Wer anderen eine Grube gräbt

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Autor: Walther Kabel
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Titel: Wer anderen eine Grube gräbt
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1915, Zweiter Band, Seite 230–231
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Erscheinungsdatum: 1915
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[230] Wer anderen eine Grube gräbt – wird durch eine kürzlich in Ungarn passierte Geschichte in recht eindringlicher Weise illustriert. Der Bauer Franz Gal in K. wußte, daß sein Nachbar Joseph Warga ein Paar Mastochsen für 1800 Kronen verkauft hatte. Als nun Warga und seine Frau am Abend desselben Tages ihr Haus verließen und zur Kirche gingen, schlich sich Gal in die verlassene Wohnung, in der nur noch das sechsjährige Töchterchen des Ehepaares anwesend war. Nach längerem Suchen fand Gal das Geld, das er sich aneignen wollte, im Ofen und steckte es zu sich.

Damit ihn nun das Kind nicht verrate, wollte er es beiseite schaffen. Er knüpfte zu diesem Zwecke einen Strick an einen Haken im Deckenbalken, machte eine Schlinge und stellte einen Stuhl darunter. Wie im Scherz forderte er dann die Kleine auf, doch einmal den Kopf in die Schlinge zu stecken. Das ahnungslose Kind meinte lachend, der „Onkel“ solle ihr das erst vormachen. Gal, ein sehr kräftiger, korpulenter Mensch, kletterte wirklich auf den Stuhl und legte sich die Schlinge um den Hals. Plötzlich brach der Stuhl unter ihm zusammen, und der Bauer, der mit den Füßen nicht ganz den Fußboden erreichte, war verloren.

Erst lachte die Kleine noch über die verzweifelten Anstrengungen des „Onkels“, sich aus der Schlinge zu befreien. Als Gal jedoch schließlich immer stiller wurde und sich sein Gesicht schrecklich verfärbte, bekam das Kind es mit der Angst und lief schreiend in die Kirche, wo es den Eltern von dem merkwürdigen Scherz des Nachbars erzählte. Als die Leute dann in das Haus [231] eilten, war der Dieb bereits eine Leiche. In seiner Tasche fand man das gestohlene Geld, und die Angaben des Kindes klärten den wahren Tatbestand vollends auf. –

In einer wirklichen Grube, die er zum Schaden anderer gegraben hatte, kam unlängst ein Verbrecher in New York um. Der Sachverhalt war folgender. In einer Straße des New Yorker Ostens mit sehr lebhaftem Verkehr brach eines Tages ein Teil des Straßenpflasters ein. Dies führte zu einer überraschenden Entdeckung. Ein Pole namens Piwalla war vor zwei Monaten in New York angekommen und hatte in dieser Straße Wohnung bezogen. Ihm gegenüber befand sich der Juwelenladen einem Landsmannes von ihm. In unauffälliger Weise hatte Piwalla in Erfahrung gebracht, daß dieser Juwelier außer einer ungeheuren Menge Juwelen von großem Werte an bestimmten Tagen auch noch Bargeld im Betrage von fast zwei Millionen Mark in seinem Geldschrank habe. Um nun den Juwelierladen ausrauben zu können, kam Piwalla auf die Idee, einen Gang von dem Keller seines Hauses nach dem gegenüberliegenden Grundstück zu graben. Er stellte auch wirklich einen Schacht unter dem Straßenpflaster her. Nachdem er mühsam und zumeist während der Nacht diesen unterirdischen Gang bereits in einer Länge von nahezu 5 Meter gegraben hatte, fiel das Erdreich plötzlich über ihm zusammen und begrub den sonderbaren Maulwurf, der nur noch als Leiche aus der Grube herausgeholt werden konnte.

W. K.