Wilhelm Löhes Leben (Band 3)/Die Gründung der Iowasynode

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« Streit über die Lehre von Kirche und Amt. Bruch der Missourisynode mit Löhe Johannes Deinzer
Wilhelm Löhes Leben (Band 3)
Fünftes Kapitel »
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Die Gründung der Iowasynode.


 Die Wirksamkeit Löhes in Michigan war aufgegeben. Man wollte den ob auch unberechtigten Ansprüchen Missouris weichen, nicht „Altar gegen Altar aufrichten.“ Der Staat Iowa war von dem damaligen Präses der Missourisynode als außerhalb ihres synodalen Territoriums gelegen bezeichnet worden. Darin lag die Erklärung, daß von seiten der Missourisynode einer neuen Missionswirksamkeit Löhes in jenem Staat kein Widerstand entgegengesetzt werden solle.[1] Löhe, hiervon benachrichtigt, ließ alsbald an Großmann und Deindörfer die Weisung ergehen: „Auf, nach Iowa!“

 Nachdem eine Untersuchungsreise in das nordöstliche Iowa ein günstiges Resultat ergeben hatte, brachen noch im Herbst 1853 Großmann und Deindörfer mit zwei Zöglingen des Schullehrerseminars und dem Gründer der Kolonie Frankenhilf (Amman) nach dem damals noch fernen Westen Iowas auf. „Zieht nur hin; vor euch kann der HErr nicht herziehen, aber Er wird hinter euch hergehen mit seinen Gerichten und euch demütigen“: dies war der Valetsegen, den ihnen einer der missourischen Pastoren in Michigan mit auf den Weg gab.

|  In Dubuque, einer Stadt am Mississippi, an der Grenze von Iowa, Illinois und Wisconsin gelegen, damals der „Schlüssel des Westens“ genannt, ließ Großmann mit dem Seminar sich nieder, um welches her sich allmählich eine Gemeinde bildete. Deindörfer und Amman zogen weiter landeinwärts und begründeten in einer sie sehr „deutschländisch“ anmutenden Gegend, wo Prairie und Waldlandschaft miteinander abwechselten, die Kolonie St. Sebald am Quell. Es ging durch heiße Anfangsnöten hindurch, sowohl in St. Sebald wie in Dubuque. Es war von Löhe, als er die Weisung zur Übersiedlung nach Iowa gab, auf einen leichten und raschen Verkauf des in Michigan erworbenen Eigentums gerechnet worden. Aber die Flüssigmachung des dort in Land und Baulichkeiten angelegten Kapitals ging nur langsam und mühselig vor sich. Infolgedessen konnte Löhe die neue Unternehmung in Iowa nicht nach Bedarf und nach Wunsch unterstützen, ein Notstand, der zuweilen bei den ersten Pionieren in Iowa Mut und Freudigkeit zu lähmen, ja auch das Verhältnis zu den Vätern und Leitern des Werks zu trüben drohte. Zwar that die Gesellschaft für innere Mission nach – um nicht zu sagen – über Vermögen, aber ihr Vermögen war eben nicht groß. „Wir sind immer die Armen von Lyon,“ sagte Löhe, „ein armes Wasser Siloah. Wenn der HErr uns nicht segnen wollte, würden wir gar vertrocknen.“ So war es denn nicht zu vermeiden, daß trotz aller Anstrengungen der Freunde in Deutschland die ersten Arbeiter in Iowa oft unter dem Joch bittrer Armut seufzen mußten. Auch alle übrigen Verhältnisse der neuen Gründung ließen sich kümmerlich an. Zwar hatten sich zwei kleine Gemeinlein, das eine in Dubuque, das andre in St. Sebald gebildet, aber sie bestanden hauptsächlich aus den wenigen Leuten, die mit dem Seminar aus Michigan eingewandert waren, und hatten vorerst keine Aussicht auf Wachstum, blieben auch – wie ein eben erst in die Erde gelegtes Samenkorn – Jahr und Tag allein. Als| dann im Sommer 1854 aus der Missionsanstalt Neuendettelsau zwei weitere Arbeiter, darunter der jetzige Prof. S. Fritschel, nachgesandt wurden, schritt man zwar bereits zur synodalen Organisation. Es waren aber nicht mehr als vier Brüder, welche am 24. August 1854 im Pfarrhause zu St. Sebald durch ihr Zusammentreten die evangelisch-lutherische Synode von Iowa begründeten. Kaum ist wohl jemals eine lutherische Synode unter kümmerlicheren Verhältnissen und geringeren Aussichten gestiftet worden.
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 Die angehende Synode besaß zwar – ohne Zweifel zu früh für ihre finanziellen Mittel – ein eignes Seminar, für welches die Gesellschaft für innere Mission den Kaufpreis (3800 Gulden) aufgebracht hatte, aber die Sorge für den Unterhalt desselben mußte ersterer überlassen bleiben. Die wenigen Synodalmitglieder waren noch jung und ohne reife kirchliche Erfahrung; einer der vier Brüder lag gerade zur Zeit der ersten Synodalversammlung todkrank danieder. Das Versammlungslokal war ein kleines Zimmerchen mit rohen Bretterwänden, das zugleich als Kirche und Studierzimmer diente. Hier mußte alles auf Glauben gebaut werden. Doch die Hoffnung ließ auch hier nicht zu schanden werden. Freilich in den ersten Jahren ihres Bestehens war die Wirksamkeit der Iowasynode eine unscheinbare und ihr Wachstum nach außen ein geringes. Sie mußte erst nach innen sich befestigen, im Umkreis bekannt werden und ihr Arbeitsfeld kennen lernen. Doch nach Ablauf des ersten Jahrzehnts ihres synodalen Bestandes war sie bereits zu einer Zahl von 50 Gemeinden mit 41 Pastoren herangewachsen, ein Beweis, daß Gottes Segen mit ihr war. Sie hat die Nöte der Anfangszeit, die Anfeindungen ihrer Gegner, auch eine gefährliche innere Krisis mit Gottes Hilfe siegreich überstanden und konnte bei ihrem 25jährigen Jubiläum im Blick auf alle die Widersacher, welche ihr das Leben oft sauer gemacht haben, mit dem Psalmisten ausrufen: „Sie haben mich oft gedrängt von meiner Jugend auf, aber sie| haben mich nicht übermocht.“ Nach den neusten statistischen Angaben zählt die Iowasynode 197 Pastoren mit 315 Gemeinden.

