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Vom Nordpol bis zum Aequator/Bilder aus dem Affenleben

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Alfred Brehm
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Titel: Bilder aus dem Affenleben
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, 13, 16, 23, S. 208–210, 230–231, 280–283, 398–400
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[208]

Vom Nordpol bis zum Aequator.

Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm.
2. 0Bilder aus dem Affenleben.
I.0 Die Affenfamilie.

Scheich Kemál el Din Demiri, ein gelehrter Araber, welcher um das Jahr 1405 unserer Zeitrechnung zu Damaskus starb, erzählt in dem von ihm verfaßten Buche „Heiát el Heiwán“ oder „Leben der Thiere“, auf einen Ausspruch des Propheten sich stützend, folgende wundersame Geschichte:

„Lange bevor Mohamed, der Prophet und Gesandte Gottes des Allbarmherzigen, des Glaubens Licht entzündet hatte, viel früher noch, ehe Issa oder Jesus von Nazareth gelebt und gelehrt, bewohnte die Stadt Aila am Rothen Meere eine zahlreiche Bevölkerung jüdischen Glaubens. Sie aber bestand aus Sündern und Ungerechten vor dem Auge des Herrn, denn sie entheiligte fortdauernd den geweiheten Tag des Allerbarmers, den Sabbath. Vergeblich warnten fromme und weise Männer die sündigen Bewohner der gottlosen Stadt. Diese frevelten nach wie vor an dem Gebote des Höchsten. Da verließen die Warner die Stätte des Unheils, schüttelten den Staub von ihren Füßen und beschlossen, anderswo Elohim zu dienen. Heimweh aber und Sehnsucht nach ihren Angehörigen trieb sie nach Verlauf dreier Tage zurück nach Aila. Hier bot sich ihnen ein wunderbarer Anblick. Die Thore der Stadt waren verschlossen, die Zinnen der Mauern jedoch unbesetzt, so daß jenen unverwehrt blieb, die Mauern zu übersteigen. Aber auch die Straßen und Plätze der unglückseligen Stadt waren menschenleer. Da, wo sonst das lebendige Getriebe gewogt und gefluthet, wo Käufer und Verkäufer, Priester und Beamte, Handwerker und Fischer in buntem Gewimmel sich bewegt, saßen und hockten, liefen und kletterten riesige Paviane, und aus den Erkern und Fenstern, von den Söllern und Dächern, woselbst einst dunkeläugige Frauen geweilt, blickten Pavianinnen auf die Straßen hernieder. Und alle, die riesigen Affen wie die schmucken Aeffinnen, waren traurig und bestürzt, schaueten trübselig auf die heimgekehrten Pilger, schmiegten sich bittend und flehend an sie und stöhnten klagend. Staunend und grübelnd betrachteten die frommen Waller das unheimliche Wunder, bis einem von ihnen der trostlose Gedanke kam, daß Paviane und Pavianinnen vielleicht gar ihre früheren, nunmehr zu Thieren herabgesetzten Verwandten sein möchten. Um sich zu vergewissern, ging der weise Mann stracks zu seinem Hause. In der Thür desselben saß ebenfalls ein Pavian; der aber senkte beim Erscheinen des Gerechten schmerz- und schamvoll die Augen zu Boden. ,Sage mir, bei Allah dem Allbarmherzigen, o Pavian,‘ so frug der Weise den Affen, ,bist Du mein Schwiegersohn Ibrahim?‘ Und traurig antwortete der Pavian: ,Ewa, ewa,‘ – ja ich bin es. Da schwand dem Frommen jeglicher Zweifel, und er erkannte bekümmerten Herzens, daß ein schweres Strafgericht Gottes gewaltet, daß die ruchlosen Sabbathschänder aus Menschen zu Affen gewandelt worden waren.“

Scheich Kemál el Din wagt zwar an diesem Wunder nicht zu zweifeln, kann aber, als denkender Mann, nicht umhin, die Meinung auszusprechen, daß vielleicht doch früher als Juden Paviane gelebt haben dürfen.

Wir unsererseits schließen uns, so hübsch erdacht und erzählt jene Geschichte auch ist, dieser Auffassung um so eher an, als die Affen, mit denen es die frommen Eiferer Ailas zu thun gehabt haben konnten, alte gute Bekannte von uns sind. Denn in Arabien hausen einzig und allein Mantelpaviane; einen derselben, den Hamadryas, aber finden wir bereits auf sehr alten ägyptischen Denkmälern vortrefflich abgebildet, und die Haartracht der Mantelpaviane ist es, welche den alten Aegyptern so auffallend erschien, daß sie dieselbe als Vorbild wählten und ihren Sphinxen gaben, ebenso wie sie heutigen Tages noch als Muster für den Haarputz den dunklen Schönen Ostsudans dient. Der Mantelpavian nämlich spielt in der altägyptischen Götterlehre eine sehr bedeutsame Rolle, wie wir dies unter Anderem aus dem Werke des Hieroglyphenerklärers Horapollen erfahren. Diesem zufolge wurde der Affe in den Tempeln gehalten und nach seinem Tode einbalsamirt. Er galt als Erfinder der Schrift und daher ebenso wohl als ein dem Urheber aller Wissenschaft, Thoth oder Merkur, geheiligtes Wesen, wie als naher Verwandter der ägyptischen Priester, wurde auch bei seinem feierlichen Einzuge in das Heiligthum jedesmal einer Prüfung unterworfen, indem ihm der Oberpriester Schreibtafel, Tinte und Feder in die Hand drückte und ihn aufforderte zu schreiben, damit man erkennen möge, ob er der Aufnahme würdig sei oder nicht; von ihm behauptete man, daß er in geheimnißvoller Beziehung zum Monde stehe, beziehentlich, daß letzterer einen ungewöhnlichen Einfluß auf ihn übe; ihm schrieb man endlich die Fähigkeit zu, die Zeit in so ersichtlicher Weise einzutheilen, daß Trismegistus, „der dreimal erhabene“ Thoth, nach dem Beispiele und Vorbilde seines Thuns Wasseruhren angefertigt haben soll, welche wie er Tag und Nacht in je zwölf gleiche Abschnitte theilten. Somit danken mittelbar auch wir diesem Affen nicht allein die Schrift, sondern ebenso unsere Eintheilung der Zeit.

Es ist beachtenswerth, daß die alten Aegypter wohl ihre und des Affen Verwandtschaft für wahrscheinlich erachten, nicht aber ihre Abstammung von dem Affen als möglich erscheinen lassen. Einer derartigen Auffassung des Verwandtschaftsgrades zwischen Mensch und Affe begegnen wir zuerst bei den Indern. Unter ihnen herrscht seit uralter Zeit und noch heutigen Tages der Glaube, daß wenigstens einige Königsfamilien von einem in Indien heilig gehaltenen, in gewissem Sinne sogar als Gottheit angesehenen Schlankaffen, dem Hulman abstammen, und daß die Seelen abgeschiedener Könige in den Leib dieses Affen zurückkehren. Eine der regierenden Familien rühmt sich dieser Abkunft durch die in ihren Titel aufgenommene Ehrbezeichnung „geschwänzte Rana“ in besonders hervorragender Weise.

Aehnliche Ansichten, wie die Inder sie hegen, sind in neuerer Zeit bekanntlich auch unter uns geltend gemacht worden, und die Affenfrage, wie ich kurz, jedoch wohl allgemein verständlich, mich ausdrücken will, hat deßhalb viel Staub aufgewirbelt. Wissenschaftliche, für die Allgemeinheit zunächst bedeutungslose Erörterungen haben ebenso heiligen Zorn zu lodernden Flammen entfacht, wie ernstere Forscher in zwei verschiedene Lager getheilt und zu eifriger Verfechtung des Für und Wider begeistert. Wissenschaftlicher Forschung gänzlich fernstehende Elemente haben den Kampf aufgenommen, ohne zu wissen oder auch nur zu ahnen, um welches Ziel er eigentlich geführt wird, ihn sogar in Schichten getragen, in denen er nur Unheil stiften kann, und dadurch Verwirrung geschaffen, welche sich schwerlich so leicht lösen dürfte. Ueber die Affen zu reden ist nach alldem ein bedenkliches Unterfangen geworden, weil man, sie behandelnd, fortwährend Gefahr läuft, entweder den geträumten Urahn hwrabzusetzen, oder durch ihn den vermeintlichen Nachkommen zu beleidigen – ganz abgesehen von unausbleiblichen Schmähungen erbärmlichster Art, mit denen ungesittete, blindwüthend gegen das Zeitbewußtsein kämpfende Eiferer Jeden überschütten, welcher das Wort Affe auszusprechen wagt. Gleichwohl wird die Affenfrage zunächst noch nicht von der Tagesordnung verschwinden; denn diese Thiere, welche offenbar unsere nächsten Verwandten im Thierreiche darstellen, sind viel zu sehr unserer Theilnahme werth, als daß wir uns durch Hemmnisse, wie erwähnt, abhalten lassen sollten, sie und ihr Leben fernerhin zu erforschen, mit uns selbst und unserem Thun und Treiben zu vergleichen und damit nicht allein ihre Kunde, sondern auch die des Menschen zu fördern.

Ein Beitrag hierzu soll das Folgende sein.

