Ein Armenbegräbniß

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Titel: Ein Armenbegräbniß
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 168
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
vergl. Erklärung im Jg. 1883, Heft 10
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[168] Ein Armenbegräbniß. Wie uns aus Neustadt bei Magdeburg berichtet wird, wurde dort im November vorigen Jahres die Leiche eines elfjährigen Knaben in folgender Weise beerdigt. Der Vater, ein beschäftigungsloser Arbeiter, nahm ein Brett, versah dieses mit zwei Leisten, legte sein todtes Kind darauf und ging mit dieser Last vor Tagesanbruch auf den Friedhof. Hier klopfte er den Todtengräber heraus, welcher ihm die Grabstelle mit dem Hinzufügen bezeichnete, er möge den Leichnam dort niederlegen. Der Vater that wie ihm geheißen und verließ den Friedhof. Das „Uebrige“ haben im Laufe des Tages die Todtengräber besorgt.

Gegen eine derartige Behandlung der Todten empört sich das Herz mit Recht, und wir halten es für angezeigt, hier öffentlich die Frage aufzuwerfen: wer trägt die Schuld an diesem Vergehen gegen die Humanität?

Nach den von uns angestellten Recherchen war die Leidensgeschichte des Knaben folgende:

Der Erdarbeiter Meffert, ein sonst fleißiger und ordentlicher Mann, wurde in Folge des Aufhörens der Arbeit beschäftigungs- und brodlos. Die geringe Habe der Meffert’schen Familie wanderte bald in’s Leihhaus, und da die Frau erkrankte und der älteste elfjährige Sohn an Auszehrung litt, sah sich der Vater genöthigt, die Hülfe der Armenbehörde anzurufen. Unter schweren Umständen wurde dem Kinde die Verabreichung der Armenmedicamente bewilligt, aber schon beim dritten Besuche erklärte der Armenarzt, es sei ihm verboten worden, ferner dem Kinde Medicamente zu verabreichen, weil der Vater den Herrn Armensecretär beleidigt habe. Das Kind blieb in Folge dessen ohne ärztliche Hülfe und siechte langsam dahin.

Nach dem Tode des Knaben wandte sich der Vater, da es ihm unmöglich war, einen Sarg zu beschaffen, an die betreffenden Communalbeamten mit der Bitte um die Bewilligung eines Armensarges, aber auch dieses Gesuch blieb ohne Erfolg. Der Begräbnißact wurde hierauf in der oben geschilderten Weise vollzogen.

Wir stehen heute mitten in einer Bewegung, welche die Armenpflege nach humanitären Principien neu gestalten will und den bedeutendsten Theil derselben öffentlichen Beamten zu übertragen beabsichtigt. Wenn aber aus dieser Neugestaltung ein wahrer Nutzen für die Armen erwachsen soll, so muß vor Allem darauf geachtet werden, daß die Grundsätze der Humanität in den Armenverwaltungen gebührend beachtet werden, was in der Sache Meffert’s in offenkundiger Weise unterlassen wurde.

Wir erachten es daher für unsere Pflicht, diesen traurigen Fall zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, um durch die Macht der öffentlichen Meinung die Wiederholung ähnlicher Strafmaßregeln, welche, selbst wenn sie berechtigt wären, nur den Unschuldigen treffen würden, zu verhüten. D. Red.