 In der Anfangszeit verursachte die schwersten Sorgen und Nöte der Synode die Unterhaltung ihres theologischen Seminars, trotzdem daß man aus Ersparnisrücksichten im Jahre 1857 die Anstalt von der Stadt auf das Land verlegte, wo sie sich durch Bearbeitung einer Farm in der Nähe von St. Sebald teilweise selbst erhalten sollte. Durch eine mit reichem Erfolg gesegnete Kollektenreise des Prof. S. Fritschel, dem sich namentlich in den russischen Ostseeprovinzen viele teilnehmende Herzen und Hände öffneten, gelang es indessen, die drückende Schuldenlast abzuwälzen. 17 Jahre lang diente das einfache Framegebäude, das in einiger Entfernung von St. Sebald auf mäßiger, aber trotzdem die dort sich verflachende Landschaft weithin beherrschender Anhöhe gelegen war und von den Erbauern „Wartburg“ genannt wurde, dem Seminar zur Herberge. Seit 1874 hat es eine neue und wohnlichere Stätte in Mendota, Illinois gefunden, wo es seiner ländlichen Abgeschiedenheit entnommen, in städtische Umgebung verpflanzt und einem der großen Mittelpunkte amerikanischen Verkehrslebens (Chicago) nahe gerückt ist. Um ihres Ursprungs willen trägt die Synode noch ihren Namen von dem Staate Iowa, wiewohl sie inzwischen in einer ganzen Reihe von Staaten Gemeinden gesammelt und außer in den westlichen Staaten (Iowa, Illinois) namentlich auch im Osten (Michigan und Ohio) festen Fuß gefaßt hat.

 Der Gegensatz zur Missourisynode, welcher den Anlaß zur Gründung der Iowasynode gab, mußte der letzteren von Anfang an eine eigentümliche Richtung aufprägen. Diese Richtung sprach sich am kenntlichsten in dem sog. „Bekenntnisparagraphen“ aus, auf dessen Grundlage die Synode im Jahre 1854 zusammentrat. Er lautete:

|  Die Synode bekennt sich zu den sämtlichen Symbolen der evangelisch-lutherischen Kirche, und zwar deshalb, weil sie die sämtlichen symbolischen Entscheidungen für die vor und in der Reformationszeit aufgekommenen Streitfragen als dem göttlichen Worte entsprechend erkennt. Da es aber innerhalb der lutherischen Kirche verschiedene Richtungen giebt, so bekennt sie sich zu derjenigen, welche auf dem Weg der Symbole an der Hand des Wortes Gottes einer größeren Vollendung der evangelisch-lutherischen Kirche entgegenstrebt.

 Durch diesen Satz sollte Sinn und Bedeutung der Verpflichtung auf die Bekenntnisse bestimmt werden. Es ist damit gesagt, daß die Verbindlichkeit der Symbole sich zunächst auf die Entscheidungen der vor und in der Reformationszeit aufgekommenen Lehrstreitigkeiten bezieht. Auf diese Lehrentscheidungen verpflichtet sich, wer die lutherischen Bekenntnisse annimmt, und zwar weil jene Entscheidungen mit der heiligen Schrift übereinstimmen („das recht verstandene quia“). Es ist kein Zweifel, daß diese Auffassung der Symbole völlig der Bedeutung gerecht wird, welche die letzteren für sich selbst beanspruchen. Nach der bekannten Stelle der Einleitung zur Epitome der Konkordienformel wollen die Symbole „nicht Richter wie die heilige Schrift, sondern allein Zeugnis und Erklärung des Glaubens sein, wie jederzeit die heilige Schrift in streitigen Artikeln in der Kirche Gottes von den damals Lebenden verstanden und ausgelegt und derselben widerwärtige Lehre verworfen und verdammt worden ist.“

