Zedler:Braunschweig
Braunschweig, lat. Brunsuiga, oder Brunsuigum, oder Brunonis vicus, Brunopolis, eine berühmte grosse und feste Stadt in Nieder-Sachsen, davon ein gantzes Hertzogthum den Namen hat. Sie liegt an dem Fluß Ocker[1] in einer ebenen und lustigen Gegend.
Ihren Ursprung hat sie von denen Söhnen des Hertzogs Ludolphi zu Sachsen, Brunone, Tanquardo und Ottone; Denn der älteste, Hertzog Bruno, hat sich an dem Ort, wo ietzo die Stadt Braunschweig stehet, und woselbst damahls ein altes Dorff Wieck gelegen, so von Carolo M. in dem Kriege wieder Wittekindum gantz zerstöret worden, niedergelassen, eine Stadt zu bauen angefangen, und selbige nach seinem Namen Brunswick genennet. Seine Residentz nahm er in dem sogenannten Herren-Dorffe, so ietzo hinter St. Magnus liegt, daher auch die Strasse, so seine Ritterschafft angebauet, noch ietzo die Ritter-Strasse heisset. Als Tanquardus sahe, daß seines Bruders Vorhaben wohl von statten gieng, und sich viele funden, die daselbst anbaueten, so nahm er den Platz jenseit der Ocker, und führte an. 861 zur Defension daselbst eine Burg auf, welche von ihm Tanquerode oder Tanquarderode genennet wurde. Worauf beyde Brüder ihren Bau zusammen gezogen, bey einander auf dem Schloß Tanquerode gewohnet, die S. Jacobs-Kirche gestifftet; und also die alte Stadt zu bauen continuiret, biß Bruno im Kriege wieder die Dänen und Normanner bey Ebstorff umgekommen, und sein Bruder Tanquardus das folgende Jahr auch mit Tode abgegangen. Worauf sich der dritte Bruder Otto M in Braunschweig niedergelassen und das Schloß Tanqueroda bewohnet, biß er an. 916 gestorben; da ihm denn sein Sohn Henricus Auceps, so hernach Käyser worden, succediret. Dieser hat die Neustadt zu der alten Stadt zu bauen angefangen, und sie mit Mauern umzogen. Er hat auch aus denen umliegenden Dörffern den neundten Mann hinein zu ziehen aufgeboten, und etliche davon zu Kriegs-Leuten verordnet, auch ihnen jährlich gewisse Einkünffte angewiesen, damit sie sich iederzeit zum Kriege gefast halten möchten, wovon hernach die Patricii hergekommen.
Als an. 936 Käyser Henricus gestorben, haben die folgenden Hertzoge und Herren von Braunschweig, diese Stadt noch mehr angebauet. Darunter Ludolph, Marg-Graf zu Sachsen, der nach Käysers Ottonis III Tode dieses Land geerbet, welcher auch etliche Kirchen gebauet. Hertzog Ecbrecht I hat a. 1090 das Stifft S. Cyriaci vor Braunschweig, und Gertraut, Marg-Gräfin von Sachsen, das Closter S. Aegidii ums Jahr 1112 fundiret. Diese hat mit Henrico, Grafen zu Northeim, eine Tochter Rixam gezeuget, so an den Käyser Lotharium vermählet worden, welchem sie eine Tochter Gertrudin gebohren, die Henrico Superbo, Hertzoge von Bayern, das Land und die Stadt Braunschweig zur Morgengabe mitgebracht. Er zeugte mit ihr Henricum Leonem, welcher die Burg mit einer Mauer und [1137] Graben umfangen, einige Kirchen aufgeführet, anno 1172 den Löwen in die Burg setzen lassen, den Hagen, so vorher nur lauter Gärten, Wiesen und Buschwerck gewesen, und etliche Burg-Gesesse hat er mit zur Stadt gezogen, und ummauert, auch dieselbe noch ferner ausgezieret. Er hat zwar seinem ältesten Sohn Henrico an. 1195 Braunschweig vermacht, allein desselben Bruder Otto hat die Stadt eingenommen. Zu dessen Zeiten ist die alte Wick völlig bebauet u. der Sack zur Stadt genommen worden.