Mit kurzen, gedrängten Worten ein allgemeines Lebensbild – und auf ein solches will ich mich beschränken – der so verschiedenartigen Thiere zu geben, ist schwierig. Sie bewohnen in etwa vier-, jedenfalls erheblich mehr als dreihundert Arten alle Erdtheile, mit alleiniger Ausnahme Australiens, insbesondere die Länder zwischen den Wendekreisen. In Amerika erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet vom 28. Grade südlicher Breite bis zum Antillenmeere; in Afrika reicht es vom 35. Grade bis zur Meerenge von Gibraltar, in Asien von den Sunda- bis zu den japanischen Inseln; in Europa beschränkt sich ihr Vorkommen auf den Felsen [209] von Gibraltar, woselbst seit nicht nachweisbaren Zeiten, gegenwärtig von der Besatzung der Feste gehegt und geschont, ein aus mehr als zwanzig Stück bestehender Trupp Magots oder Stummelmakaken sein Dasein fristet. Wälder und Felsengebirge, in denen sie bis zu dritthalbtausend Meter unbedingter Höhe emporsteigen, bilden ihren Aufenthalt. Hier wie dort hausen sie, wenige Arten ausgenommen, jahraus, jahrein, tragen aber dem Wechsel der Jahreszeiten in so fern Rechnung, als sie im Walde den reifenden Früchten zu Liebe mehr oder minder ausgedehnte Wanderungen unternehmen oder in den Gebirgen mit Beginn der warmen Jahreszeit aufwärts, mit Eintritt der kalten abwärts steigen; denn sie lieben, obschon man sie selbst in verschneiten Gegenden noch antrifft, die Wärme ebenso wie einen reichlich und mannigfaltig beschickten Tisch. Etwas zu beißen und zu knacken muß es da, wo sie bleibend oder für längere Zeit sich ansiedeln sollen, jedenfalls geben; sonst wandern sie aus. Waldungen in der Nähe menschlicher Siedelungen erscheinen ihnen als Paradiese; der verbotene Baum in ihnen kümmert sie nicht. Mais- und Zuckerrohrfelder, Obst-, Bananen-, Pisang- und Melonenpflanzungen betrachten sie als ihnen erb- und eigenthümliche Weidegebiete: Ortschaften, in denen frommer Wahn der Bevölkerung sie schützt, gelten ihnen ebenfalls als recht angenehme Wohnsitze.

Eine Familie der Mantelpaviane (Dschelada). Von Fr. Specht.

Alle Affen, die sogenannten Menschenaffen vielleicht ausgenommen, leben in Banden von bisweilen sehr erheblicher Stärke, denen ein altes Männchen als Führer vorsteht. Zu solcher Würde erhebt die wohl oder übel allseitig anerkannte Befähigung des Inhabers: die stärksten Arme und die längsten Zähne entscheiden. Während bei Säugethieren, unter denen ein weibliches Mitglied die Führung übernimmt, jedes andere Zugehörige der Herde willig folgt, erzwingt der Leitaffe, als Selbstherrscher und Alleingebieter der schlimmsten Art, unbedingten Gehorsam. Wer sich nicht gutwillig unterordnen will, wird durch Bisse, Kniffe und Püffe zur Pflicht geführt. Der Leitaffe verlangt sklavische Unterwerfung von allen übrigen Affen und ebenso von den Aeffinnen seiner Herde. Ritterliche Artigkeit gegen das schwächere Geschlecht übt er nicht: „Im Sturm erringt er der Minne Sold“. Seine Zucht ist streng, sein Wille unbeugsam. Kein Affenjüngling darf sich unterstehen, mit einer Aeffin seiner Bande zu liebeln, keine Aeffin sich erdreisten, außer ihm einem anderen Affen Huld zu gewähren. Er selbst herrscht unbeschränkt über seinen Harem, und sein Geschlecht mehrt sich wie der Sand am Meere. Wird die Herde zu zahlreich, so sondert sich unter Leitung eines inzwischen erstarkten Mitaffen ein Trupp von ihr ab, um eine eigene Gemeinschaft zu bilden. Bis dahin wird jener allgemein geachtet und ebenso geehrt als gefürchtet. Alte geprüfte Affenmütter wie junge, im Backfischalter stehende Aeffinnen bestreben sich ihm zu schmeicheln, beeifern sich namentlich, ihm die höchste Gunst, welche ein Affe dem andern gewähren kann, fortwährend zu spenden, indem sie mit Ernst sich bemühen, sein Haarkleid von allen nicht zu ihm gehörigen Dingen und Wesen zu säubern. Er seinerseits läßt sich solche Huldigung gefallen mit dem Anstande eines Pascha, dem seine Lieblingssklavin die Füße kraut. Die Achtung, welche er sich zu verschaffen wußte, verleiht ihm Sicherheit und Würde im Auftreten, der Kampf, welchen er trotz alledem beständig zu bestehen hat, Wachsamkeit, Muth und Selbstbewußtsein, die Nothwendigkeit, seine Herrschaft zu erhalten, Umsicht, List und Verschlagenheit. Indem er diese Eigenschaften, zunächst wohl zum eigenen Besten, verwerthet, nützt er aber auch der Gesammtheit, [210] und seine schrankenlose Herrschaft erhält hierdurch Berechtigung und Bestand. Von ihm regiert und gelenkt, führt die Bande, wie heftige Stürme auch in ihrem Innern toben mögen, ein nach außen hin sehr gesichertes und daher behagliches Leben.

Alle Affen, mit Ausnahme der wenigen Nachtaffen, wirken bei Tage und ruhen bei Nacht. Erst geraume Zeit, nachdem die Sonne aufgegangen, ermuntern sie sich vom Schlafe. Ihr erstes Geschäft ist, sich zu sonnen und zu putzen. War die Nacht kalt und unbehaglich, so versuchten sie zwar dadurch, daß sie sich in Haufen zusammendrängten, ja sogar förmliche Klumpen bildeten, ihre unerquickliche Lage zu verbessern, frösteln am Morgen aber doch noch so, daß ihnen eine länger währende Besonnung durchaus geboten erscheint. Sobald der Nachtthau abgetrocknet ist, verlassen sie ihre Schlafplätze, klettern langsam zu den höchsten Spitzen der Baumwipfel oder Felsenzacken empor, erwählen einen den Sonnenstrahlen zugänglichen Sitz und kehren nun, auf letzterem gemächlich sich drehend und wendend, nach und nach alle Theile ihres Leibes der Sonne zu. Ist der Pelz abgetrocknet und gehörig durchwärmt, so regt sich das Verlangen, ihn gereinigt zu sehen, und jeder giebt sich nun diesem Geschäfte mit Eifer und Sorgfalt hin oder verlangt und empfängt von einem seines Gleichen solches bezweckenden Liebesdienst ebenso, wie er stets geneigt ist, ihn zu gewähren.

Nachdem das Haarkleid gereinigt, nöthigenfalls sogar gestrählt worden ist, macht sich die Sorge ums Frühstück geltend. Sie ist aus dem Grunde nicht beschwerend, weil den Affen alles Genießbare mundet und das Thierreich wie das Pflanzenreich ihnen zollen muß. Waldungen wie Berggelände bieten Früchte, Blatt- Und Blüthenknospen, Vogelnester mit Eiern oder junger Brut, Schnecken und Kerfe, Gärten Obst und Gemüse, Felder Getreide und Hülsenfrüchte. Hier wird eine reifende Aehre gebrochen, dort eine saftige Frucht gepflückt, in der Höhe ein Vogelnest ausgeplündert, auf dem Boden ein Stein umgewendet, in der Siedelung ein Garten gebrandschatzt oder ein Feld beraubt und überall etwas mitgenommen. Jeder einzelne Affe verwüstet, falls er dazu Zeit hat, zehnmal mehr, als er verbraucht, und kann aus diesem Grunde den Landwirth wie den Gärtner oder Obstzüchter empfindlich schädigen. Bei Beginn des Raubzuges sucht jeder für alle Fälle sich zu sichern und verzehrt fast ohne Wahl, was er erlangt, stopft auch, wenn er Backentaschen besitzt, zunächst diese so voll, als irgend möglich; sobald er aber dem ersten und dringendsten Bedürfnisse genügt hat, wählt und mäkelt er in maßloser Weise, indem er alles gepflückte Obst, jede gebrochene Aehre erst sorgsam untersucht, beriecht und beschaut, bevor er genießt, in den meisten Fällen aber das eine wie das andere achtlos wegwirft, um nach anderer Atzung zu greifen und ebenso zu verfahren wie vorher. „Wir säen und die Affen ernten,“ klagten mir die Bewohner Ost-Sudans mit vollstem Rechte. Gegen derartige Diebe schützt weder Hag noch Mauer, weder Schloß noch Riegel: sie übersteigen jene und öffnen diese; und was nicht gefressen werden kann, wird wenigstens mitgenommen. Es ist lustig und leidvoll zugleich, ihnen zuzuschauen; denn wie in ihrem Wesen überhaupt, paart sich auch jetzt Dreistigkeit und Verschlagenheit, Uebermuth und Schlauheit, Genußsucht und Vorsicht, ebenso freilich auch List und Tücke, Frechheit und Böswilligkeit. Alle ihnen eigenen Kunstfertigkeiten gelangen um so mehr zur Geltung, je gefährlicher das Unternehmen erscheint. Es wird gelaufen, geklettert, gesprungen, im Nothfalle auch geschwommen, um jedes Hemmniß wegzuräumen, immer und unter allen Umständen aber die eigene Sicherung niemals außer Acht gelassen. Der Leitaffe zieht stets voran, lockt, ruft, mahnt, warnt, zetert, schilt und straft, je nach Befinden; die Herde folgt und gehorcht, ohne jedoch jemals ganz zu vertrauen. Bei Gefahr denkt jedes Mitglied der Bande zunächst an die eigene Sicherung und findet sich erst später wieder bei dem Leitaffen ein; nur die Mütter, welche Kinder an der Brust oder auf dem Rücken tragen, machen hiervon eine Ausnahme, indem sie um deren Schicksal besorgter sind oder doch zu sein scheinen, als um ihr eigenes.