 Aus diesem Satz ergiebt sich eine doppelte Folgerung. Einmal diese, daß nicht jede gelegentlich in den Symbolen vorgetragene Lehre oder Lehrmeinung eo ipso schon als Zeugnis und Erklärung des Glaubens der Kirche angesehen werden will, so daß eine Abweichung in solchen untergeordneten Punkten nicht sofort zu| einer Heterodoxie oder gar zu einer Ketzerei gestempelt werden darf. Sodann die andere, daß die Symbole selbst nicht den Anspruch erheben, eine erschöpfende Darlegung des ganzen Lehrgehalts der heiligen Schrift, des ganzen Reichtums der in ihr beschlossenen seligmachenden Wahrheit zu sein, sondern nur Resultat des Schriftverständnisses der Kirche in den geschichtlich aufgetauchten Streitfragen. Ist dem so, so muß auch zugegeben werden, daß auf Grund der bereits gewonnenen Erfahrungen ein Fortschritt der Kirche in der Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheit noch fernerhin möglich ist, oder, was dasselbe ist, daß es kirchlich noch nicht entschiedene und abgeschlossene, sog. „offene Fragen“ gibt, über welche in der Kirche annoch verschiedene Meinungen sind, und – sofern sie nicht wider den Grund des Glaubens verstoßen – auch von der Kirche geduldet werden müssen. Dies ist im wesentlichen der Standpunkt, den die Iowasynode einnimmt. Hierin liegt der Grund ihrer Entstehung und die Berechtigung ihres selbständigen synodalen Daseins. Die Iowasynode ist durch ihre Gründung wie durch ihren Fortbestand ein tatsächlicher Protest gegen die Unduldsamkeit der Missourisynode, welche die Notwendigkeit der Einigkeit im Glauben und Bekenntnis für synodale und kirchliche Gemeinschaft bis zu der Forderung einer absoluten Lehreinheit überspannt und Zustimmung zu allem und jedem verlangt, was irgendwie als Lehre in den symbolischen Büchern sich findet. Die Iowasynode vertritt mit ihrer oben dargelegten Stellung zu den offnen Fragen den Standpunkt eines ökumenischen Luthertums, während der missourische Standpunkt zu eigenliebiger Selbstabschließung, willkürlicher Verengerung der Grenzen der Kirchengemeinschaft, ja zu fortgehender Zersplitterung der lutherischen Kirche führen muß, teilweise schon geführt hat. Dies ist die Bedeutung der von Missouri so vielgeschmähten Theorie von den „offnen Fragen“. Die Synode verstand darunter sebstverständlich nur Lehren von untergeordneter| Bedeutung, etwa dasselbe, was die alte Dogmatik articuli non fundamentales nannte. Als solche „offene Fragen“ erschienen ihr die Lehren von der Amtsübertragung, vom Antichrist, von der Bekehrung Israels als Volk, von der ersten Auferstehung und vom tausendjährigen Reiche. Da über diese Punkte sich bisher in der lutherischen Kirche noch kein einheitliches Schriftverständnis gebildet hat, so glaubt die Synode von Iowa hierin Verschiedenheit der Meinungen dulden zu müssen, dafern dieselben nicht gegen die analogia fidei verstoßen, während die Missourisynode die individuell-lutherische Theorie von der Amtsübertragung und die in der lutherischen Dogmatik überlieferten Anschauungen über die oben erwähnten eschatologischen Fragen als Glaubensartikel und jede Abweichung davon als Irrlehre betrachtet und behandelt.

 In diesen Gegensatz zu Missouri sah sich also die Iowasynode von vornherein gestellt. Sie selbst war von ihrem Stifter zu einer friedlichen Stellung angewiesen. „Die Absicht des Daseins der Iowasynode – sagt Löhe in einem Aufsatz in den kirchlichen Mitteilungen 1859, 8 – ist keine andere als unsere eigene Richtung eines auf alter Basis immer vollständiger sich erbauenden, immer segensreicher wirkenden Luthertums in Amerika zu repräsentieren. Fern von amerikanischer Boxerei und Klopffechterei, im Bewußtsein einer Wahrheit, die nicht zu überwinden ist, stark in der Thesis, geduldig gegen Extravaganzen anderer lutherischer Richtungen, soll sie berufen, sammeln und erleuchten, was Gott der HErr ihr giebt.“

