Wiener Eissport
[168] Wiener Eissport. Gern komme ich, meinem Versprechen gemäß (vergl. das „Internationale Eislaufen in Wien“, Nr. 7 d. Jahrgangs), auf das diesjährige Costümfest des Wiener Eislaufvereins zurück. In jedem Winter wird nämlich, je nach der Strenge desselben, ein- oder zweimal ein solches Fest in der österreichischen Metropole abgehalten, dem die Erfahrung der berühmten Wiener Maskenbälle zu Statten zu kommen pflegt. Sowohl diese Erfahrung, wie diese centrale Lage des Eisplatzes, die andauernde Eisdecke[1] und die trotzdem im Vergleiche zu den nordischen Städten verhältnißmäßig milde Witterung, sowie endlich die großartige elektrische Beleuchtung wirken zusammen, um diese Nachtfeste zu ganz eigenartigen zu machen, gegen welche auch die berühmten Eisfeste in Petersburg, New-York und Montreal zurückstehen müssen. Um denselben stets neuen Reiz zu verleihen, pflegt eine gewisse Abwechselung in den Darstellungen eingehalten zu werden, indem in dem einen Jahre die Costüme nach den historischen Trachten eines gewissen Zeitalters gewählt werden, in dem andern die Trachten der verschiedenen Volksstämme Oesterreich-Ungarns zur Geltung kommen, im dritten ein niederländisches Eisfest in vervollständigtem Maße nachgeahmt und im vierten oder fünften ein venetianisches Nachtfest oder eine Nordpolfahrt zur Darstellung gebracht wird.
In diesem Winter war, theils wegen der Unsicherheit der Witterung, theils weil sich die Aufmerksamkeit auf das internationale Wettlaufen concentrirte, den Mitgliedern des Eislaufvereins die Wahl der Costüme anheim gestellt worden, sodaß unter den rauschenden Klängen der Militärmusik, unter dem Blitzen und Leuchten des elektrischen Lichtes und der bengalischen Feuer eine überaus bunte Menge „auf Flügeln des Stahls“ in der spiegelglatten Bahn sich herumtummelte, welche amphitheatralisch von Tausenden von Zuschauern umgeben war. Da sah man die mannigfachsten Verkleidungen, von der Rococodame bis zum Fichtenkleid des Waldfräuleins, vom Gorilla bis zum stahlgepanzerten Ritter. Den Brennpunkt des Schauspieles bildete diesmal eine Gesammtdarstellung der vier preisgekrönten Figurenläufer. Der fünfte Preisträger, Axel Paulson aus Christiania, war bereits in seine nordische Heimath zurückgekehrt.
Der Abend begann mit einem Festzuge, welcher sich auf dem benachbarten kleinen Eisplatze aufgestellt und, mit den ersten Klängen der Musik durch einen Canal in den großen Platz einlenkend, denselben mehrmals umkreiste, vorauf einen von einem Dutzend Pagen mit bengalischen Fackeln geleiteten Triumphschlitten, dessen leuchtende Pracht einen imposanten Eindruck machte. Der Zug stellte sich dann im Halbkreis auf, um den vier preisgekrönten Eiskünstlern Platz zu machen, während die jüngern und lebhaftern Mitglieder jede Pause benützten, um im Hintergrunde die Freuden des Eislaufes bis zur Neige auszukosten, und traute Liebespaare Arm in Arm ungestört in Bogen dahin schwebten. Waren ja Aller Augen auf die vier Preisträger gerichtet, welche mit vollendeter Eleganz wie spielend die schwierigsten und graziösesten Evolutionen und Gesammtfiguren ausführten; sie wirbelten, vorwärts und rückwärts springend, in mannigfaltigen Schlangen- und Schlingenwindungen durch einander und entlockten den Tausenden von Zuschauern einen Beifall, der weit stürmischer erbrauste, als er je im Ballet sich kundgab. Und doch wird dieses Bild noch von einem hinreißenderen Schauspiele übertroffen, von der Eisyacht nämlich, wenn sie, auf weiter Seefläche bei einer guten Brise lavirend, mit den Flügeln der „Windsbraut“ dahinfährt und den Courierzug hinter sich läßt. Doch davon ein anderes Mal! M. W.
- ↑ Sogar in diesem milden Winter hatten wir 42 Schleiftage.