Zedler:Mündig, Volljährig, Voigtbar, Majorenn

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Mündige Jahre

Band: 22 (1739), Spalte: 401–405. (Scan)

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Mündig, Volljährig, Voigtbar, Majorenn, Lat. Major oder Majorennis, heißt in denen Rechten eigentlich ein Mensch, der sein männliches Alter erreichet hat, und also nicht mehr weder unter einer andern Gewalt noch auch Vormündern stehet, sondern über sein Vermögen nach selbst eigenem Bedüncken schalten und walten, und also gleichsam seinen eigenen Mund brauchen kan.

Es wird aber das Wort Mündig gleichwohl von unterschiedenen Rechts-Gelehrten in zweyerley Verstande gebrauchet. Einige deuten es nehmlich von einer Person, die was Männlein sind, über 14 Jahr, die Weiblein aber 12 Jahr völlig zurücke geleget haben, und vermengen also die Mündigkeit oder Majorennität, mit der sonst in den Rechten so genannten Pubertät oder Minderjährigkeit, wovon an seinem Orte. Siehe auch Mündlein. Andere aber verstehen es bloß von denen sonst so genannten volljährigen oder majorenn gewordenen Personen.

Nach denen gemeinen Rechten wird einer nicht eher, als bis nach zurück gelegten 25 Jahren vor mündig oder majorenn erkläret. Wie denn daher auch in denen alten Römischen Rechten das Wort Major, so offt es ohne Zusatz gebraucht wird; allezeit eine Person anzeiget, die ihre Majorennität oder Mündigkeit erreichet, das ist, die bereits das 25 Jahr völlig geendiget hat. Als im l. si majore. C. de transact. l. fin. de his qui ven. aet. impetr. l. 3. §. ult. l. 24. ff. deminor. l. 23. ff. eod. Nach Sachsen-Recht aber geschiehet solches, wenn einer das 21 Jahr zurück geleget hat, welches in verschiedenen Ländern auch noch anders. Als z. E. in Oesterreich geht solche Majorennität nach dem bey Manns-Personen zurück gelegten 22 und bey Weibs-Personen nach geendigten 20 Jahren an, u. s. w. In Deutschland aber werden überhaupt ebenfalls zur Majorennität oder Volljährigkeit derer Fürsten so wohl als bey Privat-Personen nach gemeinen Rechten volle 25 und nach Sächsischen 21 Jahr erfordert. Ausser, daß die Chur-Fürsten vermöge der Güldenen Bulle Tit. VII. §. 4. wie auch einige andere Fürsten, als die von Braunschweig, Hessen-Darmstadt, Anhalt u. s. w. schon im 18 Jahre majorenn werden und zur Regierung kommen. In Franckr. wird der König im 14, in Spanien im 20 und in Schweden im 18 Jahre majorenn. So wird auch in Pohlen und Rußland die Majorennität mit dem 18 Jahr erlanget.

Wenn demnach jemand diese Voigtbaren oder mündigen Jahre erreichet hat; so ist er alsdenn fähig und geschickt, alles dasjenige, was sonst ein freyer Mensch, und der sein selbst eigner Herr ist, ohne Beytritt und der sonst bey Unmündigen erforderten Einwilligung eines andern, z. E. seines Vaters, Vormundes, u. d. g. thun kan, zu verrichten. Er kan also vor sich selbst und gantz allein mit andern in Kauff, Verkauff und andere dergleichen zu Recht beständige Handlungen treten und andere so wohl sich, als sich hingegen andern verbindlich machen. So gar, daß er auch nach diesen erlangten mündigen Jahren, wenn er sich nur von seinen Eltern absondert, und seine eigene Haushaltung anfängt, zugleich der väterlichen Gewalt frey und loß wird, ohne die sonst nach denen alten Römischen Rechten üblichen Solennitäten und Gebräuche [402] darzu nöthig zu haben. Constit. Aug. Elector. 30. P. 2. Dan. Moller ibid. n. 9. u. ff. wie auch in Decis. 12. n. 4. Decis. 41. n. 8. Hahn ad Wesenbecii Paratit. ff. de Adopt. n. 7. ad verba: Jure vero Saxonico, Carp. in Jurispr. Consist. Lib. I. Def. 107. n. 9 Richter in Decis. 8. n. 172. Reus. Lib. I. Decis. 10. n. 9. Rauchbar P. II. qu. 14. n. 24. Pruckmann in Consil. I. n. 13. Consil. 34. n. 96. vol. I. Ritzel in Synops. Matrim. c. 7. lit. M. Stryck in Us. Mod. ff. Lib. I. tit. 7. §. 18. 19. und andere.