 Aber diese Friedensstellung ließ sich doch nicht lange behaupten. Kaum hatte die Iowasynode ihre ersten Veröffentlichungen ausgehen lassen, so erfolgte von seiten ihrer missourischen Gegner Angriff auf Angriff. Sie wurde beschuldigt daß sie sich nur bedingungsweise zu den lutherischen Symbolen bekenne; es wurde ihr das| Recht auf den Namen einer lutherischen Synode[2] abgesprochen; man nannte sie eine Chiliastensynode, einen Löhe’schen Separatverein, darin der unionistische Schaukel- und Schwindelgeist, eine Ja-und-Nein-Theologie herrsche; man warnte vor ihren Pastoren als Irrlehrern. Ein im Jahre 1867 in Milwaukee zwischen Vertretern der beiden Synoden abgehaltenes Colloquium führte zu einer vorübergehenden Annäherung, aber nicht zu einer Verständigung. Die Heftigkeit des Kampfes steigerte sich vielmehr, bis er in einer Reihe gehässiger Artikel, welche 1874 und 1875 im Lutheraner erschienen, seinen Höhepunkt erreichte. Die ziemlich deutlich durchscheinende Absicht, die Iowasynode und ihre Leiter moralisch zu vernichten, wurde nicht erreicht. Seitdem hat die Kampfeshitze sich abgekühlt; Friede ist zwar nicht eingetreten, aber doch eine gewisse Waffenruhe. Es mag zugegeben werden, daß die Synode von Iowa bei den frühesten Darlegungen ihres Lehrstandpunktes sich nicht sorgfältig genug gegen die Möglichkeit von Mißdeutungen verwahrt hat. Ihre ersten Publikationen tragen das Gepräge einer jugendlich-naiven Offenherzigkeit an sich im Unterschied von den vorsichtiger gehaltenen späteren Erklärungen. Aber man muß eben auch dies zugeben, daß es überhaupt eine schwierige Sache ist, den von der Iowasynode eingenommenen Bekenntnisstandpunkt unangreifbar zu formulieren. Die Forderung, daß man unterscheiden müsse zwischen den strikten Bekenntnissätzen, der Bekenntnissubstanz und dem nur zur Erläuterung und Beweisführung dienenden theologischen Apparat (Synodalbericht von 1858) unterlag der Misdeutung, als sollten nur die thetischen und antithetischen Sätze der Symbole für verpflichtend gelten, während den theologischen Ausführungen der symbolische Wert abgesprochen zu sein schien. Dies war nun freilich die Meinung| der Synode nicht. Sie verstand unter den symbolischen Entscheidungen nicht bloß das, was der Form nach als Entscheidung in den Symbolen vorliegt, sondern alles, was der Intention der Kirche und der Sache nach thetische und antithetische Entscheidung in den Artikeln des Glaubens und der Lehre ist. Der Gefahr, daß bei der Unterscheidung zwischen dem, worauf die Intention der bekennenden Kirche gehe und worauf nicht, auch subjektive Willkür ein Wort mitsprechen könnte, suchte die Synode durch die weitere Forderung zu begegnen, daß die Symbole als Erzeugnisse und Zeugnisse kirchengeschichtlicher Entwicklung im Lichte der Geschichte betrachtet werden müßten. Der Grundsatz ist ohne Zweifel richtig, die Anwendung und Durchführung desselben aber dürfte bei der eigentümlichen Beschaffenheit unserer Symbole nicht immer leicht sein, weshalb es nicht zu verwundern war, daß diese Stellung zum Bekenntnis einem mißtrauischen und übelwollenden Gegner nicht genügte, der seinerseits die verbindliche Kraft der Symbole auf alles dehnte, was irgend als Lehre in denselben vorkomme: ein freilich ungeheuer einfacher und bequemer Standpunkt. Da die Verdächtigungen des Lehrstandpunkts der Iowasynode um jenes sog. Bekenntnisparagraphs willen kein Ende nahmen, so entschloß sich dieselbe, die bisherige Fassung jenes Paragraphs fallen zu lassen und an dessen Stelle ein einfaches Bekenntnis zu sämtlichen symbolischen Büchern „als zu der reinen und ungefälschten Darlegung und Erklärung des göttlichen Wortes und Willens“ zu setzen, eine taktische Maßregel, die nach der Meinung der Synode nur missourischen Angriffen den Scheingrund entziehen sollte, thatsächlich aber wenigstens für den ersten Augenblick bei Freund und Feind den Eindruck hervorrief, als sei sie von ihrer ursprünglichen Stellung zurückgewichen und als habe sie ihre besondere Richtung aufgegeben. Dies war nun allerdings die Absicht der Iowasynode nicht; vielmehr war und ist sie sich bewußt, an den wesentlichen Grundgedanken der überkommenen| Richtung festgehalten zu haben, ohne freilich als Synode die Vertretung der theologischen Meinungen und Lehranschauungen einer bestimmten Richtung übernehmen zu können, als wodurch sie ja selbst dem Fehler des missourischen Princips verfallen würde.

 So viel zur Kennzeichnung der Lehrstellung der Synode von Iowa.

