Ueberfahrt nach England ohne Seekrankheit

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Textdaten
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Autor: A. Ruge
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Titel: Ueberfahrt nach England ohne Seekrankheit
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[018] Ueberfahrt nach England ohne Seekrankheit. Die Leser erinnern sich wohl, daß es im Werke war, einen großen Tunnel unter dem Canal hindurch nach Frankreich zu bauen und so dem Elend der Ueberfahrt auf Schiffen ein Ende zu machen, auch mercantilisch das Umladen der Waaren zu ersparen. Dies hübsche Project wurde auf zwanzig Millionen Pfund Sterling veranschlagt und scheiterte an diesem Sümmchen. Darauf kam der äußerst verständige Vorschlag des Herrn Fowler, eine Verbindung durch mächtige Dampffähren, welche gleich die ganzen Züge herüber und hinüber nähmen, herzustellen, und dem Schwanken bei bewegter See durch die Größe dieser Fähren selbst ein Ende zu machen. Es fehlte diesem Unternehmen nur noch die Genehmigung des Parlaments, und diese wurde im Oberhause versagt. An die Stelle dieser beiden Projecte ist nun ein drittes getreten, dem zwar die Beförderung ganzer Dampfzüge und der großartige Zweck, den Canal wesentlich durch Dampfwagenverbindung aufzuheben, fehlt, das aber doch die Seekrankheit ganz beseitigen will. Es handelt sich nämlich um die Anwendung der Bessemer’schen Erfindung eines hydraulischen Apparats, über den hier einiges angedeutet werden soll.

Es hat sich nämlich eine Gesellschaft gebildet, die zwei Dampfer nach der Zeichnung des Herrn E. I. Reed bauen will, welche als Passagierschiffe zwischen Dover oder Folkestone und Boulogne, Calais oder Ostende laufen sollen. Sie sind speciell auf Schnelligkeit und stetigen Gang angelegt. Ihr Tiefgang wird der nämliche sein, wie der, den die jetzigen Schiffe haben; sie werden also die beiderseitigen Häfen, wie sie jetzt sind, benutzen können. Aus einem Artikel in der nächsten Nummer der „Naval Science“, wo die ganze Frage hinsichtlich der Abstellung der Seekrankheit durch den Bessemer’schen Salon besprochen werden wird, sind wir im Stande folgende Beschreibung der Schiffe mitzutheilen: Sie haben zwei Schnäbel, das heißt, das Hintertheil ist nicht abgestumpft, und werden durch vier große Schaufelräder, an jeder Seite zwei, fortbewegt. Die Schnäbel sind niedrig gehalten, um die Bewegung zu vermindern, welche Wind und Wellen hervorbringen, und der mittlere Theil der Schiffe ist hoch genug, um sie in den Stand zu setzen, mit voller Schnelligkeit gegen die schlimmste See, der sie ausgesetzt sein könnten, zu fahren. Jeder Schnabel hat sein Steuerruder, und das Schiff kann also rückwärs und vorwärts gehen, ohne daß es sich im Hafen herumzudrehen braucht.

Die Haupteigenthümlichkeit dieser Schiffe besteht aber darin, daß jedes einen geräumigen Salon haben soll, welcher, nach dem Plane des Herrn Bessemer, in der Mitte des Schiffs so aufgehängt wird, daß er in einer Längenachse, die mit dem Kiel parallel läuft, bewegt werden kann. Die Bewegung dieses Salons, welche sich ergeben würde, wenn das Schiff in’s Schaukeln käme, wird gehemmt und beherrscht durch einen hydraulischen Apparat. Sie wird von einem einzigen Manne vollständig überwacht werden können. Diesem wird es obliegen, unter allen Umständen den Fußboden des Salons mit einer Wasserwage wagerecht zu erhalten.

Jedes dieser Dampfböte wird dreihundertfünfzig Fuß lang, vierzig Fuß über’s Deck und fünfundsechzig Fuß über die Räderkasten breit sein. Es wird sieben Fuß und sechs Zoll Tiefgang haben, also nicht mehr als die jetzigen Böte, und durch zwei Paar Maschinen, die zusammen viertausendsechshundert Pferdekraft haben, mit einer Schnelligkeit von zwanzig Meilen die Stunde fortbewegt werden. Die Mittelpunkte der beiden Paare von Schaufelrädern werden hundertsechs Fuß von einander entfernt sein.

Der Salon wird siebenzig Fuß lang und fünfunddreißig Fuß breit sein, bei einer Höhe von zwanzig Fuß. Er befindet sich, wie gesagt, in der Mitte des Schiffes. Seine großen Vorzüge sind: Welche Bewegung das Schiff in den Wellen auch annehmen mag – und bei seiner besondern Construction wird diese sehr gering sein –, der Salon muß in Wahrheit frei davon bleiben. Er befindet sich in der Mitte des Schiffs, der Länge und Breite nach, und die Achse seiner Schwingung liegt in einer Höhe, wo die wenigste Bewegung stattfindet. Auch das Aufstoßen des Schiffes wird man in dem Salon nicht gewahr werden, denn die Form des Schiffes ist von der Art, daß die See im Canal von Dover nicht im Stande ist, seine Spitzen bedeutend zu erheben, und selbst die geringe Wirkung, welche auf die Spitzen des Schiffs hervorgebracht werden kann, wird am Ende des Salons um ein Siebentel reducirt sein. Auch das Schaukeln des Schiffs von einer Seite zur andern kann bei seiner Construction nur gering sein; aber auch dies geringe Schwanken wird sich dem Salon nicht mittheilen, denn die vollkommne Wirksamkeit des Bessemer’schen hydraulischen Apparats steht fest und ist nicht mehr die Sache bloßer Vermuthung.

So scheint wirklich alle Aussicht zu sein, daß man auf diesen Dampfböten ohne die Möglichkeit der Seekrankheit über den Canal fahren kann.

A. Ruge.