Die Affenjungen, von denen die meisten Arten gleichzeitig nur eins gebären, kommen zwar als wohlentwickelte Wesen, daher auch mit offenen Augen, zur Welt, sind aber nach unseren Begriffen überaus häßliche und trotz verhältnißmäßig weit vorgeschrittener Entwickelung ziemlich hilflose Geschöpfe. Häßlich erscheinen sie uns, weil ihre faltigen Gesichter mit den lebhaften Augen einen greisenhaften Ausdruck haben und ihr noch spärliches Haarkleid die ohnehin sehr bedeutende Länge ihrer Vorderglieder gleichsam noch verzerrt; als unbehilflich erweisen sie sich, weil sie von diesen Gliedern keinen anderen Gebrauch zu machen wissen, als sich an die Brust der Mutter zu heften. Hier hängen sie, mit Armen und Händen den Hals, mit Beinen und Füßen die Weichen der Mutter umklammernd, wochenlang, ohne ersichtlich mehr als den Kopf zu bewegen, gestatten daher der Mutter, ohne irgendwie gewichtige Belästigung gewohnten Geschäften nachzugehen und nach wie vor auf den halsbrechendsten Pfaden zu wandeln oder die kühnsten Sprünge auszuführen. Erst nach Ablauf geraumer Zeit, selten früher als nach Monatsfrist, beginnen sie, einzelne Bewegungen zu versuchen, benehmen sich dabei jedoch so ungeschickt, daß sie eher zum Mitleide als zum Lachen reizen. Diese Wechselbälge aber werden, vielleicht gerade ihrer Hilflosigkeit halber, von ihren Müttern mit solcher Zärtlichkeit betrachtet und behandelt, daß der Ausdruck „Affenliebe“ durchaus richtig erscheinen muß. Jede Affenmutter macht sich beständig mit ihrem Sprößlinge zu schaffen. Bald leckt sie ihn, bald reinigt sie sein Fell, bald legt sie ihn an die Brust, bald nimmt sie ihn in beide Hände, als wolle sie ihn einwiegen. Sieht sie sich beobachtet, so kehrt sie sich ab, als wolle sie andern Wesen den Anblick ihres Lieblings mißgönnen. Ist dieser älter und beweglicher geworden, so erhält er zuweilen Erlaubniß, die Mutterbrust verlassen und mit anderen seines Gleichen spielen zu dürfen, bleibt aber in strenger Zucht und wird, wenn er nicht augenblicklich gehorcht, durch Püffe und Kniffe bestraft. Selbst auf die Nahrung erstreckt sich die Fürsorge der Mutter. So gierig diese sonst zu sein pflegt: mit ihrem Sprößlinge theilt sie jeden Bissen, duldet aber auch nicht, daß jener durch hastiges oder übermäßiges Fressen sich schade, und schreitet in solchen Fällen mütterlich verständig ein. Doch kommt es selten hierzu oder zu empfindlicher Bestrafung, denn das Affenjunge ist so gehorsam, daß es manchem Menschenkinde als Vorbild aufgestellt werden könnte.

Wahrhaft rührend geberdet sich die Mutter bei ersichtlichen Leiden, geradezu verzweifelnd beim Tode ihres Sprößlings. Stunden- und tagelang schleppt sie die kleine Leiche mit sich herum, verweigert fortan jede Nahrung, sitzt antheillos auf einer und derselben Stelle und härmt sich oft buchstäblich zu Tode. Das Affenkind dagegen ist so tiefen Gefühlen unzugänglich, auch besser bewahrt als andere Thiere, falls es seine Mutter verliert. Denn das erste beste Mitglied der Bande, gleichviel ob es männlichen oder weiblichen Geschlechtes ist, nimmt es in Pflege, stillt an ihm das allen Affen eigene heiße Verlangen, zu bemuttern, hätschelt es aufs Wärmste, geräth aber, des lieben Futters halber, leider oft in Zwiespalt mit seinem besseren Selbst und läßt ein Pflegekind, welches sich nicht bereits allein zu helfen weiß, erbärmlich kümmern, vielleicht sogar verkümmern.


[230]
II.0 Vom Affentalent.

Ueber die Begabungen der Affen etwas allgemein Gültiges zu sagen, ist schwierig, falls nicht unmöglich, weil jene ebenso verschieden sind wie diese selbst. Einzelne Züge ihrer Anlagen sind freilich gemeinsame; weitaus die meisten Eigenthümlichkeiten ihres Wesens weichen erheblich von einander ab. Eine Anlage, welche bei dem einen kaum bemerkbar ist, zeigt sich bei dem andern klar ausgesprochen; ein Zug, welcher hier deutlich hervortritt, wird dort vergeblich gesucht. Wohl aber läßt sich, wenn man die verschiedenen Familien, Sippen und Arten vergleichend in Betracht zieht, eine geradezu überraschende, weil von vorn herein nicht vermuthete Steigerung aller Begabungen und Anlagen wahrnehmen. Es ist lehrreich, so zu verfahren.

Als die am wenigsten entwickelten Glieder der Gesammtheit müssen uns die Krallen- oder Eichhornaffen, in Süd- und Mittelamerika lebende, kleine, zierliche Thiere, erscheinen. Sie haben zwar das regelrechte Gebiß der Hochthiere insgemein, tragen aber nur an den Daumenzehen platte, an allen übrigen Zehen und den Fingern dagegen schmale, lange Krallennägel, welche also ihre Hände und Füße, mindestens die ersteren, auf die Stufe der Pfoten stellen. Diesen äußerlichen Merkmalen entsprechen ihre Begabungen.

Das Affenthum, möchte man sagen, ist in ihnen noch nicht zur vollen Geltung gelangt. Wie durch Gestalt und Färbung erinnern sie auch durch ihre Haltung, ihr Auftreten, Wesen und Gebahren, selbst durch ihre Stimme, an die Nager. Sie sitzen selten aufrecht, wie andere Affen, höchstens so wie Eichhörnchen, stehen vielmehr meist auf allen Vieren, bei flacher Haltung ihres Leibes, klettern auch nicht, mit Händen und Füßen Zweige umklammernd, frei und leicht, wie ihre Ordnungsgenossen, sondern, ihre Krallen einschlagend, klebend rutschend, wenn auch keineswegs langsam oder unbehend: genau so, wie die Nager thun. Gänzlich verschieden von der aller hochstehenden Affen ist ferner ihre Stimme, ein in hohen Tönen sich bewegendes Pfeifen, welches bald an Vogelgezwitscher, bald an das Piepen der Ratten und Mäuse, am meisten vielleicht an die Stimmlaute des Meerschweinchens erinnert. Ausgesprochen nagerhaft ist ihr Gebahren. Sie bekunden dieselbe Unruhe und Rastlosigkeit, dieselbe Neugier, Scheu und Aengstlichkeit, dieselbe Unflätigkeit wie Eichhörnchen. Ihr Köpfchen verharrt nur auf Augenblicke in derselben Stellung und Haltung, und die dunklen Augen richten sich bald auf diesen, bald auf jenen Gegenstand, immer aber mit Hast und offenbar mit wenig Verständniß, obschon sie klug in die Welt zu blicken scheinen. Alle Handlungen, welche sie verrichten, zeugen von geringer Ueberlegung. Gleichsam willenlos folgen sie den Eingebungen des Augenblicks, vergessen das, was sie eben beschäftigte, sobald ein neuer Gegenstand sie anregt, und zeigen sich dementsprechend ebenso wetterwendisch, wenn es sich um Aeußerungen ihres Behagens wie um solche ihres Mißfallens handelt. In diesem Augenblicke wohlgelaunt, anscheinend durchaus zufrieden mit ihrem Schicksale, glücklich vielleicht über ihnen von Freundeshand gespendete Liebkosungen, grinsen sie eine Sekunde später ihren Pfleger an, gebärden sich ängstlich, als ob es ihnen an Hals und Kragen ginge, fletschen die Zähne und versuchen zu beißen. Ebenso reiz- und erregbar wie Affen und Nager, ermangeln sie doch der Eigenart, welche jeder höherstehende Affe bekundet; denn der eine handelt genau wie der andere, gleichsam ohne Selbstbewußtsein, immer aber kleinlich. Sie besitzen alle Eigenschaften eines Feiglings: die klägliche Stimme, die Unwilligkeit, in Unvermeidliches sich zu fügen, die jammerhafte Hinnahme aller Ereignisse, die krankhafte Sucht, jede Handlung eines andern Geschöpfes mißtrauisch auf sich zu beziehen, das Bestreben, zu prahlen, während sie vermeintlicher oder wirklicher Gefahr aus dem Wege zu gehen trachten, die Unfähigkeit im Wollen wie im Vollbringen. Gerade weil sie so wenig Affe sind, werden sie von Frauen bevorzugt, von Männern mißachtet.

