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Ueber den Vertrag zwischen Kaiser und Papst vom Juni 1546

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Autor: August von Druffel
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Titel: Ueber den Vertrag zwischen Kaiser und Papst vom Juni 1546
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 3 (1890), S. 414–419.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
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[414] Ueber den Vertrag zwischen Kaiser und Papst vom Juni 1546. Von dem Bündnissvertrage, welcher im Jahre 1546 zwischen Kaiser Karl V. und Papst Paul III. abgeschlossen wurde, dessen Text man früher nur unvollkommen kannte, fand Th. Brieger im Vaticanischen Archiv eine Originalausfertigung, wie derselbe in seiner Zeitschrift für Kirchengeschichte IX, 135 berichtete. Brieger hatte die Güte, mir seine Abschrift zu überlassen, und es war meine Absicht, einen Abdruck von einer früheren Fassung und von dem endgültigen Texte der päpstlich-kaiserlichen Capitulation zu veranstalten, indessen beschränke ich mich jetzt auf die Mittheilung der ersteren; denn inzwischen ist von P. Kannengiesser in der Festschrift des protestantischen Gymnasiums zu Strassburg der spätere Text veröffentlicht worden. Der Abdruck ist nach einer im Strassburger Archiv vorhandenen Copie gegeben. Kannengiesser’s Arbeit ist sehr erwünscht. Seine Vorlage bietet allerdings keine Auskunft über die Formalien der Urkunde, wohl aber, von einigen nicht sehr wesentlichen Fehlern abgesehen, den Text des einen der Originale und zwar desjenigen, welches vom Papste dem kaiserlichen Abgesandten eingehändigt wurde, während der Vatican die ihm übergebene Urkunde bewahrt. Ich stelle die Schlusssätze[WS 1] neben einander:

V.:
     
St.:
Li quali soprascripti capituli S. Ces. M ha firmato in Ratispona a di 6 de Junio del 1546, presente el molto Rdo Sre Hieronymo Verallo Archpo Rosanense, nuncio di S. S appresso da S. M
Carolus
Por mandado de su Mad Vt Perret. [Perrenot] Vargas.

Unten: Los articulos entre S Sad y su Mad.
Li quali sopradetti capituli S. S ha sottoscritti in Roma addi 26 di Giugno del 1546, presente Mons. Rmo et Illmo di Trento et il S. Don Giov. Vega Imbass. di S. M Ces.

In dem Texte ist bei Kannengiesser S. 216, letzte Zeile, sicher mit Brieger „traherà“, statt traheva, zu lesen. In § 1 ist der Gegensatz zu „publico della Christianità“ besser durch das „e particolare della detta Germania“ des Vaticanischen Originals ausgedrückt, statt „particularmente“. Auffallend ist, dass der Strassburger Text Z. 9 „alla sua celebratione“ bietet, statt des Vaticanischen „al suo felice progresso“. Letztere Wendung entspricht doch besser dem Sommer 1546, wo das Concil bereits im Gange war; die Strassburger Fassung deutet eher auf das Jahr 1545 hin.

[415] Durch das Vaticanische Exemplar ist festgestellt, dass Karl V. die Capitulation dem Cardinal Madruzzo unterschrieben mitgab, wie das bereits durch Leva IV, 65 auf Grund des Farnese’schen Briefes an Poggio sehr wahrscheinlich war; vgl. Brieger Zeitschrift für Kirchengeschichte IX, 135, Druffel Viglius’ Tagebuch S. 6. Inzwischen ist in dem Archivio storico Italiano 1887 ein auf der Bibliothek zu Siena befindlicher eigenhändiger Spanischer Brief des Kaisers Karl an den Papst abgedruckt worden, welcher vom 10. Juni datirt ist und dem Cardinal Madruzzo mitgegeben wurde. Es ist ein Credenzschreiben für diesen und Vega. Wenn das Datum richtig ist, wie der Herausgeber versichert, der von meinen Erörterungen Kenntniss hatte, so wird wohl anzunehmen sein, dass man am kaiserlichen Hofe noch nach der Abreise des Cardinais Schwierigkeiten fand, deren Lösung dem bereits abgereisten Madruzzo aufgetragen wurde in einem gleichzeitig nachgesandten Schriftstück. Madruzzo war (nach Serristori Juni 8) in der Nacht vom 7. zum 8. questa mattina allo spuntar del sole abgereist, cavalcando a giornate sin a Ispruch, dove monterà su le poste, und der Marchese Marignano hatte Serristori erzählt „che la gita a S. S serve solo per sottoscrivere la capitulatione et declarar el tempo per quanto habbino a servir le sue genti et anco li denari“. Vgl. H. Baumgarten’s Kritik der Vigliusausgabe in Sybel’s Zeitschr. N. F. 5, 177, welche sonderbarerweise von Kannengiesser S. 214 ganz unberücksichtigt geblieben ist.

