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Von der Geburtsstätte des Champagner

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Textdaten
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Titel: Von der Geburtsstätte des Champagner
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 611
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[611] Von der Geburtsstätte des Champagners. Die 500000 Teufel, von denen Oettinger in seinem bekannten Champagnerlied singt, werden nicht durch einen leichten und bequemen Zauberspruch in die Flaschen gebannt: es bedarf dazu sehr vieler Mühe und Arbeit in den unterirdischen Räumen, die gleichsam die Geburtsstätte des weltberühmten Weines sind.

Der Most der rothen und weißen Trauben wird, nach der Ausquetschung durch eiserne Pressen, in Fässer gefüllt, wobei seine Gährung sorgsam überwacht wird. Dann bleiben die geschlossenen Fässer bis zum Sommer liegen, worauf die eigentliche Bereitung des Champagners beginnt.

In den Kreidehügeln von Châlons, Epernay, Rheims ziehen sich meilenweit die Kellereien hin, oft in drei unterirdischen Stockwerken übereinander mit verschiedenen Temperaturgraden; Treppen, Fahrstühle, Aufzüge, schiefe Ebenen verbinden diese fast durchweg mit elektrischem Lichte beleuchteten Stockwerke. In diesen Kellern beginnt das Verstechen und Verschneiden, die Vermischung verschiedener Lagen und Rebensorten. Davon hängt besonders die Güte des Champagners und der Unterschied der verschiedenen Marken ab. Diese Mischungen sind ein streng bewahrtes Geschäftsgeheimniß. Dann werden sie mittels Hausenblase geklärt; der geklärte Wein wird in frische Fässer geschüttet und im April oder Mai auf Flaschen gezogen mit einem kleinen Zuckerzusatz.

Nun beginnen die Teufelchen erst ihr Höllenwerk! Die Gährung ist im Fasse nicht vollendet, sie vollendet sich erst in den Flaschen; doch so sorgfältig diese auf ihre Stärke geprüft werden: der gährende Wein zersprengt acht bis sechzehn Prozent der Flaschen, die wagerecht nebeneinander gelagert sind. In schlechten Kellereien sind die Geister des Weins noch ungebärdiger und es zerplatzt oft die Hälfte aller Flaschen. Aber der ausfließende Wein wird durch wasserdichte schiefe Rinnen in ein großes Faß geleitet, aus dessen Inhalt ein ausgezeichneter Weinessig fabriziert wird, wenn man ihn nicht zur Auffüllung geringerer Champagnersorten benutzt.

Die Flaschen selbst, die auf einer Art von Pult mit dem Kopfe nach unten aufgestellt werden, schüttelt ein von Gestell zu Gestell gehender Arbeiter zweimal jeden Tag, wobei sich Hefe und Unreinigkeiten auf dem Pfropfen ablagern.

Nach zehn bis zwölf Monaten werden die Flaschen entkorkt, wobei die Kohlensäure alle Unreinigkeiten mit sich fortnimmt, dann rasch wieder geschlossen, noch einmal geöffnet, damit ein Likör eingefüllt werden kann, der dem Weine seine Süßigkeit, Schwere und Färbung giebt und dessen Beschaffenheit zu den Geheimnissen der einzelnen Firmen gehört – meistens besteht er aus einer Zuckerauflösung mit Cognak und altem Weine – dann erst wird mit der Stöpselmaschine ein neuer dichter, mit dem Brandzeichen der Firma versehener Kork in die Flasche eingetrieben und mit Bindfaden und geglühtem Eisendraht verschnürt, worauf Kopf und Hals mit Stanniol überzogen und die Etiketten aufgeklebt werden. Jetzt erst sind die Teufelchen des Champagners fest eingekerkert, bis man ihnen erlaubt, den Pfropfen zu sprengen, lustig schäumend die Gläser zu füllen und mit ihrem Sprühfeuer die Geister anzuregen.