Auf wesentlich höherer Stufe stehen die ebenfalls in Amerika hausenden Breitnasen- oder Neuweltsaffen, obgleich auch in ihnen der wirkliche Affe noch nicht recht zur Geltung gelangt. Ihr Gebiß zählt in jeder Kinnlade einen Backzahn mehr als das der übrigen Hochthiere, daher nicht zwei-, sondern sechsunddreißig Zähne; ihre Finger und Zehen tragen sämmtlich platte Nägel; der Leib erscheint um so schmächtiger, als die Glieder regelmäßig sehr lang sind; der Schwanz dient bei vielen als kräftiges Greifwerkzeug. Bezeichnend für sie ist die Einseitigkeit ihrer Entwickelung. Wie die Krallenaffen ausschließlich Baumthiere, erscheinen sie uns ungeschickt, sogar tölpisch, sowie sie dem Gezweige der Bäume entzogen werden. Ihr Gang auf dem Boden ist äußerst unbeholfen, unsicher und schwankend, am unbeholfensten und schwankendsten bei denjenigen Arten, welche einen Wickelschwanz besitzen; aber auch ihr Klettern kommt dem der Neuweltsaffen nicht im Entferntesten gleich. Denn Vermehrung der Bewegungswerkzeuge hat keineswegs immer Steigerung und noch weniger Vervielfältigung der Bewegung zur Folge, bedingt im Gegentheil oft Einseitigkeit. Bei unseren Affen ist das Letztere der Fall. Ihr Wickelschwanz dient ihnen nicht als fünfte, sondern als erste Hand; zum Aufhängen oder Befestigen des ganzen Leibes, zum Herbeiholen und Herbeiziehen verschiedener Gegenstände, als Treppe, Hängematte und so weiter; aber er beschleunigt und befreit ihre Bewegungen nicht, sondern verlangsamt sie höchstens, indem er sie sichert. Dank seiner fortwährenden, geradezu ausnahmslosen Verwendung läuft sein Eigner niemals Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren und aus der sichernden Höhe in die gefahrdrohende Tiefe zu stürzen, ist dagegen aber auch nicht im Stande, irgend welche freie oder gar kühne Bewegung auszuführen. Langsam sendet er den Wickelschwanz, so zu sagen, jedem Schritte voraus, indem er ihn stets zuerst und nicht selten vor sich befestigt, und nunmehr erst löst er eine Hand, einen Fuß nach dem anderen von dem Zweige ab, welchen die eine wie der andere umklammerten. So bindet er sich mehr an die Zweige, als er auf denselben klettert, und dementsprechend denkt er gar nicht daran, jemals einen weiten, hinsichtlich seines Gelingens irgendwie zweifelhaften Sprung zu wagen. Diese unwandelbare Sicherung der eigenen werthen Persönlichkeit drückt unseren Affen nicht den Stempel der Bedachtsamkeit, sondern der Langweiligkeit auf. Es ist merkwürdig, wie genau alle übrigen Begabungen der Neuweltsaffen hiermit im Einklange stehen. Ihre Stimme ist nicht so einseitig wie die der Krallenaffen, immer aber unangenehm, um nicht wiederum zu sagen: langweilig. Vom Gewinsel an bis zum Gebrüll durchläuft sie die verschiedensten Abstufungen, unter allen Umständen aber haftet ihr der Ausdruck des Kläglichen, Weltschmerzlichen an, und das Gebahren der Thiere, während sie schreien, straft solchen Aus- oder Eindruck nicht Lügen.

Warm und goldig bestrahlt die Morgensonne nach kühler thaureicher Nacht die Bäume des Urwaldes, und tausendstimmig schallt ihr aus Millionen Kehlen Gruß und Jubelruf entgegen; da rüsten sich auch die Brüllaffen, ihren Dankeszoll darzubringen. Aber wie?! Auf die dürren Wipfeläste eines Riesenbaumes, welcher seine Krone hoch über andere erhebt, sind sie geklettert, haben sich jedweder mit dem Wickelschwanze gehörig versichert und wärmen sich behaglich in der Sonne. Da treibt auch sie das Wohlgefühl, ihre Stimme zu erheben. Einer von ihnen, welcher, wie man sagt, durch hohe, schrillende Stimme besonders sich auszeichnet und geradezu Vorsänger genannt wird, schaut starr auf seine Genossen und hebt an; letztere blicken ebenso regungs- und gedankenlos auf ihn und fallen ein und schauerlich tönt es durch den Wald, bald grunzend, bald heulend, bald knurrend, bald brummend, bald knarrend, bald röchelnd, als ob alle Thiere des Waldes in tödlichem Kampfe gegen einander entbrannt seien. Einzelne Brülllaute beginnen das wunderliche Tonstück; sie werden heftiger und folgen sich rascher, je mehr die doch wohl vorhandene, wenn auch nicht ersichtliche Erregung des Sängers wächst und auf andere Glieder seiner Genossenschaft sich überträgt; sie verwandeln sich sodann in heulendes Gebrüll, und sie enden, wie sie begonnen. Wirft man einen Blick auf die langbärtigen, überaus ernsthaften Sänger, [231] so kann man sich eines Lächelns kaum erwehren, der jeder Beschreibung spottende Tonunfug aber, dessen sie sich schuldig machen, wird bald ebenso langweilig wie ihre einseitigen, eher kriechenden als kletternden Bewegungen. Was der Eine thut, ahmt der Andere gedankenlos nach; aber was er auch thun, wie er auch handeln möge, langweilig bleibt sein Gebahren stets. Ihm durchaus ähnlich oder doch nicht wesentlich von ihm verschieden betragen sich alle Wickelschwanzaffen, nur wenig anders, freier, selbständiger nämlich, benehmen sich einzelne besonders hervorragende Glieder der Familie.

Wie die neuweltlichen Affen zerfallen auch die in der alten Welt hausenden Affen in zwei Gruppen, denen man vielleicht den Rang von Familien zugestehen darf, obgleich beider Gebisse im Wesentlichen sich ähneln. Wir nennen die einen Hunds-, die anderen Menschenaffen und dürfen wohl sagen, daß jene uns das wahre Affenthum kennen lehren, wahrend diese bereits über dasselbe sich erheben. Für die ersteren insbesondere gilt, was ich eingangs sagte. Zu ihnen zählen ebenso schöne als häßliche, ebenso anmuthige als widerwärtige, ebenso heitere als ernsthafte, ebenso gutmüthige als boshafte Affen. Eigentlich ausgebildete Gestalten giebt es nicht unter ihnen, da man auch den häßlichen oder uns doch so erscheinenden Arten Ebenmäßigkeit der Gestalt zusprechen muß; in vieler Beziehung absonderliche Gesellen aber weisen sie auf. Ihre hauptsächlichsten Merkmale liegen in der mehr oder weniger stark vortretenden, an die der Hunde erinnernden Schnauze, den verhältnißmäßig kurzen Armen, dem stets vorhandenen, obschon bei einzelnen bis zu einem Stummel verkümmerten Schwanze, den mehr oder minder entwickelten Gesäßschwielen und den wenigstens bei den meisten Arten vorkommenden Backentaschen. Das Gebiß enthält die regelmäßige Anzahl von zweiunddreißig, in geschlossenen Reihen stehenden Zähnen. Sie bewohnen alle drei Erdtheile der alten Welt und treten in Afrika am zahlreichsten auf.

Ihre Begabungen und Eigenschaften stellen sie hoch über Krallen- und Breitnasenaffen. Sie gehen meist recht gut, obgleich einzelne von ihnen in uns erheiternder Weise eher humpeln als laufen, vermögen ohne Beschwerde auf den Beinen allein zu stehen und dabei zu voller Höhe sich aufzurichten, in dieser Stellung auch mehr oder weniger leicht dahin zu schreiten, klettern unter allen Umständen gut, obwohl die einen nur im Gezweige, die anderen dagegen im Gefelse diese Kunstfertigkeit bethätigen, schwimmen zum Theil auch vortrefflich. Diejenigen, welche auf Bäumen leben, klettern fliegend, um mich so auszudrücken; denn ihre Künsteleien im Gezweige übersteigen jede Erwartung. Sätze von acht bis zehn Meter Sprungweite sind kein unmögliches Unterfangen für sie; von den Wipfelästen eines Baumes springen sie ebenso tief auf niedrigere herab, beugen dieselben durch den Stoß abwärts, geben sich in demselben Augenblicke, welcher den Ast zurückschnellen läßt, einen wuchtigen Anstoß, strecken Schwanz und Hinterbeine lang von sich, um mit ihnen zu steuern, und fliegen wie ein Pfeil durch die Luft. Ein Baumast, und ob er mit den gefährlichsten Dornen besetzt wäre, ist für sie ein gebahnter Weg, eine Schlingpflanze Pfad oder Leiter, je nachdem selbe benutzt werden kann. Sie klettern vor- oder rückwärts, auf der Unter- wie auf der Oberseite eines Astes dahin, erfassen im Sprunge wie im Fallen ein dünnes Zweiglein mit einer Hand, verharren, so angehängt, beliebig lange in jeder denkbaren Stellung, steigen sodann gemächlich auf den Ast und nunmehr so unbefangen weiter, als hätten sie sich auf ebenem Boden befunden. Fehlt die Hand den erstrebten Zweig, so ergreift ihn, nicht minder sicher, der Fuß; bricht der Ast unter der jählings auf ihn fallenden Last, so erfassen sie im Fallen einen zweiten, dritten, und brechen alle, so springen sie eben, gleichviel um welche Höhen es sich handelt, auf den Boden hernieder, um an dem nächsten besten Stamme, an der ersten sich ihnen darbietenden Schlingpflanzenranke wieder zur Höhe emporzuklimmen. Mit dem klebenden oder kriechenden Klettern ihrer neuweltlichen Verwandten verglichen, erscheint und ist das ihrige eine wahrhaft freie, fessellose, jedes Hemmniß wegräumende Bewegung. Jene sind Stümper, sie vollendete Künstler, jene Baumsklaven, sie Beherrscher des Gezweiges.