Zwischen dem Inhalt der beiden Urkunden ist, von dieser selbstverständlich verschiedenen Ausfertigung abgesehen, sonst noch der Unterschied, dass der § 11 in V. fehlt. Raynald und Kannengiesser aber, die denselben enthalten, haben im § 2 die Lesart „Giulio“, obgleich die Erläuterung, welche gerade zu dieser Stelle in jenem § 11 gegeben wird, bloss zu „Giugno“ passt, welches wiederum nur in V. steht. Wie ist das zu erklären, dass der Kaiser am 6. Juni eine Urkunde unterzeichnete, in welcher der laufende Monat als „Giugno prossimo futuro“ bezeichnet wird, ohne dass dazu in dem weiteren Texte eine Erläuterung gegeben ist, während sowohl bei Raynald’s als bei Kannengiesser’s Vorlage gerade die Veränderung des einen Wortes erfolgt ist, durch welche eigentlich der ganze bei ihnen, und nur bei ihnen vorhandene § 11 überflüssig wird? Da der Vertrag nicht in der Weise zu Stande kam, dass die beiden räumlich getrennten Contrahenten ein und dasselbe Actenstück unterzeichneten, sondern durch die Ausfertigung und gegenseitige Uebergabe zweier in den Formalien verschiedener Urkunden, so würde auch die Vermuthung, dass man jede Veränderung des einmal aufgestellten Textes habe vermeiden wollen, eigentlich nicht von durchschlagender Bedeutung [416] sein. Und doch spricht für die Einhaltung dieses Gesichtspunktes auch der Umstand, dass in St. die künftige Einwilligung des Consistoriums der Cardinäle ebenso vorbehalten wird, wie in V., obschon inzwischen am 22. Juni die Genehmigung erfolgt war. Sie erfolgte am Dienstag, 22. Juni, wie Cardinal Farnese am folgenden Tage schreibt, in einer Generalcongregation, „per non esser giorno di consistorio“[WS 2]; B. Maffeo spricht ebenfalls von einer brava congregatione in S. Marco, Leva IV, 67, am 3. Juli indessen in dem Briefe an Poggio spricht Farnese von einem Consistorium. Vgl. Hinschius Kirchenrecht I, 364 fg. Am 23. Juni schrieb Farnese den Legaten: „La capitulatione non è firmata per ancora da S. S, et però non ne mando copia.“ Es scheint sonach, als habe man noch in den letzten Tagen an dem Texte herumändern wollen, wie dies in sehr wesentlichem Masse früher der Fall gewesen war.

Die Möglichkeit die Textentwicklung einigermassen zu verfolgen bietet uns das folgende Schriftstück:


Entwurf zu einem Vertrage zwischen Papst Paul III. und Kaiser Karl V. [etwa 1545 Ende August].

Aus den Cervinopapieren im Florentiner Staatsarchiv 28, 2. Die Abschrift ist vielleicht von Elio’s Hand.
In Trient, Stadtbibliothek 4228/137 dasselbe Stück.
In Simancas leg. 872/117 befindet sich ein Text, aus welchem M. Heine die beiden §§ 2 u. 3 in übereinstimmender Fassung mittheilt.

§ 1. „Trovandosi la Germania da molti anni in quà perturbata et vessata dalle heresie, donde le sono seguiti et seguono infiniti danni et calamità, con periculo della totale sua destruttione et rovina, et riuscendo vana la speranza che si è havuta insino a qui, di potere riunire et quietare quella provintia per mezzo del concilio universale già convocato in Trento per questo conto, recusando li protestanti et Smalcadiani, come fanno espressamente, di intervenire et sottomettersi alle determinationi di esso concilio, è parso alla M Ces., come a catholico principe, di non differire più ad adoperare le forze contra di loro, per ridurli alla vera strada. Al qual effetto essendo resoluta S. M. di fare l’anno a venire a tempo novo impresa di arme contra di loro, et havendo trovato in S. S volontà prontissima di concorrere seco a tale impresa, si sono contentate l’una et l’altra, in maggiore testimonio di questo loro animo, di fermare la infrascritta capitulatione, ad honore di Dio, et benefitio publico della Christianità, et della Germania in particolari, promettendosi et obligandosi S. S. et S. M., l’una all’ altra in ogni migliore forma et modo, a quanto si dirà appresso:

