Die Einführung der Taschentücher
[131] Die Einführung der Taschentücher stieß auf manche Hindernisse;
es gab Zeiten, wo selbst die feinsten Französinnen diesen Gegenstand
nicht zu kennen sich den Anschein gaben, der in anständiger Gesellschaft
durchaus nicht benutzt werden durfte, den selbst in den thränenvollsten
Scenen kein Schauspieler, keine Schauspielerin anzuwenden wagte.
Mademoiselle Duchenois war die Erste, welche den Muth hatte, auf der
französischen Bühne ein Taschentuch in der Hand zu tragen, aber wenn
das Stück die Erwähnung dieses verpönten Stückchens Battist verlangte,
sprach sie von ihm als dem „zarten Gewebe“. Entrüstungsrufe
wurden laut, als einige Jahre später De Vigne den „Othello“ auf die
Bühne brachte und das Wort „Schnupftuch“ ohne Scheu ausgesprochen
wurde. Die Kaiserin Josephine machte dieser Prüderie ein Ende. Sie
hatte schlechte Zähne und versteckte diese hinter einem mit kostbaren Spitzen
besetzten Taschentuche, das sie fast beständig vor den Mund hielt. Die
Hofdamen folgten diesem hohen Beispiele, und das Taschentuch nahm seine
hervorragende Stelle unter den Gegenständen weiblicher Toilette ein. R.