Ebenso vervollkommnet wie ihre Bewegungen ist auch ihre Stimme. Von ihnen vernimmt man weder zwitschernde noch pfeifende, weder klagende noch heulende, vielmehr, je nachdem sie Eines oder das Andere ausdrücken wollen, sehr verschiedenartige, den Umständen angepaßte, auch uns verständliche Laute. Behagen oder Unbehagen, Verlangen oder Genügen, Wohl- oder Uebelwollen, Liebe oder Haß, Gleichmuth oder Zorn, Freude oder Schmerz, Vertrauen oder Mißtrauen, Hinneigung oder Abneigung, Zärtlichkeit oder Herbheit, Fügsamkeit oder Trotz, insbesondere aber jählings sich geltend machende Erregungen, wie Furcht, Schreck, Entsetzen, finden genügenden Ausdruck, so beschränkt auch immerhin noch die Stimmmittel sein mögen. Hand in Hand mit solchen Begabungen gehen die, welche wir geistige nennen. Man ist zwar berechtigt hervorzuheben, daß die Hand, welche erst unter ihnen zur vollen Bedeutung gelangt, ihnen vor anderen Thieren erhebliche Vorzüge gewährt und ihre Leistungen theilweise größer erscheinen läßt, als sie thatsächlich sind; ein hoher Grad von Verstand ist ihnen jedoch nicht abzusprechen. Ihr vortreffliches Gedächtniß bewahrt treulich die verschiedenartigsten Eindrücke, und ihre wohl erwägende Ueberlegung gestaltet letztere zu Erfahrungen, welche bei entsprechender Gelegenheit trefflich verwerthet werden. Daher handeln sie unverkennbar mit vollem Bewußtsein dessen, was sie thun, den Umständen gemäß, nicht als willenlose Sklaven einer von außen her auf sie einwirkenden Kraft, sondern selbständig, frei und wechselvoll, nehmen schlau und listig ihren Vortheil wahr und bedienen sich jedes Hilfsmittels, welches sie irgendwie benützen zu können glauben. Sie unterscheiden Ursache und Wirkung, versuchen letztere zu erzielen oder zu vereiteln, indem sie erstere schaffen oder aus dem Wege räumen; sie erkennen nicht allein, was ihnen frommt oder schadet, sondern wissen auch, ob sie recht oder unrecht handeln, gleichviel, ob sie dabei den Standpunkt des eigenen lieben Ich oder den eines ihnen übermächtigen Wesens einnehmen. Nicht blinder Zufall, sondern Erkenntniß der Ersprießlichkeit regelt und leitet ihr Thun, ordnet sie dem Ermessen des Befähigteren unter, bewegt sie, gemeinschaftlich zu wirken und zu handeln, lehrt sie, gemeinsam einzustehen für das Wohl und Wehe des Einzelnen, Freud und Leid, Glück und Unglück, Sicherheit und Gefahr, Wohlbefinden und Noth mit ihm zu theilen, mit anderen Worten einen auf Gegenseitigkeit beruhenden Verband zu bilden, unterweist sie, ihnen von Hause aus nicht erb- und eigenthümliche Kräfte und Mittel zu verwenden, drückt ihnen endlich Waffen in die Hand, welche die Natur der letzteren nicht verliehen.

Leidenschaften aller Art tragen freilich oft genug den Sieg über ihre Besonnenheit davon; gerade diese Leidenschaften aber sprechen wiederum für die Lebhaftigkeit ihrer Empfindungen oder, was dasselbe, für die Regsamkeit ihres Geistes. Sie sind empfindsam wie Kinder, reizbar wie schwachgeistige Menschen, daher äußerst empfänglich für jede Art der Behandlung, welche ihnen angethan werden kann: für entgegenkommende Liebe wie für abweisenden Haß, für anspornendes Lob wie für verletzenden Tadel, für befriedigende Schmeichelei wie für kränkenden Hohn, für Liebkosungen wie für Züchtigungen. Demungeachtet lassen sie sich nicht so leicht behandeln, noch weniger leicht zu etwas abrichten, wie beispielsweise ein Hund oder ein anderes kluges Hausthier; denn sie sind eigenwillig in hohem Grade und fast ebenso selbstbewußt wie der Mensch. Mühelos lernen sie, immer aber nur, wenn sie wollen, und keineswegs stets dann, wenn sie sollen; denn ihr Selbstbewußtsein lehnt sich auf gegen jede Unterordnung, welche ihnen nicht als für sie selbst ersprießlich erscheint. Dabei sind sie sich wohl bewußt, daß sie nach Befinden bestraft werden dürften, geben vielleicht schon im Voraus den Unannehmlichkeiten der zu erwartenden Strafe durch entsprechende Laute Ausdruck, verweigern aber dennoch die ihnen zugemuthete Leistung, wogegen sie solche willig, unter lebhaften Aeußerungen ihres Einverständnisses, verrichten, wenn ihnen dies gerade Vergnügen gewährt. Wer ihr Selbstgefühl in Frage zu stellen wagt, braucht sie nur zu beobachten, wenn sie ein anderes Thier behandeln. Sie betrachten ein solches, falls nicht Furcht vor dessen Stärke und Gefährlichkeit sie abschreckt, stets nur als Spielzeug ihrer Launen, gleichviel ob sie es necken und foppen oder hätscheln und zeitweilig mit Liebkosungen überhäufen. Einige Beispiele mögen im nachfolgenden Theile des Vortrags die eben ausgesprochenen Behauptungen erhärten.


[280]
III.0 Ueberlegtes Handeln der Hundsaffen.

Als ich im Bogoslande reiste, stieß ich beim ersten Ritt ins Gebirge auf eine zahlreiche Herde derselben Mantelpaviane, deren Scheich Kemal el Din Demiri in seiner Erzählung gedenkt. Sie saßen, ihr wallendes Haarkleid im Strahle der Sonne trocknend, malerisch auf den obersten Zacken einer Felsenwand, wurden von mir mit Büchsenkugeln begrüßt, traten deßhalb einen geordneten Rückzug an und flüchteten. Meinen Weg in dem engen und vielfach gewundenen Felsenthale von Meesa fortsetzend, traf ich geraume Zeit später wiederum mit ihnen zusammen und zwar im Thale selbst, gerade, als sie sich anschickten, dasselbe zu überschreiten, um in dem Gefelse der anderen Seite gegen ähnliche unliebsame Störungen Schutz zu suchen.

Ein erheblicher Theil der Bande hatte seinen Uebergang bereits bewerkstelligt; der größere Theil stand im Begriffe, dies zu thun. Unsere Hunde, schöne schlanke Windspiele, gewohnt, Hyänen und andere Raubthiere erfolgreich zu bekämpfen, stürzten sich auf die Paviane, welche, von fern gesehen, eher Raubthieren als Affen glichen, und trieben sie schleunigst rechts und links an den Felsenwänden empor. Aber nur die Weibchen flüchteten: die Männchen warfen sich sofort den Hunden entgegen, bildeten einen Kreis um sie, brüllten, schlugen ingrimmig mit den Händen gegen den Boden, rissen die zähnestarrenden Mäuler weit auf und blickten ihre Gegner so wüthend und boshaft an, daß die sonst sehr muthigen, kampfgestählten Thiere verdutzt zurückprallten und fast ängstlich bei uns Schutz suchten. Bevor es uns gelang, sie wieder zum Kampfe anzufeuern, hatte sich die Lage der Affen wesentlich verändert; denn als die Hunde von Neuem gegen sie anstürmten, befand sich beinah die ganze Herde in Sicherheit. Ein noch zurückgebliebenes, etwa halbjähriges Junge kreischte, als es die Hunde auf sich zueilen sah, laut auf, erreichte jedoch noch vor ihnen einen Felsblock und suchte auf ihm Zuflucht und Rettung, unsere Hunde stellten es kunstgerecht, schnitten ihm dadurch den Weg zur Flucht ab und erweckten in uns die Hoffnung, es einfangen zu können. Doch es sollte anders kommen. Stolz und würdevoll, ohne sich im Geringsten zu beeilen und ohne uns zu beachten, schritt ein uraltes Männchen, vom sicheren Felsen zurückkehrend, auf das bedrängte Junge zu, trat, ohne irgendwie Furcht zu verrathen, den Hunden entgegen, hielt sie durch Blicke, Geberden und allseitig verständliche Laute in Achtung, erstieg langsam den Felsblock, nahm das bedrohte Affenkind an seine Brust und trat, bevor wir selbst zur Stelle sein konnten, mit ihm den Rückweg an, ohne daß die ersichtlich verblüfften Hunde wagten, diesen ihm zu verlegen. Während dieser muthigen That der Selbstaufopferung des Stammvaters wurden in dem dichten Gestrüpp auf der Felswand, welcher die Affen sich zugewendet hatten, Töne laut, wie ich sie bis dahin von Pavianen niemals vernommen. Alt und Jung, Männchen und Weibchen brüllten, kreischten, knurrten, brummten und bellten durch einander, daß man hätte glauben können, sie seien mit Leoparden oder sonstigen gefährlichen Raubthieren in Kampf gerathen. Es war, wie ich später erkennen sollte, [282] das Feld- oder Kampfgeschrei der Affen, welches ich hörte: sie bezweckten damit offenbar, uns und die Hunde zu schrecken, vielleicht auch den thatlustigen alten Recken, welcher sich vor ihren Augen so ersichtlich in Gefahr begab, zu ermuthigen.