[417] § 2–3. Che la M. Ces. debba al detto tempo[TK 1] pigliare la impresa contro di protestanti o Smalcadini et qualunche altra sorte de heretici di Germania con ogni suo sforzo et potere, acciochè tornino con efeto alla vera religione et obedientia della sede apostolica, nè possa S. M fare con loro apuntamiento o concordia di qualunche sorte, nè concedere o permettere cosa alcuna contro li ordini et constitutioni della chiesa catolica, o per via di dieta o per qualunche altra, senza espresso consenso et voluntà di S. Beat. o del legato apostolico.

§ 4. Che sua S sia tenuta intra il termine di un mese dal giorno che questa capitulatione sarà fermata, mettere in deposito scudi cento mila d’oro in Venetia, li quali insieme con li altri cento mila che sono depositati in Augusta habbino ad essere spesi in benefitio della impresa sopradetta.

§ 5. Che S. S debba per la medesima impresa mandare et tenere pagati per quatro mesi[1] 12M fanti Italiani et cinquecento cavalli leggieri a tutto sua spesa, et con essi, oltre alli capitani di guerra che saranno necessarii, un legato apostolico che li conduca et intervenga personalmente all’ impresa.

§ 6. Che S. S conceda alla M Ces. di poter riscuotere dalle chiese et beneficii di Spagna la metà de frutti d’uno anno, nella forma et modo solito di concedersi l’altre volte.

§ 7. Che S. S permetta che delli vasall(aggi) de monasterii di Spagna si stenda sino alla somma di 500,000 scudi, i qualli habbino a convertirsi in uso di essa impresa, dandosi da S. M alli monasterii equale ricompensa di entrate di quelle venderanno, in tante rendite perpetue di terze[TK 2], la quale concessione, per esser nuova et importante, habbia da farsi con le moderationi et circostanze et in quella forma et modo che a S.S parerà oportuno, pur’che la venditione si faccia insino alla somma di 500,000 scudi.

Che la sopradetta somma di 200,000 scudi che si metteranno in deposito, et tutti li altri danari che si ritraranno de’ mezzi-frutti delle chiese et beneficii di Spagna, o della venditione de vasallaggi de monasterii non habbino nè possino essere spesi da S. M o suoi ministri, nè in tutto nè in parte, in alcun altro uso che della impresa già detta, la quale non si facendo per qualunque caso o impedimento si sia questa estate futura, S. S possa levare liberi 200000 scudi del deposito, et li danari che fussero riscossi de mezzi-frutti [418] si habbino a restituir alle chiese et beneficii, senza che si proceda più innanzi nella essattione, et li vasallaggi ben’ si debbiano ritornare alli monasterii nel modo dep – – – –[?], come se la concessione di essi et venditione non fusse stata fatta.

§ 8. Che, accadendo che alcuno principe o potentato, senza haverne legitima causa si movesse a molestare le cose di S. S o di S. M nel tempo che durerà la detta impresa, ad’ effetto di perturbarla et impedirla, in tale caso debba l’una et l’altra di loro risentirsi unitamente con tutti li modi debiti, per ovviare che tale perturbatione et impedimento non habbia a ritardare il progresso dell’ impresa et il suo felice successo. La qual obligatione di S. S et di S. M se intende haver luogo per tutto il tempo che durerà la impresa predetta. Et quanto all’ essere legitima o non legitima la causa delle molestie, se ne debba stare a giuditio di S. S.

