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Unser Briefpapier

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Paul von Schönthan
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Titel: Unser Briefpapier
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 83–84
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[83] Unser Briefpapier. Unübersehbar sind die Stadien der Verfeinerung und Vervollkommnung, welche das Papier von ersten Anfängen bis auf den heutigen Tag durchgemacht hat; besonders gilt dies von den Papieren, auf welchen wir unsere Privatkorrespondenz besorgen. Noch vor 20 oder 25 Jahren war der Luxus auf diesem Gebiet ein unbekanntes Ding. Wer sich einer besonders eleganten Papiersorte bedienen wollte, der wählte das aus der englischen Stadt Bath stammende Papier, welches oben in der Ecke links den Hochdruckstempel „Bath“ trug.

In den sechziger Jahren begann man in Wien – von dort ging der Anstoß zur Verfeinerung der Papiere aus – diesen Stempel durch verschlungene Buchstaben, „Monogramme“, zu ersetzen, die zunächst farblos und unansehnlich waren, mit der Zeit aber an Ausdehnung gewannen, so daß sie zuletzt sich über die ganze Höhe des Blattes ausdehnten. Auf das Monogramm folgten geprägte Darstellungen der verschiedensten Art, für alle Lebensverhältnisse und Situationen passend. Den Beginn machten Veilchen, Nachtschatten, Alpenrosen, Edelweiß; dann kam das Schwalbenpapier in die Mode, das Papier mit den aufgedruckten Sinnsprüchen; sogar ein Notenpapier, welches links oben Liederanfänge trug, tauchte auf.

Der Erfindung war ein unbegrenztes Feld eröffnet; der Sportfreund, der Reiter, der Jäger, der Ruderer, der Schöngeist, der Gelehrte, Alle fanden Briefpapiere mit entsprechenden Sinnbildern. Nicht minder verschieden wären die Formate, die nun entstanden: winzig kleine Blättchen wechselten mit Großoktav ab; dann war das Format langgeschnitten oder gar dreieckig; dieselbe Mannigfaltigkeit stellte sich bei der Wahl der Farbe heraus, [84] die vom Zartgrau alle Nüancen durchmachte, bis zum Feuerroth. Die Anstrengungen der Fabrikanten Neues zu bieten und Moden hervorzurufen, haben naturgemäß zu einer Ausartung geführt, und die Schaufenster großstädtischer Papiergeschäfte liefern die überraschendsten Beweise für die Verirrungen und Geschmacklosigkeiten, welche der Briefpapierluxus verschuldet hat.

Als Muster dafür mag das Papier gelten, welches oben in der Ecke einen Tintenklecks mit der Unterschrift „O wie fatal!“ trägt, oder das „Ausgegrabene Papier“, dem künstlich das Ansehen des Alterthums verliehen wurde. Ganz unsinnige Einfälle sehen wir hier verkörpert. Es giebt Papier mit „angebrannten Rändern“, von „Mäusen angenagtes“, das heißt künstlich an den Kanten zerfasertes Briefpapier, und solches, welches dem Leder, einer Schlangenhaut, Kattunstoff und Seide gleicht. Dabei hat man die unmöglichsten Farben zu Hilfe genommen; die Monogramme waren bald nicht mehr auffallend genug; man nahm zu ganzen Namen seine Zuflucht; man klebte natürliche Blumen auf und bunte Federchen, überzog das ganze Papier mit einem mattgedruckten bunten Dessin, vergoldete die Ränder – kurz jede, auch die excentrischste Idee wurde aufgegriffen und ausgeführt. Dahin gehört auch das sogenannte „Machdi-Papier“, dessen grellrothe Farbe das Auge beleidigt; wie soll man darauf mit schwarzer Tinte Geschriebenes lesen?

Aber wenn man von diesen lächerlichen Moden absieht, muß man zugeben, daß diese neue Industrie auch sehr Liebenswürdiges und Hübsches hervorgebracht hat. Trotz alledem ist dem vollkommen weißen, unbedruckten Briefpapier von nicht zu dünner Sorte, so daß die Schrift nicht durchscheint, und welches nicht sogleich zerreißt, der Vorzug zu geben. Das Monogramm, schwarz oder in matten Farben oder auch in Gold aufgedruckt, darf man füglich gelten lassen, alles Uebrige ist Spielerei und durchaus nicht „chic“. Paul von Schönthan.