Einige Tage später sollte ich erfahren, daß die selbstbewußten Thiere es auch mit Menschen aufnehmen. Beim Zurückkehren aus dem Bogoslande stießen wir wiederum auf eine, vielleicht dieselbe, starke Herde und eröffneten vom Thale aus gegen sie mit sieben Doppelbüchsen ein wirksames Feuer. Unsere Schüsse brachten unbeschreibliche Wirkung hervor. Dasselbe Schlachtgeschrei, wie ich es früher gehört, schallte uns entgegen, und wie auf Befehl eines Feldherrn bereiteten sich Alle zum Streite. Während die kreischenden Weibchen mit den Jungen eiligst flüchteten und, über den Kamm der Felsen laufend, dem Bereiche unserer Waffen sich entzogen, traten die alten Männchen, wuthfunkelnden Blickes, mit den Händen gegen den Boden schlagend, eher bellend als brüllend, auf vorspringende Steine und Felszacken, überschauten einige Augenblicke lang, fortwährend brummend, knurrend, schreiend und sonstige Laute ausstoßend, die Tiefe und begannen hierauf mit solchem Eifer und Geschick Steine auf uns herabzurollen, daß wir das Lebensgefährliche unserer Stellung sofort einsahen und flüchten mußten. Wäre es uns unmöglich gewesen, an den jenseitigen Wänden des engen Thales empor zu klettern und so uns gegen die Geschosse der Affen zu sichern, wir wären regelrecht geschlagen worden, Die klugen Thiere verfuhren bei ihrer Abwehr nicht allein planmäßig, sondern handelten auch in Uebereinstimmung, gemeinschaftlich nach einem Ziele strebend und gemeinsam zur Erreichung desselben ihre Kräfte einsetzend. Ein Mitglied unserer Gesellschaft sah, wie einer der Kämpen seinen Stein auf einen Baum schleppte, um ihn von hier aus desto wirksamer in die Tiefe zu schleudern; ich selbst nahm wahr, wie ihrer zwei einen schweren Stein ins Rollen brachten.

Wie genau die Hundsaffen Ursache und Wirkung erkennen und unterscheiden, kann Jeder wahrnehmen, welcher sie vorurtheilsfrei beobachtet. Sie öffnen Thüren und Fenster, Schubladen, Kisten und Schachteln, lösen Knoten und beseitigen andere Hindernisse, nachdem sie einmal gesehen haben, wie solches bewerkstelligt werden muß; aber sie erfinden auch Mittel, um Aehnliches zu erreichen. Ein Babuin, welchen ich pflegte und in die Familie aufnahm, bemächtigte sich einer jungen Katze, in der Absicht, sie als Hätschelkind zu warten und zu bemuttern, wurde von dem erschreckten Pfleglinge gekratzt, untersuchte aufmerksam die Tatzen drückte die Nägel hervor, besah sie von oben und unten wie von der Seite und biß sie ab, um fernerhin vor Verletzungen gesichert zu sein. Derselbe Pavian wurde von meinem Bruder oder mir wiederholt dadurch erschreckt, daß wir vor ihm ein Häufchen Pulver auf den Boden schütteten und dasselbe mittelst eines Stückchen brennenden Schwamms entzündeten. Das plötzliche Aufblitzen des Pulvers verursachte unserem Babuin einen solchen Schreck, daß er jedesmal laut aufschrie und mit so weitem Satze zurücksprang, als der ihn fesselnde Strick zuließ. Einigemale nach einander so erschreckt, steuerte er erneuerten Belästigungen einfach dadurch, daß er den glimmenden Feuerschwamm so lange mit der Hand klopfte, bis der Funke erstickt war, und das Pulver selbst auffraß. Andererseits beschwor er selbst Schreck und Entsetzen herauf. Wie alle Affen, ohne jegliche Ausnahme, fürchtete er Kriechthiere, vor allen anderen Schlangen, in maßloser, für uns ergötzlicher Weise. Wir foppten ihn deßhalb oft, indem wir eine lebende, todte oder ausgestopfte Schlange in eine breite Blechschachtel steckten und diese ihm verschlossen reichten. Er kannte zuletzt Schachtel und Inhalt genau, war aber unfähig, seine Neugier zu bemeistern, und öffnete jene jedesmal, um unmittelbar darauf kreischend zu flüchten.

Nicht zufrieden, wirklich vorhandene Ursachen zu erkennen, suchte dieser Affe in Fällen, welche ihm Unannehmlichkeiten zuzogen, nach vermeintlichen.

Irgend Etwas, irgend Jemand mußte an erlittenem Ungemach die Schuld tragen. Dementsprechend wandte sich sein voller Ingrimm auf den ersten Besten, welcher ihm in Sicht kam. Wurde er bestraft, so richtete sich sein Zorn nicht gegen seine Pfleger und Gebieter, sondern einzig und allein gegen denjenigen, welcher bei der Bestrafung zugegen war: dieser mußte die Ursache der schnöden Behandlung sein, welche der sonst so gute Herr ihm angedeihen ließ. Er verdächtigte also genau ebenso, wie unkluge Menschen in ähnlichen Fällen zu thun pflegen.

Aeußerst empfindlich gegen jede ihm angethane oder auch nur zugedachte Unbill, nicht minder gegen jede Neckerei oder Fopperei, konnte gedachter Babuin doch nie unterlassen, andere Thiere zu necken, zu ärgern und selbst zu mißhandeln. Unser alter grämlicher Dachshund hielt, behaglich in der Sonne liegend, seinen Mittagsschlaf. Der Babuin sah dies, schlich sich vorsichtig heran, blickte mit tückischem Blinzeln der kleinen Augen dem Hunde ins Gesicht, um sich zu überzeugen, ob er auch wirklich schlafe, packte jählings den Schwanz des Schläfers und brachte ihn durch einen kräftigen Ruck aus der Traumwelt in die Wirklichkeit zurück. Ingrimmig versuchte der Hund die erlittene Schmach zu rächen, indem er auf den Störenfried losfuhr. Dieser aber entging mit einem einzigen Satze über den anstürmenden Hund hinweg der drohenden Strafe, hatte im nächsten Augenblicke den Schwanz des Hundes wieder gepackt, den Däckel von neuem beleidigt und weidete sich ersichtlich an der Ohnmacht des grämlichen Gegners, bis dieser mit gesichertem, das heißt eingezogenem Schwanze, rasend vor Zorn und Aufregung, unfähig selbst zu bellen, keuchend und geifernd, das Weite suchte und dem bösen Feinde das Feld überließ. Wäre der Pavian im Stande gewesen zu lachen: die Aehnlichkeit zwischen seinem und eines boshaften Menschen Thun würde vollständiger Uebereinstimmung gewichen sein. Mit allgemein verständlichem Spott und Hohn wurde der Besiegte ohnehin überschüttet. Er dagegen nahm jede Neckerei gewaltig übel, konnte, schon durch das Gelächter eines Unbefugten in Zorn und Wuth versetzt werden, und versäumte gewiß nicht, bei erster Gelegenheit, ob solche erst nach Verlauf von Wochen gefunden werden mochte, sich zu rächen. Aber freilich: er war Affe und fühlte sich als solcher, betrachtete den Hund als so untergeordnetes Wesen, daß seine Anmaßung ebenso verzeihlich, wie die jedes anderen Wesens, sobald es sich um ihn selbst handelte, verwerflich und strafbar erschien.

Von diesem Selbstgefühl, oder richtiger dieser Selbstüberhebung, geben die Hundsaffen jedem achtsamen Beobachter tagtäglich Beweise. Gedachter Babuin liebte, wie alle Affen, Pflege- oder Hätschelkinder ungemein, insbesondere aber eine Meerkatze, welche denselben Käfig mit ihm theilte, ihm auch außerhalb desselben anvertraut werden durfte, weil sie stets an seiner Seite, förmlich in seinem Banne war, in seinen Armen schlief und ihm sklavisch gehorchte. Er verlangte solchen Gehorsam und betrachtete ihn als etwas ganz Selbstverständliches; unbedingte Unterwürfigkeit aber forderte er, wenn es sich um die Mahlzeit handelte. Während die gutmüthige und gehorsame Meerkatze widerstandslos geschehen ließ, daß seine Pflegemutter – denn unser Babuin war weiblichen Geschlechts – jeden guten Bissen vorweg nahm, gönnte ihr letztere nur das Allernothwendigste und brach, wenn es dem Pflegekinde doch gelungen war, etwas bei Seite, beziehentlich in die Backentaschen zu bringen, letztere einfach auf, um den Inhalt wieder zu leeren und für sich zu verwenden.