Hingegen hat sich ein solcher Mündiger oder majorenn gewordener nach erlangter Mündigkeit auch nicht mehr derjenigen Rechte und Freyheiten zu erfreuen, welche sonst denen Minderjährigen oder die noch nicht ihre mündigen Jahre erreichet, zustehen. Als z. E. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand u. s. w. Jedoch ist gleichwohl auch in denen Rechten diesen Punct betreffend verschiedenes ihnen zu gute versehen. Wie denn insonderheit der gantze Tit. ff. 6. Lib. IV. und Lib. II Cod. Tit. 54 ex quib. caus. major. ann. in integr. restit. 25. davon abgefasset ist.

Es ist aber die Ursache, warum ein bereits majorenn gewordener wiederum in den vorigen Stand gesetzet werden soll, in denen angezogenen Orten entweder ausdrücklich nahmhafft gemacht, als die Abwesenheit oder Gefangenschafft, l. fin. C. h. tit. oder da man in Gefängnissen, wenn es auch gleich nur Privat-Gefängnisse wären, woraus man nicht entkommen kan, aufbehalten worden, l. 9. ff. eod. Oder sie sind allgemein und nicht so genau bestimmt, nehmlich eine jede rechtmäßige Ursache, so eine Entschuldigung verdienet, l. I. §. I. l. 26. §. 9. ff. eod. Bes. auch Mynsinger in Cent. I. Obs. 51. Es wird also diese Wiedereinsetzung in vorigen Stand ohne Unterschied 1) allen denen vergönnet, welche nothwendiger und löblicher Weise abwesend sind, als denen Gesandten, vom Feinde Gefangenen u. d. g. l. 9. l. 14. l. 15. ff. eod. ingleichen denen, die zwar freywilliger jedennoch löblicher Weise abwesend sind, als die Studirenden u. s. w. l. 28. ff. eod. Mit Unterschied aber und in gewissen Fällen auch denen, so zwar nothwendiger, aber schändlicher Weise abwesend sind, als denen Verwiesenen, wenn solche nehmlich keinen Gevollmächtigten bestellen oder finden können, oder wenn sie zwar einen hinterlassen, aber von ihm nicht vertheidiget worden, arg. l. 26. § 1. ff. eod. 2) Ist diese Wiedereinsetzung auch denen zu gute verordnet, die zwar freywillig, aber um einer weder Lobens- noch Scheltens-würdigen Ursache abwesend sind, denen Kauffleuten, u. d. g. Frantzkius in Comment. ad ff. h. t. n. 58 Diesen nun kommt der Prätor in dem gedachten Edicte zu Hülffe, wenn sie wegen ihrer Abwesenheit etwas von ihren Gütern entweder durch Verjährung, oder auf eine andere Art und Weise eingebüsset haben, und verstattet ihnen deshalber eine besondere Klage anzustellen, welche, weil sie von dem Prätore herrühret, daher auch mit einem besondern Zusatze Prätorisch (Actio Praetoriana, in rem) und nach erlangter Wiedereinsetzung Rescissoria, in simplum, directa zu Wiedererlangung der verlohrnen Sache, oder Prosseß, genennet wird. Sonst wird selbige auch so wohl denen Erben, als wider die Erben gegeben, weil solchen der von dem Verstorbenen [403] herkommende Gewinn abgenöthiget wird. l. 30. ff. h. t. Sie heist auch noch mit einem weitern Zusatze stricti juris, singularis, und macht nicht infam.

