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Was in der tiefen Klamm vorgeht

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Textdaten
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Autor: Heinrich Noë
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Titel: Was in der tiefen Klamm vorgeht
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 48–52
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Über die Partnachklamm
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In der Partnach-Klamm.
Nach der Natur aufgenommen von G. Sundblad.

[50]
Was in der tiefen Klamm vorgeht.
Von Heinrich Noë.
(Mit Abbildung.)

In allen Büchern, welche das baierische Hochland schildern, wird des Wasserabgrundes, der „Klamm“ Erwähnung gethan, in welcher die Partnach, der aus hohen Kalkfirnen abtriefende Bergstrom, sich eine Bahn durch den vorgelagerten Schiefer gebrochen hat. Die Meisten werden durch diese „Klamm“, sei es in Wirklichkeit oder nur in der Druckerschwärze, zu Empfindungen des Staunens fortgerissen. Andere, welche viele solche Klammen gesehen haben, behaupten, die Partnachklamm habe vor anderen Schlünden, durch welche sich reißende Wasser hindurchkämpfen, nichts Besonderes voraus, als etwa die bequemen Steige, die hindurchgehen, und selbst diesen Vorzug theile sie mit mehreren derartigen Schaustücken, insbesondere der Unkener-, der Seisenbergklamm und anderen.

Wer Recht hat, die eindrucksfähigen Fremdlinge oder die fast blasirten Hausgenossen der Berge, das untersuche ich nicht, weil auch in der Abschätzung der Landschaft der gute römische Satz gelten soll, daß man über den Geschmack nicht streitet. Fern von mir sei, zur Vermehrung der Enthusiasten beitragen zu wollen, von welchen es in unserer sinnigen Zeit wimmelt, insbesondere während der drei Gasthof-Monate, so daß man glauben sollte, die ganze schreibende, rechnende und gründende Menschheit sei von einem buddhistischen Raptus überfallen worden und „versenke“ sich in’s Innere des großen Lotos.

Ich begnüge mich, Einiges zu beschreiben, was in diesem durchdonnerten Abgrund vorgeht und für die Welt noch nicht da ist, weil man es nicht liest. Nach dieser Einleitung gehe ich zur Sache über.

Zu Partenkirchen und Garmisch giebt es Leute, welchen der Förster das Holz, das sie für ihr Hauswesen zu beziehen ein Recht haben, in den Waldungen anweist, die jenseits der malerischen Klamm gelegen sind. Im wipfelsummenden Hinter-Rainthal, im Schachenwald, über dem am Rande grauer Schrofen unweit der Schneegrenze der junge Baiernfürst in maurischer Villa haust, in der „Bodenlehn“, im Hagenrain und anderen wilden Orten stehen die Fichten, welche den Holzberechtigten bezeichnet werden, daß sie dieselben abschlagen und nach ihrem Gutdünken verwenden dürfen. So ist es überall in unsern Bergen: das Amt weist den Leuten das Holz an, das sie brauchen, und überläßt es ihnen, die Stämme oder Scheiter weiter zu schaffen.

Zu jenen Wildnissen nun, über welchen die unnahbare „Dreithorspitze“ thront, giebt es von den beiden genannten Orten her keinen andern Zugang, als eben durch die besagte Klamm, einen Felsschlund, der zweihundert Fuß tief in das Schiefergestein eingeschnitten und an vielen Stellen nur so breit ist, daß ein Springer darüber zu setzen vermöchte. Wohl ist auf dem südlichen Hochrand der Klamm ein Fahrweg angelegt worden, auf welchem man in’s Rainthal gelangt, aber von der Benutzung desselben zum Weiterschaffen des Holzes kann da keine Rede sein, wo ein reißendes Bergwasser zu Thal zieht und wohlfeil die ihm anvertrauten Frachten mitschleppt.

Die Bauern werfen also dort oben ihr Holz in die Partnach; auf der Partnach schwimmt es weiter und gelangt mit ihr in die Felsenengen. In den Felsenengen staut sich das Wasser und staut sich das Holz. Das erstere kämpft sich durch; das zweite thürmt sich auf, von Nachzüglern gedrängt.

