Wilhelm Löhes Leben (Band 3)/Der Krieg von 1870/71

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« Der Krieg des Jahres 1866 und Löhes Stellung zu demselben Johannes Deinzer
Wilhelm Löhes Leben (Band 3)
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Der Krieg von 1870/71.
 In diesem Krieg kamen auch die Diakonissen von Neuendettelsau in ausgiebigerer Weise zur Verwendung als im Jahr 1866. Fast ein Drittel seiner gesammten Schwesternschaft (die damals ca. 150 Schwestern und Probeschwestern betrug) stellte Löhe den Militärbehörden zur Verfügung. Diese Leistung war nur dadurch möglich geworden, daß man eine Reihe von Stationen, deren Thätigkeit einen solchen Stillstand zuließ, während der Dauer des Kriegs einzog und auf den übrigen Stationen die Zahl der Schwestern auf den knappsten Stand herabsetzte. Einige zwanzig Schwestern zogen als „Kreuzfahrerinen“ mit dem roten Kreuz nach Frankreich; ebensoviele dienten in den Kriegslazarethen der Heimat. Ja sogar die „Dettelsauer Landwehr“, die leitenden Schwestern| an den verschiedenen Anstalten Dettelsaus selbst, die sonst als „nicht amovibel“ galten, mußten ein paar mal ausrücken, um von Chalons und Lagny Spitalzüge mit Verwundeten abzuholen. Von denjenigen, welche nach Frankreich zogen, war es mehreren vergönnt, in der unmittelbarsten Nähe der großen Ereignisse welthistorische Augenblicke dieses Jahrhunderts, z. B. die Proklamation des neuen deutschen Kaisertums im Königsschlosse zu Versailles am 18. Januar 1871 als Augenzeugen mit zu erleben. Sie alle kamen nach geschlossenem Frieden unversehrt aus Frankreich zurück, nicht minder dankbar als die Soldaten, daß ihre Ritterschaft ein Ende hatte.

 Löhe selbst, obwol damals schon von körperlicher Schwachheit schwer heimgesucht, nahm dennoch an den Ereignissen jener großen Zeit lebendigen Anteil. Den Sturz des französischen Kaisertums und die Gefangennehmung Napoleons feierte er mit einem Te Deum und das Friedensfest wurde nach dem Dankgottesdienst im Betsaale durch eine Illumination verherrlicht, die für ein Dorf glänzend zu nennen war.

 Seine Stellung zum Krieg von 1870 war natürlich eine andere als die zu dem Bruderkrieg von 1866. Zwar waren es auch hier wieder vorzugsweise geistliche Töne, die er anschlug, zumal in den damals von ihm verfaßten Kriegsgebeten, die in den Abendgottesdiensten im Betsaal von der dort versammelten Gemeinde täglich gebetet wurden. Es wurde da Gott angerufen für die Soldaten, um die Gnade der Benutzung der ihnen noch gegönnten Gnadenzeit, um Bewahrung vor unheiligem Zorn und Grimm, um eine gute Ritterschaft nach Art der legio fulminatrix. Für die, die nach Gottes Rat den Tod erleiden sollten, wurde gebetet: „Gib den Fallenden die lebendige Hoffnung ihrer Auferstehung und führe sie gereinigt durch das Blut des Bundes ein in die ewigen Hütten.“ Für die Diakonissen: um Stärkung und| Bewahrung an Leib und Seel und um die barmherzige Teilnahme, die es versteht „mit den Trauernden zu weinen, mit denen sich zu freuen, die unter ihren Händen genesen, und die Sterbenden zu trösten und ihnen wohlzuthun, wie Einen seine Mutter tröstet und ihm wohl thut“. Für die Feinde: „Verleihe uns das Racheschwert so zu führen, daß wir nicht allein auf sie schlagen, sondern auch für sie beten, ihnen in der einen Hand das Schwert, in der andern aber die Flasche (mit Öl und Wein) des guten Samariters bieten.“ Bezeichnend für seine Auffassung der Dinge war auch eine kurze Predigt Löhes vom 7. September 1870 über Jacobi 5, 7–11, in der er ausführte, wie es neben der lauten, glänzenden Größe der That, der kriegerischen Heldenthat, auch noch eine stille, unscheinbare, aber in Gottes Augen noch höher geschätzte Größe: die der Geduld im Leiden gebe. Hiob sei groß und hochberühmt in der Stadt des lebendigen Gottes nicht von wegen dessen, was er that, sondern als ein Exempel der Geduld. Noch größer sei das Beispiel des Herzogs aller Dulder, des Lammes Gottes, „allzeit erfunden duldig.“ So würde unsrer großen Zeit doch etwas Wesentliches zur Größe fehlen, wenn sie nicht auch Beispiele des stillen Heldentums des Duldens und der Geduld im Leiden hervorgebracht hätte. „Gott ist ein Gott der Geduld und hat Beispiele der Geduld aufgestellt: die Propheten und Hiob und Seinen eingebornen Sohn, an denen wir lernen können, was groß und herrlich ist, nämlich dulden. Wenn Gott noch so Großes und Herrliches an uns thäte und er gäbe nicht Beispiele der Geduld, so wäre er (so zu sagen) aus seiner eignen Art geschlagen. Geduldig sein – das ist Größe. Was haben die gethan, die in diesem Jahr unsterblichen Ruhm und Lorbeerkränze sich erworben haben? Sie haben ihr Haupt geneigt im Todesleiden, für’s Vaterland gelebt und ihre Seelen ausgehaucht. Ihr größtes Lob ist die Geduld. Nimm die Geduld, die Leiden, die Todesseufzer weg, so| hast Du das Beste weggenommen, denn das Beste ist der Weg Hiobs und der Weg dessen, den wir preisen sollen in seiner Geduld bis zu seinem: Es ist vollbracht. So laßt uns denn auch in unserem Maße, wie Er es von uns verlangt, dahin gehen in unserem Leiden und verharren in der Geduld, denn wer im Leiden geht und geduldig ist, dem wird gegeben mit Ruhm und Preis die Krone der Geduld, die Krone der Propheten, die Krone Hiobs, die Krone des eingebornen Sohnes.“

 So nahm Löhe auch in jener hocherregten Zeit, da die nationalen Empfindungen und Interessen bei vielen alle anderen verschlangen, einen gewissermaßen außerweltlichen Standpunkt ein, eingedenk des Wortes Jesu: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Dies hinderte nicht, daß er den unerhörten Siegesgang der deutschen Heere mit patriotischer Teilnahme begleitete. Die Entstehung des deutschen Kaisertums und die Einigung der deutschen Stämme im neuen Reich hat er mit Freude und Segenswünschen begrüßt. Die Wolken, die die Morgenröte des deutschen Reiches so bald trübten, hat er nicht mehr gesehen. So konnte er auch mit unverkümmerter Freude für das Große danken, das Gott in jenem Krieg an dem deutschen Volke gethan hat, und er hat diesem Dank Ausdruck gegeben in dem letzten der obenerwähnten Kriegsgebete, einer freien Variation des Magnificat, dieses Paradigmas der Weltgeschichte, das in so erhabenen Worten das Walten des göttlichen Arms besingt, der die Machthaber von ihren Thronen stößt und die Elenden erhöht.



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