Es können aber solche Wiedereinsetzung die mündigen Personen, welche inner oder ausser Gerichte verletzet worden und der verlohrnen Sache Herren sind, begehren, l. 1. l. 18. ff. h. t. Heutiges Tages muß an statt des Prätoris bey der ordentlichen Obrigkeit deshalber Ansuchung gethan werden. Die innerlich darzu bewegende Ursache ist die geschehene Verletzung selbst; die äusserliche aber die Bitte um offt gedachte Wiedereinsetzung von der Obrigkeit. Es wird aber dieselbe ordentliche Weise vermittelst eines zu dem Ende abgefaßten Bitt- oder Implorations-Schreibens gesucht und auch erhalten. Im übrigen werden in denen abangezogenen Orten fünfferley Ursachen erzehlet, welcher wegen ein mündiger oder majorenn gewordener Mensch wieder in den vorigen Stand gesetzet werden solle, 1) wenn sich bey dem Impetranten ein Irrthum, Unwissenheit oder rechtmäßige Abwesenheit eräugnet hat. Die 2) ist die Person des Gegners, z. E. wenn derselbe auf einige Weise nicht zugegen gewesen; die 3) die Person des Richters, die 4) die Person eines Dritten, und die 5) ein ungefährer Zufall. Absonderlich wird diese Klage zur Wiedereinsetzung (Actio rescissoria) demjenigen, welchem dadurch geschadet worden, wider die geschehene Bemächtigung und Verjährung der Sache, die wegen einiger Abwesenheit des Gegners erfüllet worden ist, oder wegen seiner eigenen nothwendigen und billigen Abwesenheit, zu dem Ende ertheilet, daß er und seine verlohrne Sache wieder in den vorigen Stand gesetzet werden. Wie denn auch die Würckung dieser Klage hauptsächlich darinnen bestehet, daß die klagbar gemachte Sache nebst allen davon genossenen Früchten und Nutzungen wieder zurücke gegeben werden muß, l. 28. §. fin. l. 29. l. 22. §. 1. l. 23. ff. h. tit. Clasen ad §. 5. Inst. de Act. p. 23. Ja es wird auch diese Wiedereinsetzung so gar wider das Richterliche Urtheil verstattet, wenn man erst nachgehends neue Documente gefunden hat, per l. 35. ff. de re judic. Schickhard in Logica Jurid. c. 1. n. 58. und c. 3. n. 45. Brunnenmann in L. 4. C. de re judic. l. 27. ff. de poen. Gothofredus in not. ad l. 4. C. de re judic.

Ferner können Republicken, Kirchen, Städte, die durch Administratores regieret werden, wenn sie durch solche verletzet worden, nach dem Exempel der Minderjährigen und mündig gewordenen Personen wieder in den vorigen Stand gesetzet werden. Welches aber doch innerhalb 4 Jahren von Zeit der geschehenen Verletzung an geschehen muß, weil sonst, wenn die Restitution immerfort dauerte, niemand weiter mit ihnen sich in einen Contract einlassen würde. Wider die Verjährung aber wird eine Stadt nicht wieder in ihren vorigen Stadt gesetzet, arg. Auth. quas actiones. C. de. SS. Eccles. obschon die Minderjährigen deshalber gehöret werden. L. un. C. fi advers. usucap. Jedoch wenn die dadurch geschehene Verletzung allzu groß ist, (Laesio enormissima) so wird auch eine Kirche oder Republick noch nach 4 Jahren damit gehöret. Cap. 1. X. de restit. in integr. in 6. Brunnemann in L. 4. C. h. tit. n. 9. u. 10. Perez in C. h. [404] tit. n. 7. 8. u. 10.

