Wieviel trank ein alter Römer auf einmal
[131] Wieviel trank ein alter Römer auf einmal? Wir finden in der
Naturgeschichte des älteren Plinius im 14. Buch eine sehr interessante
Abhandlung über den Weinstock, den Weinbau und den Weinverbrauch in der
Zeit der römischen Kaiser. Wir erfahren unter anderem daraus, daß die Sitte,
den weißen Wein mit Pinienharz zu versetzen, das ist zu pichen oder zu
refiniren, wie wir solche bei den heutigen Griechen finden, damals schon
in weiter Ausdehnung herrschte. Zum Schlusse erzählt uns denn auch
noch Plinius von den größten Weinschwelgern seiner Zeit. Das damals
übliche Weingefäß war der Congius. Er enthielt etwas mehr als ein
Liter. Die größten Pokale aber hielten drei Congius oder 972/100 Liter,
oder rund 10 Liter jetzigen Maßes. Einen solchen Pokal von 10 Liter
schweren Weines konnte damals Novellius Torquatus auf einen Zug und
ohne abzusetzen austrinken. Der Kaiser Tiberius, der selber in seinen
jüngeren Jahren ein großer Weinschwelger gewesen, wohnte einer solchen
Trinkprobe in höchsteigener Person bei, und Plinius unterläßt nicht zu
notiren, daß gedachter Trinkkünstler, welcher den Ehrennamen Tricongius
(oder Zwölfflaschen-Mann) führte, sich einer hohen Achtung erfreute (!)
und alle Ehrenstellen, vom Prätor bis zum Prokonsul hinauf, bekleidet
hatte; sowie ferner, daß „er beim Trinken weder Athem holte noch ausspuckte,
und niemals in dem Becher so viel zurückließ, daß diese Tropfen,
wenn man sie auf die Tafel ausspritzte, ein Geräusch machten.“ (Auf
diese Art machte man damals die „Nagelprobe“.) Neben dem Novellius
Torquatus war als Trinker berühmt der Sohn des Redners und Staatsmannes
Marcus Tullius Cicero. Dieser junge Marcus studirte in Athen
und vertilgte dort Unmassen von Falerner- und Chierwein, während er
seinem Vater nach Rom schrieb, wie er ohne Unterlaß die gelehrtesten
Rhetoren frequentire und sich sehne, demnächst mit dem Herrn Papa sich
über Philosophie und sonstige Wissenschaften zu unterhalten. So weit
wie Torquatus aber vermochte es der junge Cicero doch nicht zu bringen.
Er war kein Tricongius, sondern nur ein Bicongius das heißt er konnte
nicht zwölf, sondern nur acht Flaschen auf einmal austrinken. Nicht
minderen Ruhmes erfreute sich Marcus Antonius, der Feind und Mörder
des großen Cicero. Indessen schämte sich Antonius durchaus nicht
seines Trinkens, sondern schrieb eine dasselbe verherrlichende Schrift,
welche er kurz vor der Schlacht bei Aktium herausgab. Man sieht daraus,
wie sehr diese Römer die heutigen Engländer übertreffen, welche ihren
Fox, um auszudrücken, wie außergewöhnlich viel er trank, als den
„Sechs-Flaschen-Mann“ bezeichnen. Was will Fox sagen gegen den Tricongius
Torquatus, von welchem Plinius versichert, daß er die zwölf Flaschen in
einem Zuge schlürfte, dabei aber „noch ebenso viel in kleineren Zügen
nachtrank und doch seine Morgenwache gewissenhaft versah“! Die Schrift
des Marcus Antonius ist uns leider verloren gegangen. K. B.