So groß die Anmaßung, so ungemessen die Selbstüberhebung der Hundsaffen sein mag, so gut oder so genau sind sie sich bewußt, Unrecht gethan, eine strafwürdige Handlung verübt zu haben. Hierfür bringt Schomburgk einen äußerst lehrreichen Beleg bei. In der thierkundlichen Abtheilung des Pflanzengartens zu Adelaide lebte in einem Käfig mit zwei jüngeren Artgenossen, diese selbstverständlich beherrschend und beknechtend, ein alter Hutaffe. Durch irgend welchen Zufall gereizt, überfällt derselbe eines Tages plötzlich seinen Wärter und bringt ihm, eine Schlagader des Handgelenks durchbeißend, eine gefährliche Verwundung bei. Schomburgk verurtheilt ihn deßhalb zum Tode und beauftragt einen andern Wärter, das Urtheil mittels Pulver und Blei zu vollstrecken. Die Affen sind an Feuerwaffen, welche vielfach gebraucht werden, um dem Garten schädliche Thiere zu tödten, vollkommen gewöhnt, kennen zwar deren Wirkung, beunruhigen sich aber nicht im Geringsten, wenn sie in ihrer unmittelbaren Nähe gebraucht werden. Auch jetzt, am nächsten Tage nach der Unthat des alten Tyrannen, bleiben die beiden jungen Affen beim Erscheinen des mit der Hinrichtung ihres Genossen betrauten Wärters ruhig am Futtertroge sitzen, der verurtheilte Verbrecher flieht in größter Eile in seinen Schlafkäfig und läßt sich durch keinerlei Lockung bewegen, denselben zu verlassen. Man versucht ihn durch vorgesetztes Futter zu ködern: er sieht, was er vorher nie gethan, seine beiden unterjochten Genossen die leckere Kost verzehren und wagt nicht, am Mahle theilzunehmen. Erst als der verderbendrohende Wärter sich entfernt, schleicht er verstohlen hinzu, nimmt [283] rasch einige Brocken und flüchtet angstvoll in sein sicheres Versteck zurück. Es gelingt endlich, ihn zum zweiten Male herauszulocken, und den Zugang seines Schlupfwinkels von außen zu verschließen. Als er nunmehr den Wärter mit der Todeswaffe wiederum auf den Käfig zuschreiten sieht, erkennt er, daß er verloren ist. Wie wahnsinnig stürzt er sich auf die Thür des Schlafkäfigs, um sie womöglich zu öffnen; als ihm dies nicht gelingt, stürmt er, alle Winkel und Lücken auf die Möglichkeit zum Entfliehen hin untersuchend, durch den ganzen Käfig, und endlich, keine Möglichkeit zur Flucht entdeckend, am ganzen Leibe zitternd und bebend, wirft er sich verzweiflungsvoll auf den Boden und ergiebt sich willenlos in das Schicksal, welches ihn einen Augenblick später ereilt.

Man wird zugestehen müssen, daß kein einziges anderen Ordnungen angehöriges Säugethier, nicht einmal der von uns seit Jahrtausenden behandelte, gelehrte, unterrichtete, streng genommen geschaffene Hund, ähnlich handelt, wie geschildert. Und dennoch liegt immerhin noch eine weite Kluft zwischen den Hunds- und den Menschenaffen, von welch letzteren ich sagte, daß sie bereits über das durchschnittliche Affenthum sich erheben.


[398]
IV. Von der Begabung der Menschenaffen. – Schlußbetrachtung.

Wir verstehen unter Menschenaffen diejenigen, welche in ihrer Gestalt dem Menschen am meisten ähneln, von diesem aber durch die stark hervortretenden Eckzähne, die verhältnißmäßig langen Arme und kurzen Beine, den Bau der Hand, die bei einzelnen Arten vorkommenden Gesäßschwielen und das Haarkleid auch äußerlich noch immer wesentlich sich unterscheiden. Sie bewohnen die Gleicherländer Asiens und Afrikas, ersteres zahlreicher an Arten als dieses, und zerfallen in drei Sippen, von denen die eine auf Afrika beschränkt ist. Jede dieser Sippen umfaßt nur wenige Arten, doch scheint es, als ob uns gegenwärtig noch keineswegs alle bekannt seien.

Auch die Menschenaffen sind, gemäß ihres Baues, auf Bäume angewiesen, aber eben so wenig wie Schlankaffen, Meerkatzen und Makaken Baumsklaven, vielmehr ausgezeichnete Kletterer. Als geradezu unerreichbare Meister im Klettern erscheinen die Langarm-Affen oder Gibbons, Menschenaffen mit so unverhältnißmäßig langen Armen, daß sie doppelt soweit klaftern können als die Länge ihres in aufrechter Stellung gedachten Leibes beträgt. Mit unvergleichlicher Schnelligkeit und gleicher Sicherheit erklettern sie einen Baumgipfel oder Bambusstengel, versetzen ihn oder einen geeigneten Zweig in Schwingungen und schnellen sich sodann beim Zurückprallen desselben mit solcher Leichtigkeit über Zwischenräume von acht bis zwölf Meter hinweg, daß es aussieht, als flögen sie wie abgeschossene Pfeile oder abwärtsstoßende Vögel. Auch sie sind im Stande, noch im Sprunge die zuerst beabsichtigte Richtung zu ändern und ihren Sprung jählings zu unterbrechen, indem sie den ersten besten Zweig ergreifen, an ihm sich festhängen, schaukeln, wiegen und endlich ersteigen, sei es, um fortan ein Weilchen zu ruhen, oder sofort wiederum das alte Spiel zu beginnen. Nicht selten springen sie solcherart drei-, vier-, fünfmal nach einander durch die Luft und lassen dann fast vergessen, daß die Gesetze der Schwere auch für sie maßgebend sind. Ebenso ausgezeichnet als sie klettern, ebenso schwerfällig gehen sie. Andere Menschenaffen sind im Stande, ohne sonderliche Beschwerde in aufrechter Stellung, also auf den Füßen allein, ein mehr oder minder bedeutendes Stück Weg ohne Unterbrechung zurückzulegen, fallen jedoch bei eiligem Laufe stets auf alle Viere, hierbei auf die eingeschlagenen Knöchel der Finger, hinten auf die äußeren Kanten der Füße sich stützend, und den Leib zwischen den aufgestemmten Armen hindurch mühsam und schwerfällig vorwärtswerfend; die Langarmaffen aber bewegen sich nur im äußersten Nothfalle in dieser Weise und dann mehr hüpfend als laufend, legen dagegen kürzere Strecken zurück, indem sie sich zu voller Höhe aufrichten und mit den bald weniger, bald weiter ausgebreiteten Armen [399] im Gleichgewichte halten, die Daumenzehen möglichst spreizen und nunmehr mit kleinen, rasch auf einander folgenden Schritten kläglich dahin trippeln. Ihre Bewegungen müssen daher als einseitige bezeichnet werden; denn was sie an Kletterhaftigkeit vor anderen Menschenaffen voraus haben, wiegt ihre Hilflosigkeit auf dem Boden nicht auf.

Wer erfahren will, bis zu welcher Höhe die geistige Begabung eines Affen sich zu erheben vermag, muß den Schimpanse oder einen seiner nächsten Verwandten zur Beobachtung wählen und mit ihm längere Zeit einigen Umgang pflegen, wie ich gethan habe: er wird dann mit Verwunderung und Staunen, vielleicht auch gelindem Grauen erkennen, wie weit die Kluft, welche Mensch und Thier scheidet, sich verringern kann. Auch die anderen Menschenaffen sind geistig hochbegabte Geschöpfe; auch sie übertreffen in dieser Beziehung alle übrigen Affen; ihre Begabungen gelangen aber weder bei den Langarmaffen noch bei dem Orang-Utan zu so allgemein verständlichem Ausdrucke, ich möchte sagen, zu derartig zwingender Geltung, wie bei jenen. Sie, die Pongos, Gorill, Tschego und Schimpanse, kann man nicht mehr wie Thiere behandeln, wenn man ihre Geistesgaben erkennen und abwägen will. Ihr Verstand steht dem eines rohen, ungeschulten, ungebildeten Menschen wenig nach. Sie sind und bleiben Thiere; aber sie handeln so menschlich, daß man das Thier in ihnen vergessen möchte.

Ich habe Jahre nach einander Schimpansen gepflegt, sie genau und soviel als mir möglich, vorurtheilsfrei beobachtet, mit ihnen eifrig und innig verkehrt, sie in meine Familie aufgenommen, mit mir speisen lassen, sie unterrichtet, gelehrt, förmlich erzogen, in Krankheiten abgewartet und auch in ihrer Todesstunde nicht verlassen: ich darf daher glauben, sie ebenso gut kennen gelernt zu haben als irgend ein Anderer, und zu einem zutreffenden Urtheile über sie berechtigt zu sein. Aus diesen Gründen wähle ich den Schimpanse zu dem Versuche, darzulegen, wie weit die geistige Begabung eines Thieres reicht.

Der Schimpanse ist nicht allein eines der klügsten aller Geschöpfe, sondern auch ein nachdenkliches sinniges Wesen. Jede seiner Handlungen geschieht mit Bewußtsein und Ueberlegung. Er ahmt nach, aber mit Verständniß und Urtheil: er läßt sich belehren und lernt. Er erkennt sich und seine Umgebung und ist sich seiner Stellung bewußt. Im Umgange mit Menschen ordnet er sich höherer Begabung unter; im Verkehre mit Thieren bethätigt er ein ähnliches Selbstbewußtsein wie der Mensch. Was bei anderen Affen in dieser Beziehung angedeutet ist, erscheint bei ihm klar ausgesprochen.