Die Zeit also, binnen welcher nach dem neuern Rechte diese Wiedereinsetzung begehret werden muß, ist eigentlich 4 Jahr nach ermangelnder und geendigter Abwesenheit, oder andern Verhinderungen. L. fin. in pr. & §. 1. C. de temp. in integr. restit. Brunnemann ibid. Welche 4 Jahre aber einem unwissenden nicht fortlauffen, weil es eine von ihrem ersten Anfange in denen Rechten so genannte nützliche Zeit ist, (tempus ab initio utile) das ist, dieselbe fängt nicht eher an zu lauffen, als bis man solches weiß, oder davon benachrichtiget worden. Ja daß einen der Richter auch noch nach verflossenen 4 Jahren aus wichtigen und erheblichen Ursachen zur Wiedereinsetzung lassen könne, ist klar aus dem cap. 1. X. de restit. in integr. in 6. ibique Brunnemann n. 11. Hierbey entstehet die Frage, ob einem diese Zeit der 4 Jahre allezeit vollkommen gegeben werde? Und ist dieselbe zu bejahen, wenn die Wiedereinsetzung wider einen Contract oder Urtheil begehret wird; nicht aber, wenn es wider die verfallene Zeit gegeben wird. Denn da halten die mehresten Rechts-Gelehrten insgemein davor, daß einer diese Wohlthat der Wiedereinsetzung binnen so viel Zeit begehren müsse, um wie viel er verletzet worden, ob wohl zur Endigung der Sache 4 Jahr, ja nach der Kriegs-Befestigung noch längere Zeit verstattet werden kan. Oddo. Sforza in Qu. 19. art. 4. Carpzow in P. 2. Const. 3. def. 20. Brunnemann ad L. ult. C. de temp. in integr. restit. n. 15. und in L. fin. C. de praescript. 30. vel 40 annor. ibique Perez n. 4. Ubrigens müssen bey desfalls erhobener Klage zwey Stücke bewiesen werden, 1) auf Seiten des Klägers das Eigenthum, und 2) auf Seiten des Beklagten die Posseß der verlohrnen Sache.

Anbey ist noch zu mercken, daß ein solcher mündiger oder voigtbarer Mensch nicht allein an demjenigen Orte oder Lande, woselbst er sich ordentlich aufhält und seine Wohnung hat, sondern auch ausser demselben davor zu achten und zu halten ist; weil sich eben diese Mündigkeit oder die in denen Rechten bestimmte Zeit derer mündigen Jahre auf gewisse Statuta und Gesetze, die ein jedweder Herr in seinem Lande nach Belieben geben und ändern kan, beziehet; diejenige Statuta und Gesetze aber, welche eine Person zu etwas habilitiren, oder vor tüchtig erkennen, auch ausser dem Lande, welches dieselben vornehmlich bezielen, in so weit ihre Würckung haben, daß eine solche Person auch an fremden Orten vor eben so tüchtig, oder untüchtig, als daselbst, geachtet wird. Dannenhero weil nach Sachsen-Rechten die Sächsischen Unterthanen nach zurückgelegten 21 Jahre mündig sind; so ist ein Sachse auch in fremden Provintzien im 22 Jahre vor majorenn zu achten, und kan er seine daselbst habende unbewegliche Güter ohne Vormund veräussern. So hat er auch in Contracten keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu hoffen; es wäre denn daß die Obrigkeit des Ortes in denen unbewegliche Gütern ein anders angeordnet hätte. Mevius in Quaest. Praelim. ad jus Lubec. n. 39. Denn wenn ein Statut die Sache, das andere aber die Person angehet; so muß dieses jenem weichen. Lyncker ad tit. de Legib. §. 24. Wofern aber ein solcher mündiger Sachse seine Wohnung verändert, und sich an Orten und Enden, wo die [405] Kayserlichen oder andere Rechte gebräuchlich sind, niederläßt; so hat er alsdenn zwar die Rechte und Freyheiten derer Minderjährigen in seinen künfftigen Handl. zu genüssen; die vorigen aber müssen bey ihren Kräfften bleiben. Struv in Jurispr. Rom. Germ. for. Lib. I. tit. 2. §. 29. Siehe auch Mündigkeit, ingl. Minderjährig im XXI Bande.

Ubrigens giebt es noch gewisse Fälle, da auch bisweilen einem Mündigen, wenn er gleich schon seine voigtbaren Jahre erlanget hat, dennoch nicht die selbsteigene Verwaltung seines Vermögens, noch auch andere verbindliche Handlungen weder in noch ausser Gerichte vorzunehmen verstattet wird, sondern da einem schlechterdings ein Vormund zu bestätigen ist, durch dessen Vermittelung alles dasjenige besorget werden muß, was derselbe ausser dem sonst selbst mit Bestand Rechtens thun und verrichten mögen. Z. E. wenn einer blind, taub, stumm, blödsinnig, mondsüchtig, oder gar rasend ist, ingleichen Weibs-Personen, Prodigis, u. d. g. wovon an seinem Orte. Siehe auch Vormund.