtingso (von Friderico Barbarossa An. 1144. an der Brentz gestifftet worden / wie Bruschius sagt) ist vor Zeiten der Brauch gewesen / daß der Abbt / wann einer von den H. Ehingern zu Vlm / (so Stiffter einer Capellen in der Kirchen daselbsten) dahin kommen / jhme entgegen gehend / die Schlüssel zum Kloster vberreychet hat / wie besagter Crusius part. 2. lib. 12. c. 6. in fin. fol. 551. schreibet.

Es hat die Statt Giengen in disem Teutschen Krieg gar viel Durchzüg / Quartier vnd Beschwärden / erlitten / sonderlich haben sich Anno 1634. zur Zeit der Belägerung der Statt Nördlingen / vnderschiedliche starcke Partheyen von den Käyserischen vnterstanden / die Statt zu plündern: Wie dann auch den 19. Augusti auff die tausendt Pferdt / Morgends früh / für das Thor kommen / so in die Statt begehrt / vnd ehe man sich resolvieren können / Gewalt zu üben angefangen / das Wild- oder Gesundbad vor dem Memminger Thor (so schön erbawet gewesen) auff den Boden abgebrandt / an etlichen Orten schon in die Statt gestiegen / vnd grosse Angst vnd Schrecken verursacht; seyn aber von einer starcken Schwedischen Partey zurück getrieben / vnd ist also damals die Statt entsetzt worden. Die gedachte Schwedische namen hierauff die meyste / vnd beste Pferd / sonderlich die im Spital alle mit sich hinweg / vnnd zogen / wegen Forcht vor den Käyserischen / deren ferneren Vberfalls man sich besorgte / die meiste Bürger / sampt Weib / vnd Kindern / hinweg: Vnd nahmen jhre beste Sachen / so sie in der Eyl geschmeidig fortbringen konten / mit. Aber so bald sie für das Thor kamen / haben sie die Schwedischen außgeplündert / vnnd jedem das seinige genommen / vnd so dann gehen lassen / wohin ein jeder gewolt / oder gekönnt hat.

Am andern Tag / als den 10. Augusti / kamen die Leut meistentheils wider zu Hauß. Vnd hat Herr Feldmarschalck Horn für dergleichen Anlauff / 4. Compagnyen Tragoner in die Statt gelegt. Als aber den 27. August. hernach vor Nördlingen die Schlacht wider die Käyserische verloren / vnd gar viel der Flüchtigen auff Giengen kommen: So seynd nicht allein die obgedachte 4. Compagnyen / alsbald in grosser Eyl aufgebrochen; sondern auch noch selbigen Abend jederman in der Statt / wer es vermöcht / vnd sich geförcht hat / geflohen: Vnd was er in der Eyl nicht mit sich nehmen / vnd tragen können / alles im Stich gelassen: Die alte / ohnvermögliche / Krancke / Kindbetterin / Großschwangere aber / seyn beneben noch vil Bürgern / so besagte Personen / vnd jre Haußhaltung nicht wol verlassen können / geblieben, welche den 29. Aug. Morgends frühe / etlich vnd zwantzig Käyserische Reutter eyngelassen; die den Bürgern gerathen jhr Königliche Mayestät zu Hungarn / vnd Böheimb / etc. als Siegsfürsten / vmb Gnad / vnd Schutz / auch eine Salvaguardia vnterthänigst zu bitten; darbey sie dann / durch Vermittelung jhres Herrn Obristen / gerne das jhrige thun; ein Theil mit den Abgeordneten reysen; die vbrige aber zum Schutz in der Statt verbleiben wolten. Welches dann zu hohem Danck angenommen / vnnd darauff zween von den Bürgern / mit einem Postreuter; auch von den Reutern / ein Leutenambt abgefertiget / vnd jhnen etliche zugeben worden. Aber da man für die Statt hinauß kommen / haben die Reutter die Bürger alsbalden vmbringet / vnnd wegen der Statt zweytausendt Gülden Brandschatzung begehrt / vnnd selbige mit sich auf das Schloß Dischingen geführet: Von dannen den besagten Postreuter zurück in die Statt geschickt / vnd auff so starckes Anhalten der 3. Bürger 600. Reichsthaler zu nehmen sich erkläret. Inmittelst haben die Reuter noch selbigen Tag das meiste Vieh auß der Statt getrieben / vnd etliche der geflohenen Rathsherrn / vnd Burgerhäuser / geplündert / vnd das beste herauß genommen. Wie sich nun die Sach mit dem Gelt verweilet / sind die Reuter den 30 diß / Nachts / vmb 10. Vhr mit den obgedachten 2. Abgeordneten für das Thor kommen / haben den einen in die Statt geschickt / vnd das Gelt / bey Betrohung der Plünderung / vnd deß Brands / begehren lassen. Darauf man noch selbe Nacht Gelt gesamblet / aber mehr nicht / als 480. fl. [82] können zusammen bringen / so Morgens früh vmb 4. Vhr erlegt worden; mit Versprechen / dz übrige auf den Mittag auch zuerlegen; weil man in Hoffnung gestanden / die Geflohene würden / auff öffters beschehenes Erinnern / das jhrige auch thun. Vnter dessen haben die Reuter einen Corporal / mit 2 Reutern in der Statt zur Salvaguardia, vnd die obangedeute Bürger / wider ledig gelassen. Selbigen Tag / den 31. diß / zu Mittag / kamen 2. andere Comp. Crabaten für das Thor / begehrten Bier vnd Brod / welches man jnen alsbald gebracht hat; vnd ist obgedachter Corporal / welcher noch auf das außstehende Gelt gewartet / zu den Crabaten für das Thor gangen / vnnd mit jhnen geredt: Aber / wie sie gesehen / daß es in der Statt so schlecht bestellt; haben sie hinein gedrungen / vnd zu plündern angefangen. Nach dem sie gegen Abend wider hinweg; so seyn alsbald 5. Comp. Burgundisch Volck kommen; so auch alles auffgehawen / vnd geplündert / darauff sie noch selbigen Abend / biß auff etlich wenig / auch hinweg gezogen. Morgens / als den 1. Sept. ist ein vberauß groß Getümmel / vnd fahren gewesen / von 2. Regim. Volck / welche zuvor jr Ordre auf Giengen / vnd jre Quartir zu Haunßheim / vnd Witeßlingen / gehabt haben. Den 2. Sept. ist die Span. Armee auf Giengen gezogen / vnd hat der H. Cardinal Infant in der Statt biß auf den 4. diß / logirt / da dann die gantze Statt von den Soldaten ruinirt / vnd vollendts außgeplündert worden: Theils der Bürger waren versteckt / vil Weib vnd Kinder lieffen vnter den vnbarmhertzigen Kriegsleuten herumb; da es dann mit schänden / entführen / vnd andern Vnthaten vbel hergangen ist. Den 5. Sept. Morgens vmb 4. Vhr / hat es in einem Hauß zu brennen angefangen. Vnd obwoln die Burger auß jhren Löchern / wo sie versteckt gewesen / sich herfür gemacht / vnd zu löschen angefangen: Weiln aber das wütende Fewr vberhand genommen / vnd bald da / bald (auß Vnvorsichtigkeit der Soldaten / so mit den Liechtern / im Hew / vnd Stroh / ob sie was / so sie mit dahin gelegt / noch finden möchten / gesucht haben) dorten eines auffgangen: Der Leut auch zum löschen zu wenig gewesen waren / vnd man / auß Mangel der Pferdt / vnd anderer darzu gehörigen Sachen / keine Ordnung machen; auch noch viel Soldaten in der Statt / vnd in den Gärten ausser derselben waren / welche die Leut / so sie bey der Fewrsbrunst erwischen konten / wegen Hinwegbringung jhres Raubs / gefangen namen / vnd mit sich führeten / vnd sich daher jederman wider verloffen: Als hat das Fewer / so Materi gnug hatte / also vberhand genommen / daß fast in 24. Stunden die gantze Statt Giengen / mit allen Gebäwen / Thürnen / vnd Thoren / kleins / vnd groß / biß auff 4. kleine Häuser verbrunnen / vnd jämmerlich zu Grund gangen ist. Vnd dieser bißher geführter warhafftiger Bericht von dem kläglichen Vntergang der weyland wolbegüterten Statt Giengen / ist auß eines beglaubten Manns / so darbey von Anfang / biß zu Ende / gewesen / Relation genommen worden. Als folgender Zeit sich die Leuth wider in ein Haußwesen / vmb etwas zu schicken angefangen / so seyn sie vmb das Ende deß Martij An. 1638. von Meisingischen Regiments Reutern zu zwey underschiedlichen malen / abermals plötzlich vberfallen / viel Bürger geschlagen / vnd hart beschädigt, dz; Memmingerthor in Brand gesteckt / in den Häusern alles zerhackt / durchsucht / vnd die Statt rein außgeplündert worden: Vnd daher wird auch allhie allein die Contrafactur diser von etlich 100. Jaren hero gewesten Reichsstatt gesetzt / wie sie vor jrem Vntergang gewesen; obwoln seythero wider etwas / aber von nur geringen vnd nidern Häußlein / gebawet worden ist; vnd sich / wegen der guten Gelegenheit deß Orths / zimlich Leuth wider allda befinden; aber sich langsamb wider erholen werden können.