Wenn der Kukuk im Bergwald schreit und die blauen Gentianen auf den Wiesen stehen, das heißt im Mai und Brachmonat, da gehen die Förster im Wald umher und zeigen den Leuten das Holz, das ihnen zu schlagen erlaubt wird. Der Juli geht darüber hin, bis die Stämme zerkleinert, „gemacht“ sind. Dann schafft man sie an’s Wasser, an’s Gestade der Partnach, wo sie vorerst in unregelmäßigen Stößen aufgeschichtet werden, bis der Stand des Flusses so günstig erscheint, daß man ihm die Fichtenscheiter (Buchenholz ist nur sehr wenig darunter) anvertrauen will. Diejenigen, denen das Loos ihr Holz im hohen Schachen- oder Stuibenwald zugewiesen hat, werfen es von dort herab. Die bekannten Prügelbahnen, Holzrissen, lohnen nicht der Mühe – die Scheiter kollern in einfachen „Würfen“ zum Wasser herab.

Da in den Wellen der Partnach die Hölzer verschiedener Eigenthümer vom ungeschulten Wasser gesetzwidrig durcheinander geworfen werden, so ist es nothwendig dieselben zu zeichnen. Das geschieht ohne Anstrengung der Einbildungskraft vermittelst eingehauener Striche, Kreuze, oft auch nur durch Röthel an den Schnittflächen, insbesondere bei Rundlingen. Es kommt vor, daß die Leute, denen das Holz gehört, durch andere Beschäftigungen abgehalten werden, sich gerade im Juli um das Zubereiten desselben zu bekümmern, und erst in den spätern Herbstmonaten dazu kommen, zu hacken, zu sägen und abzuwerfen.

Als Regel gilt der Monat August für die Zeit zum Triften oder „Holzrennen“. Die Scheiterhaufen stehen, durch die Kunst der Fäller wohl unter einander ausgezeichnet, am Rande des Bergstroms und warten auf die Reise kopfüber, durch Gischt und Strudel, die ihnen bevorsteht.

Zur Festsetzung des Reiseanfangs ist das Wetter da. Regnet es sehr stark und ist ein mächtiges Anschwellen des Wassers voraussichtlich, so unterläßt man es, aus Besorgniß, die aufgestaute Fluth mit ihrer Scheiterlast könnte draußen bei Partenkirchen den Holzrechen durchreißen, der die Ankömmlinge aufhalten soll. Dagegen darf auch kein jähes Fallen des Wassers vorhergesehen werden – denn die Fluth, die plötzlich sinkt, läßt ihre Hölzer auf Schotterbänken, Felsenkanten, in Aushöhlungen und Rissen nachlässig liegen. Ist Schnee auf den Bergen gefallen, so wird deshalb das Triftwasser als im allerschlechtesten Zustande befindlich erachtet – denn bei der Kälte fließen die Adern dort oben schlecht. Geraten deshalb jene verspäteten Trifter in den October hinein und sie gewahren an einem Morgen die Kalkschrofen silberglänzend [51] zugedeckt, so müssen sie ihre Arbeit für dieses Jahr ruhen lassen und sich auf den nächsten Lenz vertrösten.

Die ordentliche Gelegenheit zum „Holzrennen“ wird vom Wetter gegeben, wenn man ein allmähliches, sanftes Wachsen des Bergstromes bemerkt. Dann werden die Scheiter in’s Wasser gestoßen und fort geht’s – anfänglich ziemlich friedlich durch die Kiesauen und Waldufer des Rainthales, dann aber, wenn die Fluth den Engen entgegen wirbelt, immer rascher, dichter aneinander gedrängt und oft umschlagend im Gewoge.

Endlich ist kein Platz mehr für ein Nebeneinander. Die Ufer, bisher Waldsaum, sind auf zwei Klafter Entfernung zusammengerückt und sind Wände geworden. Eine Zeit lang schiebt noch ein Klotz den anderen, aber wenn der Klötze in den Windungen des Schiefers, der aussieht, als ob sich ein großer Wurm wie die Midgardsschlange durch ihn hindurchgefressen hätte, gar zu viele geworden sind, so können sie nicht mehr weiter und verfallen der Trägheit.