 Der zweite Satz, auf welchen sich die Synode bei ihrer Gründung stellte, lautete:

 „Bei Bildung ihrer Gemeinden genügt ihr nicht bloße Zustimmung zu ihren Grundsätzen in Bezug auf Lehre und Zucht, sondern sie fordert Bewährung und richtet zu dem Ende das altkirchliche Katechumenat auf. In ihren Gemeinden ist apostolisches Leben das Ziel, dem man nachstrebt; um dies zu erreichen, wird amtliche und brüderliche Zucht geübt.“

 Dieser auf Erweckung und Pflege christlichen und kirchlichen Lebens gerichtete Sinn war auch ein der Synode von ihren Vätern her überkommenes Erbe oder – sagen wir lieber – eine von daher überkommene Aufgabe. Eine von Löhe entworfene Kirchenordnung steckte in dieser Beziehung ziemlich hohe Ziele. Die Wirklichkeit hat freilich auch hier das ideale Programm beträchtlich abgemindert. Löhe hoffte jene pia desideria in Bezug auf christliches und kirchliches Leben, die er in seinem „apostolischen Katechismus“ niedergelegt hatte, in den amerikanischen Gemeinden bei den dortigen freieren und günstigeren kirchlichen Verhältnissen eher verwirklicht zu sehen als innerhalb der landeskirchlichen Gemeinden Deutschlands. Doch für den Bau einer „apostolischen Brüderkirche“, wie sie ihm als Ideal vorschwebte, war auch in den freikirchlichen Gemeinden Nordamerikas das Material nicht vorhanden. Bei der religiös-sittlichen Beschaffenheit der meisten Einwanderer, die entweder im Zustand völliger geistlicher Verwahrlosung oder höchstens auf einer| Anfängerstufe des Christentums sich befinden, konnte und kann vielfach auch jetzt noch die Aufgabe der Synode nicht sein „zur Vollkommenheit zu fahren“, sondern erst „Grund zu legen“. Doch strebt die Synode auch in diesem Stück das unter den vorhandenen Umständen Erreichbare an. Die Anerkennung des Rechtes und der Pflicht des Haushalters über Gottes Geheimnisse zur Zuchtübung gegen offenbare und unbußfertige Sünder wird bei der Aufnahme des Einzelnen in die Gemeinde oder der Gemeinde in den Verband der Synode als Minimum gefordert, die Übung der brüderlichen und gemeindlichen Zucht als zu erstrebendes Ziel hingestellt. Das Bestehen und teilweise Blühen der synodalen Anstalten: eines theologischen Seminars in Mendota, eines College und eines Schullehrerseminars in Waverly, zweier Waisenhäuser in Andrew und Toledo bezeugt, daß die Synode ihrer Selbsterhaltungspflicht eingedenk ist, und daß der Opfersinn und der Geist barmherziger Liebe ihr nicht mangelt. Von ihrer Missionsthätigkeit unter den roten Söhnen Amerikas war bereits an einem früheren Ort die Rede. –

 Die Iowasynode würde nicht so rasch zu ihrer jetzigen Größe und Bedeutung erwachsen sein, wenn sie nicht durch die Löhe’sche Gesellschaft für innere Mission mit Geldmitteln und mit Sendlingen unterstützt worden wäre. Letztere wurden ihr aus der Missionsanstalt in Neuendettelsau zugesandt, deren deshalb hier auch noch kurze Erwähnung geschehen soll.