Die folgenden Hertzoge haben gleichfalls nicht unterlassen, was zum Aufnehmen dieses Orts gereichen konte, beyzutragen, welcher hierdurch so groß und Volckreich worden, daß vor der letzten Reduction 5 Weichbilder darinnen, und in iedem ein besonderes Rath-Hauß zu befinden gewesen. Das erste in der alten Stadt, das andere in der Neu-Stadt, das dritte auf dem Hage-Marckte, das vierte im Sack, das fünffte in der alten Wick. Sie hat 9 Thore und ist mit Mauern, Wällen und Gräben trefflich befestiget, so daß im 30jährigen Kriege viele Leute ihre Zuflucht daselbst gefunden.
Die Stadt hat ausser unterschiedlichen kleinen und der Dom-Kirche, noch 8 Haupt-Kirchen, it. 4 Haupt-Schulen, eine Menge von Hospitälern und Begginen oder Armen-Häusern. Der Thurm an der St. Andreas-Kirche ist einer derer höchsten in Teutschland.
Unter die andern Merckwürdigkeiten der Stadt gehören die zwey Stücke,[2] so vor die grössesten in Teutschland gehalten werden, die faule Metze,[3] welche auf einer Bastion stehet, und der grimmige Löwe genannt, it. die Braunschweigische Mumme, ein Bier, welches von so grosser Dauerhafftigkeit und Güte, daß es gar nach Indien geführet wird.
Nachdem die Hertzogliche Residentz nach Wolffenbüttel verleget worden, und sonderlich bey denen Erb-Fällen es ohne Streitigkeiten unter denen Hertzogen nicht abgieng, auch an. 1343 die Voigtey und unterschiedene andere Güter und Jura der Stadt verkaufft worden; fand diese Stadt Gelegenheit, sich besonderer Privilegien anzumassen, welche ihr die Landes-Fürsten nicht zugestehen wollen, worüber es gar offt zur Thätlichkeit gekommen, da die Hertzoge sich zum öfftern wiewohl meistentheils vergebens bemühet die Stadt unter ihre Gewalt zu bringen; hingegen die Bürger sich nicht nur tapffer gewehret, sondern auch offt von freyen Stücken denen Feinden derer Hertzoge offenbarlich beygestanden.
Derer ältern Geschichte hier zu geschweigen; so ist zwar an. 1492 von Hertzog Heinrich dem ältern, und an. 1542 von Hertzog Heinrichen dem jüngern, dem eifrigen Vertheidiger der Catholischen Religion, die Stadt angegriffen worden, hat aber von Churfürst Joann Fridrichen zu Sachsen, und Land-Graf Philipp zu Hessen Hülffe erhalten. Anno 1550 und 53 ist sie abermahl von Hertzog Heinrich vergebens belagert worden.