Jetzt ist die Zeit der Männer gekommen, ihnen beizustehen. Sollte irgend Jemand durch diese Zeilen sich angeeifert fühlen, einmal dem Spectakel zuzuschauen, so stelle er sich auf die oberste Klammbrücke bei Graseck, dem gewöhnlichen Ziele der Klammpilger. Dort sieht er in den Abgrund, der kurz vor der Brücke, die schwindlig schwebt, eine Biegung macht. Die Hölzer in der Tiefe poltern in den Schlund hinein.

Da soll Einer hinabgelassen werden, um die festgesessenen Hölzer flott zu machen. Eine Schlinge wird ihm um den Leib gelegt. Er sitzt auf einem Prügel, der am Ende des Seiles als kurze Querstange befestigt ist. Auf dem Kopfe hat er einen Kübel von Holz, damit Steine, die abfallen, seinen Schädel nicht belästigen. Das Seil ist um einen Baum geschlungen und läuft noch einmal über eine Rolle, die an einem andern Baumstamme befestigt ist. Während drei bis vier Genossen dasselbe vorsichtig ablassen, zurückgebeugt mit aller Kraft es hemmen, daß es von seiner Last nur Hand- um Handbreite in die Tiefe gezerrt wird, dreht sich, der Bewegung des Taues folgend, der Abfahrende, zugleich sein Griesbeil benutzend. Das Griesbeil ist eine Haue, aus einem langen Holzgriffe, einem eisernen Haken und eben solcher Spitze bestehend. Schon bei der Arbeit im Bergwalde wurde es von dem Holzfäller gebraucht, um Holz bis auf den „Wurf“ herauszuziehen oder es in’s Wasser zu stoßen – jetzt dient es ihm, um sich mit der Spitze von den Hervorragungen der Felswand abzuhalten, gegen welche ihn die drehende Bewegung des Seiles schlagen möchte.

Und wieder sein unentbehrliches Werkzeug wird die Grieshacke, wenn er einmal unten angekommen ist und sich vom Seile abgelöst hat. Dann spießt er die Hölzer, die sich festgerammt haben, und wirft sie in’s fortstrebende Wasser oder zerrt die übereinandergethürmten auseinander. Sanft greift er sie gerade nicht an – werden ja auch die Leute nicht sanft angegriffen, die in den Engpässen des Lebens nicht mehr weiter können.

Von oben herab sieht diese Hantirung so grob nicht aus; aber wir würden anders urtheilen, wenn wir selbst in der Tiefe zwischen den Hölzern stünden. Schon das Herabseilenlassen erfordert einen sicheren Kopf, nicht minder aber auch der Donner des Wassers und der Blöcke, der dort unten viel betäubender hallt als nach oben hinauf, wo über den Rändern des Abgrundes die Brücke schwebt. Auch das Herumsteigen auf Scheitern, die über dem gestauten wüthenden Wasser schwanken, verlangt Muth. Nimmt man dazu die Dämmerung des tiefen Spaltes, worin nur ein schmaler Streifen Himmel sichtbar wird, so sieht man, daß Kaltblütigkeit hier an ihrem Orte ist.

Vor einigen Jahren ereignete es sich, daß einer von den Knechten, die in den Wassern des Abgrundes arbeiteten, des Abends beim Herausziehen vergessen wurde. Das Schreien half ihm nichts, weil das Geräusch des Wassers und des Holzes die Stimme erstickte. Er versuchte es, in der Richtung gegen Rainthal hin dem engen Abgrunde zu entfliehen, vermochte es aber nicht, weil sich eine sehr tiefe Stelle vorfand, über welche er nicht hinüber kommen konnte. Von einem Entrinnen gegen Garmisch hin konnte noch weniger die Rede sein, weil er die ganze Klamm hätte durchwaten müssen und in der Dunkelheit sicher ertrunken, gegen die Wand geschleudert oder von Scheitern erdrückt worden wäre.