 Die Missionsanstalt in Neuendettelsau ist aus der im Jahre 1846 in Nürnberg begründeten sog. Missions-Vorbereitungsanstalt erwachsen. In demselben Jahre nämlich, in welchem das Seminar in Fort Wayne ins Leben trat, gründete ein Kreis von gleichgesinnten Kandidaten in Nürnberg eine Anstalt ähnlicher Art, in welcher christliche Jünglinge, die sich dem Dienst der lutherischen Kirche Amerikas widmen wollten, für die Aufnahme in jenes Seminar| vorbereitet werden sollten. Der Unterricht wurde von Pfarrern und Kandidaten in Nürnberg unentgeltlich erteilt. Der zu jener Zeit zahlreiche Kreis von Nürnberger Missionsfreunden betrachtete die Anstalt als sein Pflegekind und that ihr willig Handreichung; die Seele des Ganzen war aber der damalige Katechet Friedrich Bauer. Er stand schon an der Schwelle des reifen Mannesalters, als er sich entschloß, die noch übrige Zeit und Kraft seines Lebens der Ausbildung von Arbeitern für die amerikanische Missionsthätigkeit zu widmen. Freilich ihrem ursprünglichen Zweck diente die Missions-Vorbereitungsanstalt nicht lange. Die über die Lehre von Kirche und Amt entstandenen Differenzen führten, wie oben erwähnt, bald die Lösung des Verhältnisses zur Missourisynode und damit auch zu der Anstalt in Fort Wayne herbei. Da die neugegründete Synode von Iowa für’s erste fertig ausgebildete Arbeiter bedurfte, so ergab sich die Umwandlung der bisherigen Missions-Vorbereitungsanstalt in eine vollständige Missionsanstalt als natürliche Folge der veränderten Verhältnisse von selbst. Fast gleichzeitig mit dieser inneren ging auch eine äußere Änderung vor sich: die Missionsanstalt wurde von Nürnberg weg in die ländliche Stille von Neuendettelsau versetzt, womit das amerikanische Missionswerk wieder an den Ort seines Ursprungs zurückkehrte. Hier in Neuendettelsau gelang es der unermüdlichen Thätigkeit Bauers, der Missionsanstalt eine feste und würdige Herberge zu bereiten, nachdem sie bis zum Jahre 1866 bei ihm notdürftig zur Miete gewohnt hatte. Löhe hatte sich inzwischen, von anderweitiger Thätigkeit in Anspruch genommen, von dem amerikanischen Missionswerk mehr und mehr zurückgezogen. Die Feier des 25jährigen Jubiläums der amerikanischen Missionsthätigkeit im Jahre 1866 stellte aber dieses Werk noch einmal in den Vordergrund seines Interesses. Freilich konnte er nicht mit einem ungemischten Gefühl der Freude auf jene 25jährige Wirksamkeit zurückblicken. Dazu weckte dieser Tag zu viele wehethuende| Erinnerungen auf. Welche Empfindungen überhaupt beim Rückblick auf die amerikanische Missionsthätigkeit seine Seele bewegten, zeigt ein schon einige Jahre vorher aus seiner Feder geflossener Aufsatz in den kirchlichen Mitteilungen. „Als wir“ schrieb er dort „unsre Thätigkeit begannen, sah es in Amerika anders aus als jetzt, nämlich wenn man lutherische Gemeinden, lutherische Synoden, eine lutherische Kirche suchte. Zwar waren die Stephanisten, sowie Grabau mit seinen Preußen drüben, und denen und ihren Gemeinden wird niemand den lutherischen Namen absprechen wollen. Aber die Stephanisten erholten sich soeben erst von den schweren Täuschungen ihres Führers, und die Grabau’sche Synode war doch auch erst in den Anfangsstadien. In dem weiten Lande waren diese zwei Gemeinschaften wie zwei Blätter eines keimenden, fruchtbaren Samenkorns, die eben erst aus der Erde hervorkamen. (Erst) unsere Nothelfer, in deren Mitte aber auch wohlstudierte theologische Kandidaten über das Meer gingen, haben auf unsere Weisung die Anregung zur Gründung der Synode Missouri gegeben. Das blühende Seminar von Fort Wayne ist eigentlich Stiftung unserer Hände. Kurz, wie man die Leute ansehen mag, welche wir sandten, oder die durch uns auf den Gedanken gekommen waren, nach Amerika zu gehen, die in Verbindung mit uns oder ohne diese gingen: sie haben die große Synode Missouri gegründet, gehoben, gekräftigt; und wenn der Säemann sich einer Ernte freuen darf, zu der er den Samen streute, auch wenn er nicht mit erntet und ißt, so dürfen wir das Gedeihen der Synode Missouri und ihre mächtige Wirkung auf Nordamerika immerhin in ein Verhältnis zu uns stellen, wie etwa die Ernte zum Säemann, die Bewegung zum ersten Anstoß, die Wirkung zur Ursache.
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 Und nun stehen wir in gar keinem Verhältnis mehr zur Synode Missouri. Wir empfangen keine Mitteilung, keinen Bericht, keine Zeitschrift, gar nichts mehr; es ist, als wäre auch alles Gedächtnis| früherer Zeiten erstorben. Und zwar gilt das nicht bloß von der Synode als solcher, sondern auch von allen einzelnen Pastoren, die wir ausgebildet, ausgestattet, entsendet, unterstützt und so lange geleitet haben, bis wir ihnen die Weisung gaben, sich einfach zur Synode Missouri zu halten. Aber wir sagen mit dem Ausdruck „gar kein Verhältnis“ zu wenig, denn das Verhältnis ist ein feindliches geworden; ja eben weil es ein feindliches geworden ist, hat alle Verbindung aufgehört. Es ist nicht Dank und Liebe einfach verwelkt und durch Länge der Zeit erstorben, sondern unsre Schüler und Freunde glauben zwingende Gründe zu haben sich von uns zu thun.“ Daß unter denen, die sich also von ihm abkehrten, auch solche waren, die nicht bloß seine Schüler, sondern Jünger und Freunde gewesen waren, denen sein Herz nahe gestanden hatte – und die nun glaubten, oder doch sich so benahmen, als schuldeten sie ihm auch persönliche Liebe und Treue nicht mehr, war und blieb ihm ein Schmerz. Und ebenso hat er zeitlebens das Wehe nicht verwunden, das ihm durch die gewaltsame Zerreißung der innigen Bande, welche ihn mit den fränkischen Kolonien verknüpften, bereitet wurde. Er seinerseits bewahrte ihnen, trotzdem daß aller gegenseitiger Zusammenhang aufgehört hatte, Teilnahme und Liebe bis an sein Ende. Noch im Jahre 1866 bat er einen Freund, eine Besuchsreise in den Kolonien zu unternehmen, um ihm Bericht über das leibliche und geistliche Ergehen seiner fränkischen Landsleute zu erstatten. Die Nachricht von einem Brandunglück, von welchem eine der Kolonien heimgesucht wurde, rührte ihn in den letzten Wochen seines Lebens zu Thränen. So sehr hatte die amerikanische Missionsthätigkeit nicht bloß Kraft und Interesse seines Geistes, sondern auch die Teilnahme seines Gemüts in Anspruch genommen. Es war daher begreiflich, daß bei ihm in die Jubiläumsfreude auch manch bittrer Tropfen sich mischte.
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|  Er hatte an dem der Jubiläumsfeier unmittelbar vorangehenden Sonntag, dem 20. n. Trin. aus Anlaß des Evangeliums (Matth. 22, 1–14) von dem vielfachen Mißlingen und nur teilweisen Gelingen Gottes und seiner Kirche gesprochen, und dieser Gedanke zog sich wie ein Ton der Wehmut auch durch seine Festpredigt und Festrede durch. „Was haben wir denn gewollt, – sagte er in seiner Festpredigt – wir Binnenländer an diesem einsamen Winkel der Erde, die wir allzumal beim Beginn des Werks noch kein Meer, geschweige ein überseeisches Land gesehen hatten? Es war unsre erste, beste, ständige und unverrückte Absicht, Nothelfer hinüber zu senden über den Ocean zu keinem andern Zweck, als um zu verhüten, daß die Glieder Christi jenseits des Oceans sich nicht vom Leibe Christi trennten, und zu bewirken, daß, wo dies schon geschehen wäre, das Getrennte wieder herzugebracht und das Zerstreute wieder gesammelt würde. Die Abendmahlsgemeinschaft mit unseren verlassenen Glaubensbrüdern in Amerika wollten wir aufrecht erhalten. Wir wollten verhindern, daß unsre Brüder, die über den Ocean gegangen waren, über der Scholle Erde, die sie dort bebauen, das heiligste und beste Erbe der Heimat, das Sakrament des Altars, vergäßen. Ein Brot aßen sie mit uns in der Heimat, so sollten sie auch in der Ferne mit uns sein ein Leib. Der Trieb, den die Gesellschaft für innere Mission gehabt hat, der den Leitern und Führern des Ganzen im Verlauf der Jahre immer mehr zum Bewußtsein gekommen ist, war nichts anderes als der Wunsch, die amerikanischen Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens und des Sakraments zu erhalten. Höher und herrlicher können wir unsre Absicht gar nicht fassen. Und eben diese Absicht, l. Br., ist uns so vielfach mißlungen. Denkt nur daran, wie sich in Amerika ganze Scharen von uns gewendet, uns die Abendmahlsgemeinschaft aufgesagt und damit das schönste und heiligste Band, das sich um die Brüder diesseits und| jenseits des Oceans hätte schlingen können, zerrissen haben. Das füllt die Seele mit Wehmut, so daß die, die jubilieren wollen, sich erst begeistern müssen für das, was wirklich geleistet worden ist, um Psalter und Harfe zum Lobe zu erwecken.
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 Aber trotz des Gefühls der Mängel unseres Werks und unseres vielfachen Mißlingens lassen wir uns dennoch nicht abhalten vom Loben und Danken. Haben wir nicht in diesen Tagen von dem Mißlingen des HErrn und von dem Mißlingen seiner Kirche geredet? Man kann die Behauptung wagen: die ganze Geschichte des Reiches Gottes sei ein fortwährendes Mißlingen, neben welchem nur ein teilweises Gelingen hergehe. Gottes Plan schreitet unter Hindernissen vorwärts, die nicht nur seinen Fortgang verzögern, sondern dem ewigen Vater selber ans Herz greifen. Unter den Vollkommenheiten Gottes ist eine, die da Traurigkeit heißt.[3] Gott wird über sein eigenes Mißlingen betrübt. Nicht bloß weint der Erlöser über Jerusalem seine Thränen, sondern auch der selige Gottesgeist kann betrübt werden von einem armen Menschenkinde. Wenn nun des ewigen Vaters Plan nur unter Hindernissen, unter Jesu Thränen und seines Geistes Betrübnis hinausgeht, was dürfen wir armen Menschen für unsre Pläne Besseres erwarten? Ebenso aber wie bei Gott der Schmerz über das teilweise Mißlingen seiner Wege kein Hindernis seiner ewigen Freuden ist, so darf auch bei uns die Traurigkeit über das vielfache Mißraten unseres Werks die Freudenkerze nicht auslöschen, die wir heute angezündet haben. Es bleibt trotz allem doch noch soviel Gelingen übrig, daß wir Ursache haben zu danken für das arme Werk, das bei aller Bescheidenheit dennoch| Seines Namens Ehre und der Brüder Heil erstrebt und auch erreicht hat.“