Anno 1605 den 16 Oct. hätte Hertzog Henricus Julius diese Stadt bey nahe überrumpelt, wie denn seine Leute das äussere Thor S. Magni samt dem Wall schon eingenommen, und das allda stehende Geschütz gegen die Stadt loßgebrannt hatten; weil aber noch die innere Stadt-Mauer übrig, und die Hertzogliche Verstärckung nicht gleich bey der Hand war, faßten die Bürger einen Muth, nahmen einen Theil des Walls wieder ein, und wehrten sich sodann mit schüssen, biß des folgenden Morgens um 10 Uhr, da endlich, als die meiste Bürgerschafft den Muth schon sincken ließ, und [1138] sich ergeben wolte, nur 150 Mann an zwey Orten einen Ausfall gethan, und den Feind von denen Seiten so tapffer angegriffen, daß er die Flucht nehmen, und alle mitgebrachte Stücke und Kriegs-Vorrath im Stich lassen muste. Aber nach wenig Tagen, nemlich in der Nacht zwischen dem 20 und 21 Oct. kam der Hertzog mit noch grösserer Macht, und fieng eine förmliche Belagerung an, fügte auch sonderlich der Stadt mit Aufschwellung der Ocker, so durchflüßt, grossen Schaden zu, biß der Damm zum andernmahl den 16 Mertz und zwar diesesmahl unten im Grund gebrochen; so daß alle Hoffnung, die Stadt durch dieses Mittel zu bezwingen, auf einmahl verschwand. Weil nun überdiß über 15000 Mann, welche die Hansee-Städte der bedrängten Stadt zu Hülffe gesendet, heran rückten, auch der Käyser Rudolphus II von denen Thätlichkeiten mit allem Ernst abmahnte, hub endlich der Hertzog die Belagerung auf; da denn die Braunschweiger samt ihren Helffern einige Jahre durch in dessen Lande wiederum grossen Schaden verursachten.
Anno 1615 griff Hertzog Fridericus Viricus sie im Julio mit grosser Gewalt an, muste aber den 11 Novembr. abziehen, weil die Holländer und Hansee-Städte ihr Hülffe zuschickten, und wurde den 21 Dec. durch Vermittelung des Königs in Dännemarck, derer Churfürsten zu Pfaltz, Sachsen und Brandenburg und anderer Stände des Reichs im Closter Stederburg ein Vergleich geschlossen, daß die Hertzoge alle Privilegia der Stadt confirmiren, die Stadt dagegen, wie sie ann. 1569 gethan, die Huldigung ablegen solte, welches auch den 6 Febr. geschehen.
Endlich aber an. 1671 hat sie der Hertzog Rudolph August sich unterwürffig gemacht. Denn nachdem die gesamten Hertzoge von Braunschweig im Frühling selbigen Jahres zu Burgwedel beysammen gewesen, und die Stadt unter sich zu bringen beschlossen, so forderte Hertzog Rudolph August mit Hülffe seiner Herren Vettern selbige den 18 May auf, und den 26 selbigen Monaths rückten die Hertzogliche Trouppen unter dem Feld-Marschall Grafen von Waldeck vor die Stadt. Unterdessen wurde verschiedenemahl von beyden Parteyen tractiret, wobey sich auch die Holländischen Gesandten, nebst denen Abgeordneten derer Städte Hamburg, Lübeck und Bremen eingefunden. Endlich erfolgte wieder alles Vermuthen den 12 Jun. ein glücklicher Vergleich, und den 16 Jun. leisteten die Bürger denen gesamten Hertzogen von Braunschweig die Huldigung. Worauf die fünff Weichbilder der Stadt zusammen gezogen, und unter ein Stadt-Regiment gebracht, an statt 14 Bürgermeister 4, an statt 11 Camerarien auch 4 und an statt 31 Raths-Herren 8 gesetzt, die niedrigen Gerichte gleichfalls reformirt, und an statt 10, 2 Stadt-Einnehmer und ein Buchhalter bestellet, und die Stadt also beruhiget worden ist.
Tolneri Hist. Palat. XVI. p. 349. Helm. Chron. Slau. II. 7. §. 5. Alberti Stadensis Chron. p. 290. von Bünaus Leben Friedrichs I. p. 190. Knauth Beschr. Sachs. Land. p. 190. seq. Zeiller. Topogr. Brunsv. Sagittar. de orig. Brunsv. Rehtmeyer der Stadt Braunschw. Kirchen-Hist. Lünigs deduct. p. 87. seq. Gastelius de statu publ. Europae p. 1114. Lundorp. T. IX. p. 769. Schad. in Contin. Sleidani.
Anmerkungen (Wikisource)
Der Artikel wird in Ergänzungsband 4 (1754) Sp. 529 ergänzt.
- ↑ Oker
- ↑ Geschütze
- ↑ Faule Mette