Die Andeutungen, welche wir in den Quellen finden, machen es wahrscheinlich, dass der erste Text der Capitulation am päpstlichen Hoflager während Andelot’s dortiger Anwesenheit entworfen wurde. Andelot hatte die Forderung des Kaisers überbracht, es möge eine Capitulation abgefasst werden[2]. Bis dahin waren auch schon Verhandlungen über die gegenseitigen Zugeständnisse gepflogen worden, ohne dass aber die Form gewählt worden wäre; in der Instruction für Andelot[3] bezieht sich der Kaiser auf einen Befehl an seinen ständigen Gesandten in Rom, Vega, „de assegurar por parte del Cesar a su Sad, de no tratar ni hazer cosa tocante a la fè sin su expresso consentimiento“ und damit stimmt Farnese’s Behauptung überein, Andelot habe Namens des Kaisers zugestanden[4], der Kaiser wolle „non concordare o permettere a Luterani cosa alcuna che tocchi la religione senza expresso consenso di S. S“. Diese Bestimmung bespricht Soto in seinem Gutachten, als sie aber schon eine schärfere Fassung erhalten hatte. Soto[5] citirt: „no puede tratar con ellos nada de lo que toca a fee y constituciones de la yglesia, sin expreso consentimiento del papa o de su legado“. Gegenüber dem allgemeineren früher gewählten Ausdruck „religione“ finden wir in den beiden uns erhaltenen Fassungen der Capitulation genauere Bestimmungen; unzweifelhaft auf das Verlangen der Curie hin sind die „ordini et constitutioni della chiesa cattolica“ an Stelle des nicht juristisch greifbaren Begriffs „religione“ getreten, später wurde aber dann der Ausdruck „religione o constitutione della chiesa“ gewählt und in den [419] endgültigen Vertrag gesetzt. Diese Fassung scheint der Beichtvater Soto vor sich gehabt zu haben. Unerklärt bleibt dabei, wie derselbe hier den allgemeineren, aber dem Kaiser doch unbequemeren Ausdruck „tocar“ braucht, welcher in dem Vertrag durch die Beschränkung auf das mit der Religion und dem Kirchenrecht geradezu im Widerspruch Stehende gemildert worden war, während er kurz nachher auch auf diese Wendung Bezug nimmt.

Die oben mitgetheilte Fassung möchte ich für diejenige halten, welche Andelot bei seiner Abreise von dem damals auf der Reise befindlichen päpstlichen Hoflager mitnahm, um sie dem Kaiser vorzulegen[6]. Es ist darin nicht mehr von dem Plane, den Krieg noch im Jahre 1545 zu unternehmen, die Rede. Der frühere Nuntius bei dem Kaiser, Mignanello, traf dann am Bolsenasee zu Capodimonte bei dem Papste ein am (11.) September, er brachte eine Anzahl von Erwägungen zu Papier, welche dem zum Kaiser am 13. September abreisenden Abgesandten Dandino nebst einer Abschrift[7] des Capitulationsentwurfes mitgegeben wurden. Dandino verhandelte über die Capitulation[8], aus dem Briefe des Kaisers vom 30. Januar sehen wir, dass von dem Verbot kaiserlicher Abmachungen, welche den Kriegszweck verzögern könnten, die Rede war, und die vom Kaiser gebrauchten Wendungen „directement ni indirectement“ deuten sicherlich darauf hin, dass man diese Punkte zu Papier gebracht hat. In dem Gutachten Soto’s hat schon die endgültige Fassung „ni la impida o retarde“ Berücksichtigung gefunden. Inzwischen war Marquina, der in Rom weitere Zugeständnisse erwirken sollte, zurückgekehrt, Karl V. zählt das Erreichte auf, aber eine Uebereinstimmung war auf diesem Grunde doch noch nicht erzielt. Noch am 1. Mai schrieb der Kaiser seinem Bruder: „y a aulcuns points ès articles que le pape veult avoir au traicté précisament.“ Man sieht, wie jedes Wort in dem Vertrage auf die Wagschale gelegt wurde, und wie dessen endgültige Fassung das Ergebniss gegenseitiger Compromisse ist.

A. v. Druffel.     

Textkritische Anmerkungen

  1. al-tempo nur in der Trienter Hs.
  2. Hs. terre vgl. Kannengiesser.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu die von Kannengiesser S. 218 übersehene Stelle Nr. 153 Anm. der Mon. Tridentina.
  2. Farnese an Verallo, Juli 19.
  3. Sandoval Buch XXVII, cap. 2.
  4. Mon. Trid. Nr. 163.
  5. Maurenbrecher S. 31*.
  6. Mignanello Oct. 3: „da mostrare a S. M“. Andelot kam Sept. 8 nach Trient.
  7. Mon. Trid. Nr. 194.
  8. Brief vom 10. Oct.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schlussätze
  2. Vorlage: Öffnendes Anführungszeichen fehlt.