 Als solche Erfolge, für die man danken könne und müsse, bezeichnet Löhe in seiner am Nachmittag gehaltenen Festrede zunächst die einigende Kraft, welche dem amerikanischen Missionswerk namentlich in seiner ersten Periode, wo es die edelsten Söhne der lutherischen Kirche Deutschlands zur Mitarbeiterschaft verband, beigewohnt habe. Er erinnerte beispielsweise an den S. 61 erwähnten Aufruf an die ausgewanderten Volks- und Glaubensgenossen, der, von ihm entworfen und nach den einlaufenden zahlreichen Korrekturen umgearbeitet, schließlich mit den Unterschriften der bedeutendsten Theologen Deutschlands versehen volltönig und doch einstimmig nach Amerika hinüberschallte. „Eine solche Einheit der lutherischen Theologen Deutschlands, die sonst so selten ist, ein so sichtbarer und greifbarer Beweis von der Gemeinschaft der Heiligen, war ein gutes Beispiel, wofür man zu danken hat.“

 Er erinnerte ferner an die mannigfache Anregung, welche die lutherischen Landeskirchen Deutschlands der Entstehung und Ausbildung einer vom Staate unabhängigen lutherischen Kirche Amerikas verdankten. Durch die geschichtliche Entwicklung der lutherischen Kirche Amerikas seien wichtige theologische und praktisch-kirchliche Fragen zur Besprechung gestellt, und ihrer dereinstigen Lösung vorgearbeitet worden, so z. B. die Amts- und Verfassungsfrage.