Als er so in dem quirlenden, von auf- und absteigenden Holzscheitern eingeengten Wasser sich herumtastete, gerieth er einmal an einen Felsblock, der nahe an der Wand im Wasser lag. Dieser, an dem er sich mit beiden Händen halten konnte, bot ihm zwar Schutz gegen das reißende Wasser, aber es war doch ein unbequemer Zufluchtsort, weil gerade ob diesem Block die Wand bedeutend überhängt und so denjenigen, der beim Blocke steht, nöthigt, sich zu bücken. Als er deßhalb den Block wieder loslassen wollte, fand es sich aber, daß links und rechts davon das Wasser im Grunde Tobel von solcher Tiefe abgewaschen hatte, daß es über ihm zusammengeschlagen wäre und ihn erstickt hätte. Man sollte glauben, wohin man den Weg findet, von dort finde man ihn auch wieder zurück. Das ist aber nicht immer wahr. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß ich von einem Felsstücke, zu welchem ich beim Ueberschreiten eines wenig bedeutenden Bergflusses gekommen war und auf welchem ich einige Augenblicke ausruhte, nach keiner Richtung hin weiter kommen konnte und endlich durch zugeworfene Seile aus dem Schwall erlöst wurde. So fand auch dieser Knecht die Richtung nicht wieder, in welcher er hinter seinen Block gerathen war, und blieb bei ihm stehen. Die Nacht, während welcher er, den Block umhalsend, bis an die Brust im Wasser gebückt unter der Wand aushalten mußte, wird ihm lang geworden sein. Morgens endlich hörten die Leute von Mitter-Graseck sein Geschrei und schafften Hülfe herbei, so daß er in kläglicher Verfassung durch ein Seil hinaufgezogen wurde.

An der obern Mühle bei der Partenkirchener Kohlstatt ist der Rechen in der Partnach, welcher die der Partnach entronnenen Hölzer aufhält. Dort stehen diejenigen, denen das Holz gehört, und geben auf die heranschwimmenden Hölzer Obacht. Die Gewöhnung schärft ihren Blick, und so erkennen sie gleich, ob das ankommende Scheit ein ihriges ist oder nicht. Schwimmt Eigenthum daher, so haben sie es blitzschnell mit dem Griesbeil erfaßt und werfen es auf den triefenden Haufen, der sich am Ufer ansammelt.

So viel, was das Holzrennen in der Partnachklamm anbelangt.

Ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, noch einiges Andere über diese Klamm hinzuzufügen, was den Sommerwanderern entgeht.

Der Landschaftsphotograph Bernhard Johannes in Partenkirchen, dessen prächtige „Studienblätter“ in so manchem Düsseldorfer und Berliner Atelier angetroffen werden, wo sie den Malern gute Dienste leisten, machte mich einmal auf das Schauspiel der vereisten Klamm aufmerksam. Um zu erklären, was dies heißen soll, sage ich, daß fortwährend Wasseradern von den hohen Rändern in den Abgrund hinabtriefen. Nach anhaltendem Regen oder nach Gewittern sind es zahllose Wasserfälle, die hinabstäuben. Die Klamm in diesem Zustande zu sehen, gehört zu den angenehmsten Reiseerfahrungen. Ein anderes Gesicht nimmt sie im Winter an. Die hervorsickernden Wasser gefrieren, die darüber hinträufenden gefrieren wieder, und so setzen sich allgemach Eiswülste von großer Pracht an. Sie sind oben, wo sie sich um das Ufer des Abgrundes biegen, am dicksten und enden ein paar Dutzend Klafter weiter unten in einer Menge von grünblauen Spitzen, die in die Nacht hinabzüngeln.

Schon die Einbildungskraft sagt Jedem, daß diese starren Gebilde ein schönes Schaustück darstellen müssen. Indessen muß man den Schlund in diesem Zustande doch gesehen haben, um sich eine gute Vorstellung davon zu machen. Drei Zeiten insbesondere sind schön, um die Eisbogen über den nächtlichen Wassern zu betrachten.