Wie scharf er beobachtet, geht schlagend aus seiner fast immer richtigen Beurtheilung der Menschen hervor. Er kennt und unterscheidet nicht allein seine Freunde von anderen Leuten, sondern auch wohlwollende von übelwollenden Menschen so scharf, daß der Wärter eines Schimpanse überzeugt war, jeden Menschen, welcher den Schimpanse abstieß, als Taugenichts oder Bösewicht bezeichnen zu dürfen. Ein vollendeter, aber feiner Heuchler, welcher mich und Andere täuschte, war dem einen Schimpanse von Anfang an ein Gräuel, gerade, als ob er den rothhaarigen Schuft vom ersten Augenblicke an erkannt gehabt hätte. Am liebsten verkehrt jeder Schimpanse, mit welchem man sich viel beschäftigt, im Kreise einer Familie. Hier benimmt er sich, als ob er sich unter seines Gleichen fühle. Er achtet genau auf Sitte und Gewohnheit des Hauses, merkt sofort, ob er beobachtet wird oder nicht, und thut im ersteren Falle das, was er soll, im letzteren das, was ihm gerade behagt. Spielend leicht und mit wahrem Eifer, ganz im Gegensatze zu anderen Affen, lernt er, was ihm gelehrt wird, beispielsweise aufrecht am Tische zu sitzen, mit Löffel, Messer und Gabel Speise in den Mund zu führen, aus einem Glase oder einer Tasse zu trinken, den Zucker in der Tasse umzurühren, mit dem Nachbar anzustoßen, sich des Mundtuches zu bedienen etc.; ebenso leicht gewöhnt er sich an Kleidungsstücke, Decken und Betten; ohne sonderliche Mühe eignet er sich endlich ein Verständniß der menschlichen Sprache an, welches das eines wohlgezogenen Hundes bei weitem übertrifft, da er sich nicht nach der Betonung, sondern nach der Bedeutung der Worte richtet und bestimmte Aufträge nicht minder richtig als Befehle zur Ausführung bringt. Aeußerst empfänglich für jede Liebkosung oder Schmeichelei und selbst für gespendetes Lob, ebenso empfindlich gegen unfreundliche Behandlung oder schon Tadel, ist er auch lebhafter Dankbarkeit fähig und beweist diese, ohne hierzu besonders abgerichtet worden zu sein, durch Handschlag und Kuß. Besonders lebhafte Zuneigung legt er Kindern gegenüber an den Tag. An und für sich weder tückisch noch bösartig, behandelt er Kinder, so lange sie ihn nicht reizen, stets äußerst freundlich, kleine, noch unbehilfliche Kindlein mit wahrhaft rührender Zärtlichkeit und Zartheit, wogegen er im Verkehr mit anderen seiner Art, anderen Affen und anderen Thieren nicht selten rauh und unfreundlich sein kann. Ich hebe diesen Charakterzug, welchen ich bei allen von mir gepflegten Schimpansen wahrgenommen habe, namentlich deßhalb hervor, weil er zu beweisen scheint, daß der Schimpanse auch im kleinsten Kinde den Menschen anerkennt und würdigt.

Rührend geberdet sich ein kranker, schwer leidender Menschenaffe. Kläglich bittend, wahrhaft menschlich, schaut er seinem Pfleger ins Gesicht, erkennt jede Hilfe oder doch Hilfsleistung mit warmem Danke und in dem Arzte bald seinen Wohlthäter, hält letzterem den Arm hin, oder streckt die Zunge heraus, sobald dies gefordert wird, thut dasselbe nach einigen Besuchen des Arztes auch ganz von selbst, nimmt Arzneien willig ein, läßt sich sogar wundärztliche Griffe gefallen, benimmt sich, mit einem Worte, nicht viel anders als ein kranker und geduldiger Mensch. Je mehr sein Ende sich nähert, um so milder wird er, um so mehr verliert sich das Thierische, um so heller treten die edleren Züge seines Wesens hervor.

Der Schimpanse, welchen ich am längsten pflegte und mit Hilfe eines thierfreundlichen Wärters am sorgfältigsten erzog, erkrankte an Lungenentzündung, welcher sich Vereiterung der Lymphdrüsen des Halses gesellte. Wundärztliche Behandlung der eiternden Drüse erwies sich als nothwendig. Zwei mir und dem Schimpanse befreundete Aerzte unternahmen es, die Geschwulst am Halse zu öffnen, um so mehr, als der Affe in ihr den Sitz seines Leidens zu erkennen vermeinte und die Hand des untersuchenden Arztes fort und fort nach ihr hinleitete. Aber wie sollte der nothwendige Schnitt an der gefährlichen Stelle ausgeführt werden, ohne das Thier zu gefährden? Betäubende Mittel waren wegen der kranken Lunge ausgeschlossen, und der Versuch, den Schimpanse durch mehrere kräftige Männer festhalten zu lassen, scheiterte an dessen hochgradiger Erregung und dem nachdrücklichen Widerstande, welchen er leistete. Was Gewalt nicht zu erreichen vermochte, erzielte Ueberredung. Durch gütliches Zureden und Liebkosungen seitens seines Wärters wieder beruhigt, gestattete der Affe nochmalige Untersuchung der eiternden Geschwulst, ohne mit einer Wimper zu zucken, Annäherung und Gebrauch des Messers, ohne zu klagen, anderweitige schmerzende Eingriffe des Arztes, insbesondere die Nachhilfe bei Entleerung der geöffneten Geschwulst. Mit dieser trat augenblickliche Befreiung der bisher quälenden Athemnoth ein; ein unverkennbarer Ausdruck der Erleichterung drückte sich im Gesichte des Leidenden aus, und dankbar reichte er beiden Aerzten die Hand, und beglückt umarmte er seinen Wärter, ohne zu der einen wie zu der anderen Handlung aufgefordert worden zu sein.

Leider vermochte die Beseitigung des einen Leidens das Leben des Thieres nicht zu retten. Die Halswunde heilte, aber die Lungenentzündung griff um sich und machte seinem Leben ein Ende. Er starb bei vollem Bewußtsein, sanft und ruhig, nicht wie ein Thier, sondern wie ein Mensch stirbt.

Dies sind Züge aus dem Betragen und Gebahren eines Menschenaffen, welche weder mißverstanden, noch bemäkelt werden können. Bedenkt man dazu, daß sie alle nicht erwachsenen, sondern im Kindesalter stehenden Menschenaffen abgelauscht werden konnten, so wird man diesen Thieren unzweifelhaft eine sehr hohe Stellung einräumen müssen. Denn die von irgend einem unfähigen Beobachter aufgestellte, von Hunderten gedankenlos nachgesprochene Behauptung, daß der Affe mit zunehmendem Alter an geistiger Begabung verliere, also gleichsam zurückgehe und verdumme, ist eben nichts Anderes als eine plumpe Lüge, welche jeder wirklich und unbefangen von seiner Jugend an bis zu seinem Alter beobachtete Affe widerlegt. Wenn wir von erwachsenen Menschenaffen auch weiter nichts wüßten, als die beiden Thatsachen, daß sie Bauten errichten, welche man eher Hütten als Nester nennen muß, um in ihnen eine einzige Nacht zu verweilen, und daß sie hohle Bäume als Trommeln verwenden und letztere zu ihrem Vergnügen rühren: wäre dies doch genug, um dieselben Schlüsse zu ziehen, zu denen uns kindliche, von uns gepflegte Affen dieser Gruppe führen, oder mit anderen Worten, um in ihnen die weitaus begabtesten, am höchsten stehenden und unsere allernächsten Verwandten zu erkennen.

[400] Und die Affenfrage? Nun, ich möchte glauben, sie in dem Vorausgegangenen bereits beantwortet zu haben, stehe aber nicht an, meiner Auffassung derselben noch besonders Ausdruck zu geben.

So unbestreitbar die Uebereinstimmung zahlreicher Merkmale bei Mensch und Affe ist, so bestimmt stellen sich bei genauester Vergleichung der Menschen und Affen Unterschiede heraus, welche eine so innige Verschmelzung beider Gruppen, als neuerdings versucht worden, unbedingt verbieten. Die Ebenmäßigkeit der Gestalt, die verhältnißmäßige Kürze der Arme, die Breite und innere Beweglichkeit der Hände, die Länge und Stärke der Beine sowie die Plattheit der Füße, die nackte Haut und nicht minder die geringe Entwickelung der Eckzähne sind äußerliche Merkmale des Menschen, welche nicht unterschätzt werden dürfen, vielmehr gewichtig genug erscheinen, um zwischen ihm und den Affen bestimmte Grenzen aufzurichten und festzuhalten. Zieht man außerdem die Anlagen des Menschen gebührend in Erwägung, vergleicht man seine Bewegungen, seine gegliederte Sprache, seine geistigen Fähigkeiten mit den entsprechenden Begabungen der Affen, so wird man in Aufrechterhaltung jener Grenzen nur unterstützt werden können.

Blinde Anhänger der Umwandelungslehre, wie sie Darwin begründet und Andere weiter ausgebaut, überspringen jene Grenzen freilich ohne alles und jedes Bedenken; sie aber können für eine besonnene Beurtheilung der thatsächlich bestehenden Verhältnisse unmöglich maßgebend sein. So befriedigend, um nicht zu sagen wahrscheinlich, jene Lehre auch ist, über die Bedeutung einer geistvollen Annahme hat sie sich noch nicht zu erheben vermocht; unwiderlegliche Beweise für die Nichtigkeit dieser Annahme hat sie noch nicht erbringen können. Veränderlichkeit der Spielarten oder Rassen läßt sich erweisen, sogar bewirken; Umwandlung einer Art in die andere konnte noch in keinem Falle festgestellt werden. So lange aber Letzteres nicht der Fall, so lange sind wir berechtigt. Menschen und Affen als verschiedenartige Wesen zu betrachten und die Abstammung des einen von dem anderen zu bestreiten. Jeder Versuch, einen gemeinschaftlichen Urahn zu entdecken oder zu ergründen, jegliches Unterfangen, eine Ahnenreihe des Menschen aufzustellen, ändert hierin nicht das Geringste; denn wirkliche Naturwissenschaft begnügt sich nicht mit Erklärungen, sondern verlangt Beweise, wenn sie befriedigt sein soll; sie will nicht glauben, sondern wissen.

Und so mögen wir den Affen unbekümmert die Stellung einräumen, welche unbefangene Prüfung in der Reihe der Wesen ihnen anweist. Als die uns am meisten ähnelnden Thiere oder unsere nächsten Verwandten im thierkundlichen Sinne dürfen wir sie anerkennen; weitergehende Rechte müssen wir ihnen versagen. Vieles, was dem Menschen eigen, wurde auch ihnen beschieden; von wirklichem Menschenthume trennt sie eine noch immerhin weite Kluft. Viel, aber bei weitem nicht aller Mensch ist in ihnen verkörpert wie vergeistigt.