 Ferner sei das Dasein der Missourisynode doch auch ein Gelingen. „Wenngleich die Missourisynode das, was sie ist, im Widerspruch gegen uns geworden ist, so ist sie es doch nicht geworden ohne uns, wenn man dort auch nicht mehr daran denkt. Freilich haben die Missourier in den Dingen, welche sie kennzeichnen, unsern Beifall nicht; wir haben andre Anschauungen über Kirche und Amt| und über die Ziele der Kirche als diejenigen, die das Musterbild kirchlicher Zustände in der kirchlichen Entwicklung des 16. Jahrhunderts sehen. Aber doch freuen wir uns, daß es eine Synode Missouri giebt, und können die Gemeinden glücklich preisen, die unter ihrer Führung stehen: sie haben reines Wort und Sakrament. Es ist also ohne Zweifel auch die Freude und der Dank über das Gelingen, das uns folgte, berechtigt.

 Auch was die Kolonien betrifft, so haben wir doch nicht bloßes Mißlingen geerntet. Die Nachrichten über die Ausgewanderten, die von einem urteilsfähigen Besucher der Kolonien stammen, fassen sich in dem Resultat zusammen: „Es ist gut für sie, daß sie drüben in Amerika sind; sie habens besser als in der alten Heimat. Obgleich die Welt, namentlich in die Jugend, eindringt, so ist doch noch ein ernster Zug da; man will von seite der Gemeinde die Zucht nach göttlichen Grundsätzen, und was die kirchliche Führung betrifft, so sind sie ohne Zweifel besser daran als die (meisten) Gemeinden in der deutschen Heimat.“ Es ist also doch den Kolonisten zu einem gewissen Grad irdischer Wohlfahrt und zu einer gedeihlichen kirchlichen Existenz verholfen. Wir haben also allerdings Ursache von wegen der Vergangenheit Gott zu danken.“

 „Was aber – so schloß Löhe seine Festrede – das Herrlichste ist, immer noch gehen die Boten mit dem Evangelium eines ewigen Friedens in die Wälder Amerikas, immer noch werden die Zerstreuten gesammelt, Gemeinden gegründet, Kinder getauft und unterrichtet, Sterbende getröstet – der Segen des Worts und der Sakramente ist geblieben. Viele sind von unsern Sendlingen auf die Wege des Friedens geführt worden, nicht bloß für Jesum, sondern auch für ein kirchliches Gemeinwesen auf Erden gewonnen worden. Die stille Thätigkeit des Anfangs ist noch da, sie ist das Einzige, was noch geblieben ist, und sie wird fortgesetzt werden und| gesegnet bleiben, und um ihretwillen mit den reichsten Früchten gekrönt, haben wir heute Recht und Pflicht zu jubilieren. Nichts ist gegangen, wie wir wollten, aber alles ist so gegangen, daß Heil und Segen mitgefolgt ist bis auf diese Stunde, und daß der HErr von dem Werk unsrer Hände seine Hand nicht abgezogen hat.“ –

 Mit dem Gebet, daß der HErr das Werk unsrer Hände auch weiterhin fördern und nachdem Er Seinen Knechten Seine Werke gezeigt, ihren Kindern auch Seine Ehre zeigen wolle, schloß Löhe seine Rede. Sie schien uns wegen ihres abschließenden, die Summe der amerikanischen Missionsthätigkeit ziehenden Charakters geeignet, den Schluß dieses vorletzten Halbbandes zu bilden.





  1. Die Missourisynode stellte nämlich damals (mit Berufung auf 1 Kor. 1, 10 ff.) den ungeheuerlichen Satz auf, daß in einem Staat, in welchem sie bereits Gemeinden habe, keine lutherische Synode neben und außer ihr ein Recht zu kirchlichem Wirken habe. Sehr bald freilich hat die Missourisynode angefangen, an ihren eigenen Grundsatz sich nicht zu kehren und unbedenklich sogar in Einzelgemeinden „Altar gegen Altar“ aufzurichten.
  2. Ein missourischer Pastor entschuldigte sich einmal wegen des Gebrauchs des Ausdrucks „die Iowasynode“ durch den Beisatz: ut ita dicam.
  3. Löhe wollte damit sagen, es sei keineswegs ein sog. Anthropopathismus, sondern es gehöre zu den Vollkommenheiten Gottes, daß er auch der Gemütsbewegungen wie Freude, Traurigkeit etc. fähig sei.


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