Zuerst der Mittag. Denn um die Zeit des Jahres, in welcher die todten grünen Wasserfälle hängen, kommt die Sonne nur auf wenige Augenblicke, um Mittag, in die Klamm. Dann muß man auf der erwähnten Brücke stehen und sich des Gegensatzes freuen, in welchem die vom Strahl getroffenen obersten Eiswülste am Rande blenden, während ihre spitzigen Enden mit Wasser und Gestein in gleichförmiger Nacht versteckt bleiben. – Sodann die Mondnacht. Nur hier und dort hängt eine Scheibe des gelben Lichtes an den Wänden. Manchmal flirrt der Strahl am Eise in der Tiefe, während die hohe Wulstung oben beschattet bleibt. Dann scheint ein Schatz „heraufzublühen“, wie in den Geheimnissen der Johannisnacht. Felsen und Eis sind mit dünnem Schnee angestäubt, den der Zugwind der Klamm von den Bäumen streift. Dieses Weiß steht sanft im Mondlichte da, [52] als wären wir im marmornen Saale. Bei Nacht fallen die Wasser stärker, und die nächtliche Stunde im Donner der unsichtbaren Wellen, die in’s Meer wallen, im Irren der Mondlichter und im Auf- und Abblinken des ruhigen Eises, diese Stunde vergißt Niemand, der sie auch nur einmal durchlebt hat. – Zuletzt im Frühjahre, im Hornung, im März, ja sogar im Mai – je nachdem der laue Wind Herr geworden ist in der Welt. Die Schlucht starrt noch von Eis, wenn draußen die Buchenknospen aufspringen. Da muß man Glück haben und einmal hineinkommen, wenn so ein breiter Wasserfall von Eis, unten durch laue Tropfen längst morsch gemacht, urplötzlich krachend abfällt. Der Alte vom Berge spricht auch hier seine klangvolle Sprache: wie Schlachtendonner dröhnt es aus dem Abgrunde, in welchem die Eisorgel, die mit einem Gewicht von Tausenden von Centnern am Felsen klebte, zu zahllosen glasigen Splittern zerschlagen wird. Bald stäubt wieder der sanfte Frühlingsbach über die Furche hinab, die jene im Fallen gerissen hat. Das Tönen ihres Sturzes aber gehört zur Symphonie des Lenzes in dieser großen Welt.

Am 12. December 1870 stand ich bei dem erwähnten Landschaftsphotographen Johannes auf der Brücke und unterstützte ihn in seiner Hantierung, ein Bild vom vereisten Abgrund zu schaffen. Wer es weiß, was derlei sagen will, wenn der Wärmemesser fünfzehn Grade unter dem Eispunkte zeigt, der wundert sich über das Gelingen. Auf Knieen und Händen rutschend mußten die Werkzeuge an den Brückengeländern so gehalten werden, daß ihnen der einzige Sonnenstrahl des Wintertages, der die Eiswölbungen traf, nicht entging. Froh und stolz über das gelungene Kunststück, ist er aus der Kluft heimgegangen; nicht minder froh war ich, daß wieder einmal etwas aus verborgener Werkstätte für die Augen aller Menschen an’s Licht gezogen und der große Proteus in einer seiner Launen festgehalten worden war.

Manche Klammen sind der Hel geweiht, zum Beispiel die ganz in der Nähe befindliche Seins-Klamm bei Mittenwald. Dort hinein warf man im Mittelalter alle diejenigen Menschen und Thiere, die keines natürlichen Todes gestorben waren, und es ist kaum hundert Jahre her, daß der Leichnam eines armen Weibes, das als Hexe gestorben war, vom Abdecker in jenen Schlund gestürzt wurde. Ob die Partnach-Klamm jemals von den Werdenfelsern als ein solch unheimlicher Ort betrachtet wurde, weiß ich nicht – die Schauer ihrer finsteren Wassergänge würden dadurch nicht vermehrt, wohl aber durch einen Geländersteig, der es dem aufregungslustigen Fremdling möglich machte, in der hallenden, dunkeln Tiefe selbst dahinzugehen, während er dermalen den Schlund meist nur aus der Vogelschau zu übersehen vermag.

Damit genug von der Partnach-Klamm. Denn mit der Schilderung sommerlicher Pracht der Blumen am feuchten Fels, ihrer Kühlung und anderer Annehmlichkeiten, die Tausende gesehen und empfunden haben, soll an diesem Orte der bemessene Raum nicht vergeudet werden.